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Was uns wieder in Ordnung bringt

In Zeiten wie der Coronapandemie, in denen Menschen ganz auf sich und ihre eigenen vier Wände zurückgeworfen sind, ist der Wunsch nach Entrümpelung und Ordnung besonders ausgeprägt.

Wenn man die Welt im Großen schon nicht überblicken und gestalten kann, dann doch wenigstens das eigene Umfeld. Wo es keine Ablenkung von außen gibt, entsteht häufig auch das Bedürfnis nach einer inneren Inventur, die zur Erkenntnis führt, dass sich im Laufe der Zeit zu viele Dinge angesammelt haben, zu denen es eigentlich keine „Beziehung“ mehr gibt. Diese Unordnung spiegelt sich auch in einem Denken, das den Überblick verloren hat. Kurt Tucholsky sagte einmal, dass die Basis einer guten Ordnung ein großer Papierkorb ist. Fokussierung, Sammlung und Aufgeräumtheit schafft wieder Luft zum Atmen und klaren Denken.

Das Wort Ordnung kam über die Architektur ins moderne Denken, wo es ursprünglich für ein Ganzes stand: Alle Teile passten zueinander, sodass keines ersetzt werden konnte, ohne die Harmonie zu zerstören. Dinge belasten uns nicht, weil sie vorhanden ist, sondern durch die Energie, die es uns kostet, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, sie zu ordnen und wiederzufinden. In ihrem Buch „Mein Leben in drei Kisten“ erzählt Anne Weiss, wie sie zum minimalistischen Leben kam und Antworten auf ihre Fragen fand: Was macht ein gutes Leben aus? Wofür braucht es all die angesammelten Dinge, und was macht der wachsende Konsum mit uns und unserer Welt?

„Nicht lange überlegen – lieber machen!“, so lautet die Devise von Marie Kondo, die als selbstständige Beraterin für Aufräumen und Ordnung arbeitet. Nach dem Studium begann sie, ihre „Konmari-Methode“ zu entwickeln, aus der mehrere Weltbestseller hervorgingen. In Japan ist sie inzwischen ein Fernsehstar. In den USA, wo sie mit ihrem Ehemann und ihren Töchtern Miko und Satsuki lebt, stehen ihre Bücher monatelang an der Spitze der „New York Times“-Bestsellerliste. Mittlerweile hat sie eine eigene Netflix-Serie, in der sie Hausbesuche macht und mit den Bewohner:innen die Wohnung (und das Leben) neu sortiert. Im Englischen wurde ihr Nachname zum Verb: „to kondo“ (Synoym für „radikal aufräumen“). Das Entrümpeln wird von ihr in die Kategorien Kleidung, Taschen und Schuhe; Bücher; Unterlagen und Dokumente; restliche Dinge (z. B. Haushaltsgeräte und Erinnerungsstücke) eingeteilt. Diese werden dann abgearbeitet:

1. Das Herausräumen

2. Die Glücksfrage

3. Das richtige Verstauen

Sie faltet Kleidung beispielsweise so, dass die Teile in der Schublade stehen. Damit ist sofort sichtbar, welche Farben und Modelle vorhanden sind. Auch für Küche oder Bad werden Boxen und weitere Ordnungshelfer empfohlen.

Die Philosophin Dr. Ina Schmidt unterscheidet in ihrem Buch „Alles in bester Ordnung“ zwischen einer systematischen und einer organischen Ordnung, einer äußeren und einer inneren Ordnung und empfehlt, genauer darauf zu achten, wo eigentlich gerade wirklich etwas in „Unordnung“ geraten ist. Wenn etwas in Ordnung ist, dann meinen wir damit meistens nicht, dass die Dinge am richtigen Platz sind, sondern dass etwas gut ist. Dabei geht es auch um das, was Martin Heidegger in den 1950er-Jahren mit „Bodenständigkeit“ beschrieben hat. Gemeint ist eine im besten Wortsinn erdverbundene Haltung, die eigene Entwicklungsmöglichkeiten in einem stabilen Umfeld genauso ernst nimmt.

  • Ordnung schafft einen Gegenpol zu unserer Ausrichtung des „Schneller, höher, weiter“, der die Dinge aus der Balance bringt und damit verhindert, dass sie sich zu einer eigenen Ordnung fügen können.

  • Ordnunghalten braucht kaum Zeit – es lässt sich nebenbei machen, auch Routinen lassen sich verinnerlichen.

  • Im Hier und Jetzt zu leben bedeutet, nur den wichtigsten Dingen seine Aufmerksamkeit zu widmen – es sollte nur das behalten werden, was auf jeden Fall noch gebraucht wird.

  • Zuerst sollte geprüft werden, was vorhanden ist, was wirklich gebraucht und häufig genutzt wird. Danach sollte sich von den Dingen getrennt werden.

  • Dinge sollten möglichst nicht weggeworfen, sondern verkauft, gespendet oder verschenkt werden.

  • Die nachhaltige Wirkung des Aufräumens wirkt sich auf sämtliche Lebensbereiche aus und macht glücklich.

  • Die Dinge, die gerade wichtig sind, sollten gut zusammenpassen (Stimmigkeit).

  • Eine nachhaltige Lebenseinstellung ist von der Ordnung der Dinge nicht zu trennen.

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Der Mensch und seine Dinge

Marie Kondo: Alles in Ordnung. Dein praktischer KonMari-Begleiter für Wohnung und Leben. Übersetzt von Cordelia Suzuki. Rowohlt bei Hamburg 2021.

Marie Kondo: Die KonMari-Methode. Wie du Liebe, Job und Alltag in Ordnung bringst. Ein Manga. Aus dem Englischen von Viola Krauß. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2019.

Ina Schmidt: Alles in bester Ordnung. Oder wie man lernt, das Chaos zu lieben. Ein philosophischer Wegweiser vom Suchen und Finden. Ludwig Verlag, München 2011.

Anne Weiss: Mein Leben in drei Kisten. Wie ich den Krempel rauswarf und das Glück reinließ. Droemer Knaur, München 2019.

Anne Weiss und Stefan Bonner: Nachhaltigkeit ist die Jutetasche des 21. Jahrhunderts. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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