Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Bau- und Immobilienbranche?
Interview mit dem Unternehmer und Immobilienexperten Matthias Krieger
Herr Krieger, viele Menschen sind während der Pandemie in Kurzarbeit oder arbeitslos geworden, auch Unternehmen verzeichnete massive Umsatzeinbußen. Kann die Baubranche ihre Produktionsleistung vor diesem Hintergrund aufrechterhalten?
Derzeit hat die Baubranche insgesamt nur geringe Störungen – auch unser Unternehmen ist bis dato mit einem blauen Auge weggekommen. In der Branche gibt es allerdings große Unterschiede zu beobachten: während bei Gewerbe-, Büro- und Hotelimmobilien sinkende Nachfrage zu verzeichnen ist, gibt im Bereich Wohn- und Logistikimmobilien eine unveränderte Nachfrage. Einbrüche bei der Nachfrage im April und Mai können bis zum Jahresende ausgeglichen werden. Jedoch erwarten wir in ein bis zwei Jahren einen leichten Rückgang. Die Branche wird sich ein Stück weit reinigen, nur Anbieter mit einem klaren Profil und einer starken Positionierung werden am Markt bestehen können.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Krieger + Schramm, und wie viele sind in Kurzarbeit?
Wir beschäftigen derzeit 140 Mitunternehmer, keiner davon musste oder ist in Kurzarbeit. Durch unsere Anstrengungen der vergangenen Jahre in der Digitalisierung waren bzw. sind wir gut aufgestellt. Angestellte konnten problemlos aus dem Home-Office arbeiten. Die Arbeiten auf der Baustelle waren kaum betroffen, Hygiene-Regelungen konnten umgesetzt werden – Vorsicht stand an erster Stelle – so konnten wir auch eine Infizierung und damit Quarantäne vermeiden. Auch unsere Baupartner und Lieferanten hatten zum Glück keine Ausfälle zu verzeichnen, so dass der Bauprozess relativ reibungslos weitergehen konnte.
Ist die Krise ein Katalysator für Automatisierung und Digitalisierung am Bau?
Immer, wenn eine Tür zugeht, geht mindestens eine auf. Corona hilft z.B. bei der Digitalisierung – nicht unbedingt im technischen Fortschritt, aber in jedem Fall bei der Durchdringung und Akzeptanz. Viele Mitarbeiter und Unternehmen hatten eine gewisse Scheu vor neuen Systemen, Technologien oder Prozessen. Corona hat uns alle gewissermaßen gezwungen, die relativ neuen Möglichkeiten zu nutzen.
Aber nicht nur wir als Unternehmen erreichen dadurch Effizienzvorteile. Auch unsere Kunden erhalten mit dem breiten Einsatz der BIM-Technologie oder digitaler (Einkaufs-)Beratungen einen hohen Nutzen. Sie profitieren durch bessere Darstellungsmöglichkeiten und geringerem Aufwand in der Informationsbeschaffung.
Sie vertrauen auf Ihr Geschäftsmodell und blicken optimistisch in die Zukunft. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass sich alles weiter zum Guten entwickelt?
Die Menschheit hat weitaus größere Schwierigkeiten gemeistert (z.B. Kriege und Seuchen). Ich vertraue der Anpassungsfähigkeit und dem genetischen Überlebensdrang von uns Menschen. Ich bin davon überzeugt, dass nach Corona, die Welt eine Bessere ist.
Wie sieht Ihre Langfriststrategie aus?
Wir werden weiter die digitalen Themen nach vorn treiben, wollen Vorreiter sein. Aber auch das Thema Nachhaltigkeit wird an Bedeutung zunehmen. Die Menschheit ist durch die Corona-Pandemie reifer geworden – das Bewusstsein, wie endlich alles sein kann, wird wachsen. Dadurch wird auch das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit insgesamt einen höheren Stellenwert haben als vor der Krise (als die Friday-for-Future-Anhänger eher als Schulschwänzer belächelt wurden). Wir werden uns verstärkt dieser Thematik annehmen und das Bauen an sich betrachten, aber auch den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden: Wo sind die größten Hebel? Wo können alternative Technologien oder Baustoffe eingesetzt werden? Wie kann man insgesamt den ökologischen Fußabdruck verkleinern, ohne Qualitätseinbußen zu haben? All das werden Fragestellungen sein, auf die wir eine Antwort finden müssen und finden werden – da bin ich mir sicher.
Wie wird sich die Baubranche Ihrer Meinung nach weiter entwickeln?
Homeoffice wird zum Beispiel einen langfristigen Einfluss haben - auf die Urbanisierung insgesamt, aber auch auf Immobilien im speziellen. Große Bürogebäude werden langfristig nicht mehr gebraucht werden – jedenfalls nicht in der Menge und Ausgestaltung wie in der Vergangenheit. Das Bewusstsein und die Gewissheit, dass Homeoffice eine funktionierende Alternative bzw. Ergänzung ist, wird die Anforderungen an Büros verändern. Aber auch die Anforderungen und Bedürfnisse von Eigenheimen und Wohnungen – in Zukunft werden wir mehr und mehr auf die veränderten Bedürfnisse und Nutzungsoptionen eingehen, um den größtmöglichen Nutzen für unsere Kunden zu bieten.
Zudem wird die Digitalisierung den Planungs- und auch den Bauprozess enorm verändern. In der Planung ist die Veränderung mit der BIM-Technologie schon längst angekommen. Der digitale Zwilling eines Gebäudes vor dem Bau ist bereits Realität und wird sich weiterentwickeln – der Prozess mit allen Beteiligten wird verändern. Ein enorm spannendes Feld.
Welche großen Projekte und Investitionen stehen demnächst auf dem Programm?
Langfristig gesehen werden in einen sechsten Standort in Deutschland investieren und unsere Wachstumsstrategie weiterverfolgen. Das Potential und die Leistungsfähigkeit dafür haben wir in jedem Fall. Zudem werden wir weiter die digitalen Möglichkeiten und Technologien, u.a. der digitale Zwilling, verfolgen und umsetzen. Hier schlummert noch viel Potential, was gehoben werden muss. Und dies vor allem in Verbindung zum Thema Nachhaltigkeit.
Ich persönlich arbeite derzeit auch an einem weiteren Buchprojekt mit dem Arbeitstitel „Die sich selbständig weiterentwickelnde kybernetische Organisation“ mit über 54 sich gegenseitig beeinflussenden Einflussfaktoren.
Die Baubranche kämpft seit Jahren mit dem Fachkräftemangel. Es ist Ihre Herausforderung, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, um viele gut ausgebildete Menschen für die Baubranche zu begeistern. Wie machen Sie das?
Wir beschäftigen uns schon seit über zehn Jahren sehr intensiv mit dem Thema Fachkräftemangel und haben dabei für uns Lösungen und Maßnahmen geschaffen – das Ergebnis zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. In den letzten sieben Jahren konnten wir unsere Mitarbeiterzahl insgesamt mehr als verdoppeln – dies war u.a. durch unsere stetige Ausbildung möglich. Das Heranziehen und entwickeln von Talenten ist ein wichtiger und wirkungsvoller Baustein unserer Arbeitgeber-Strategie. Um diese Talente zu finden, gehen wir schon sehr früh den Prozess an, ob mit Malwettbewerben an Grundschulen, intensiver Begleitung der Berufsorientierung durch z.B. Talent Companys oder Kooperationen mit Hochschulen versuchen wir Talente zu identifizieren und für die vielfältigen Aufgaben zu begeistern. Und die Herausforderungen in diesem Bereich werden in der Zukunft nicht weniger. Deshalb ist es wichtig, ähnlich wie im Kundengeschäft, eine Positionierung als Arbeitgeber zu entwickeln und zu kommunizieren. Mit unserer Mitunternehmer-Kultur möchten wir Eigenverantwortung fördern und möglichst jedem, stärkenorientiert, seinen Abenteuerspielplatz schaffen – auf dem er sich wohlfühlt und sich entfalten kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person:
Matthias Krieger, Jahrgang 1962, hat 1992 die Unternehmensgruppe Krieger + Schramm (K+S) gegründet. Er ist Unternehmer, Stifter, Autor und ehemaliger Leistungssportler. Für das Hochbauunternehmen mit Hauptsitz in Dingelstädt und Niederlassungen in Kassel, Frankfurt/Main, München und Berlin ist unternehmerischer Erfolg eng mit einer wertebasierten Unternehmenskultur verbunden. Buchpublikationen: „Die Lösung bist Du! Was uns wirklich voranbringt“ (BusinessVillage Verlag 2011) und „Praxiswissen Eigentumswohnung: Was Sie vor dem Kauf einer Neubauwohnung wissen sollten“ (BusinessVillage Verlag 2020).