Welche Rolle spielt der Glaube im Kontext der Nachhaltigkeit?
Der Hebräerbrief definiert den Glauben als „Feststehen in dem, was man erhofft“ (Heb 11,1). Glauben heißt also: einen festen Stand haben, ohne sich täglich nach dem Wind zu drehen. Beim Propheten Jesaja wird Glaube und Stehen als Einheit betrachtet: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht, so habt ihr kein Stehvermögen.“ (Jes 7,9) Dass wir im Glauben feststehen sollen, sagt auch Paulus. Es geht um eine Wirklichkeit, die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
Nachhaltigkeit ist auch ein kirchliches Leitbild und christliche Schöpfungsverantwortung – leider wird dieser Aspekt in der öffentlichen Debatte häufig ausgeblendet. Dabei finden sich hier seine tiefsten Wurzeln: So werben bereits viele Texte in der Bibel für eine kluge Haushalterschaft: Das, was von Gott an materiellen Ressourcen den Menschen anvertraut ist, soll zur Sicherung und Pflege des eigenen Lebens und zum Nutzen aller in nachhaltiger Weise eingesetzt werden. Dem Theologen Johann Gottfried Herder war der biblische Begriff von „Haushalt“, nämlich „oikos“, Haus Gottes, bewusst.
Ausgangspunkt für weiterführende Diskussionen ist das Buch „Reformation – Transformation – Nachhaltigkeit“ der Umweltwissenschaftlerin und Theologin Almut Beringer, die an unseren Gestaltungsauftrag erinnert: „Wir sollen schaffen; wir sollen uns (ver-)ändern; wir sollen das tun, was in unseren Möglichkeiten für Heimat und Zukunft und Bewahrung der Schöpfung liegt.“ Beringer zeigt, dass wir Übersetzungshandwerker:innen brauchen, um Gott als einen tätigen Gott wahrzunehmen. Ihr Buch beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen, die bislang im Nachhaltigkeitskontext unbeachtet geblieben sind: Wie lässt sich Nachhaltigkeit glaubwürdig predigen? Wie stellt sich Nachhaltigkeit in evangelischer Auslegung dar – biblisch-theologisch, wissenschaftlich-theoretisch und existentiell-praktisch? Welchen Beitrag leisten Glaube und Religion zur großen Transformation? Warum ist Nachhaltigkeit christliche Schöpfungsverantwortung? Was hat Zukunftsangst mit Gelassenheit zu tun?
In seiner ersten Umwelt-Enzyklika „Laudato Si" („Über die Sorge für das gemeinsame Haus"), die Umweltaspekte, Ethik, Politik und Religion verbindet, charakterisierte Papst Franziskus 2015, wie es mit unserer Erde und uns „bestellt" ist. Die nachhaltige Kraft der Enzyklika liegt nach Ansicht von Almut Beringer u.a. darin, dass in der ganzheitlichen Ökologie, wie sie Franziskus hier darlegt, soziale und ökologische Gerechtigkeit zusammengedacht werden müssen. Charakterisiert werden die aktuellen Probleme als negative Folgen der heutigen „Wegwerfgesellschaft": Umweltverschmutzung, voranschreitender Klimawandel, Ressourcenknappheit, Rückgang der Biodiversität, sozialer Zerfall, zunehmende Gleichgültigkeit und Ohnmacht. Es geht darum, über das Weltgemeinwohl nachzudenken, zu dem vor allem Gerechtigkeit und eine Umkehr des Denkens gehören. Tun und Trost bilden als Glaubenspaar eine lebensnotwendige Verankerung in einer Welt, die immer mehr zu zerfallen droht und viele Menschen ratlos zurücklässt.
Almut Beringer: Reformation – Transformation – Nachhaltigkeit. Schöpfungsverantwortung als Christusnachfolge. Oekom Verlag, München 2017.
Alexandra Hildebrandt: Tiefe des Glaubens: Warum wir ganz unten nicht verloren sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.