Weltbienentag: Warum wir retten statt reden sollten
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat den 20. Mai als World Bee Day ausgerufen. Mit dem UN-Weltbienentag unterstreicht die Weltgemeinschaft den dringenden Schutz der Bienen. Er sollte deshalb zum Anlass genommen werden, auf das gravierende Ausmaß des Bienen- und Insektensterbens hinzuweisen.
Wissenschaftler alarmieren, dass die Zahl der Insekten in den vergangenen 30 Jahren dramatisch gesunken ist.
Das gefährdet die Bestäubung unserer Nutzpflanzen sowie das gesamte ökologische Gefüge. 75% unserer Nutzpflanzen sind von der Bestäubung durch Insekten abhängig, allerdings geraten aktuell Ernährungssicherheit und -souveränität sowie die biokulturelle Vielfalt zunehmend ins Schwanken durch den anhaltenden Verlust dieser bedeutenden Tiere. Laut Insektenatlas der Heinrich-Böll-Stiftung (2020) ist die Menge der eingesetzten Pestizide weltweit seit 1950 um das Fünfzigfache gestiegen. Während der ökologische Anbau weitestgehend ohne sie auskommt, werden in der konventionellen Landwirtschaft weltweit pro Jahr etwa vier Millionen Tonnen chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Die Zahlen belegen, dass der von der industriellen Landwirtschaft eingeschlagene Weg nicht im Sinne des Bienenschutzes ist, dass es jedoch eine zukunftsfähige Alternative gibt.
Ein politischer Richtungswechsel hin zu einem weitgreifenden Bienen- und Insektenschutz ist nach Ansicht von Slow Food Deutschland deshalb unabdingbar. „Statt viel heißer Luft ist auf politischer Ebene die Umsetzung wirksamer Maßnahmen und das Schließen von Schlupflöchern für bienenschädliche Insektizide gefragt, denn vom Bundeslandwirtschaftsministerium und der EU verkündete Handlungspunkte zum Bienenschutz stellen sich meist als unzureichend heraus. So hatte die EU zum Beispiel im Herbst 2019 entschlossen, das Neonikotinoid Thiacloprid zu verbieten. Die in Deutschland gebräuchlichen Mittel, Biscaya und Calypso, sind aber deshalb nicht sofort vom Markt verschwunden und es wurde geduldet, dass diese trotz ausgelaufener Genehmigung noch fast ein Jahr lang verwendet werden. So etwas darf es nicht geben! Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ließ 2019, entgegen ihrer Behauptung die Bienen schützen zu wollen, weitere bienenschädliche Ackergifte zu“, sagt die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, Ursula Hudson. Zum Erreichen einer bienenfreundlichen Landwirtschaft und zukunftsfähigen Lebensmittelpolitik ist die Reduktion und ein schrittweiser Ausstieg aus synthetischen Pestiziden und Maßnahmen zur Erholung der Biodiversität Voraussetzung.
Die EU-Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ wurde Ende 2019 ins Leben gerufen, um die EU-Kommission zum schrittweisen Ausstieg der EU-Länder aus synthetischen Pestiziden bis 2035, zur Erholung der Biodiversität und der Unterstützung von Bäuer*innen aufzufordern. Slow Food unterstützt diese aktiv und ruft Verbraucher*innen auf, die Petition zu unterschreiben. Neben dem politisch forcierten Bienenschutz sei es auch wichtig, dass Verbraucher*innen dem Lebensmittel Honig wieder mit mehr Wertschätzung und Wissen um dessen Qualitätsunterschiede begegnen. Genuss und Verantwortung müssen wieder zusammengebracht werden, denn eine saubere und faire Produktion wirkt sich nicht nur positiv auf die Umwelt, den Bestand der Bienenvölker und die faire Entlohnung von Imker*innen aus, sondern ebenso auf den Geschmack des Produkts, was das Genuss-Erlebnis beim Honig erhöht.
Wie sich Unternehmen engagieren
Nur durch sofortiges Handeln zum Schutz der Insekten wie Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt in der Kulturlandschaft kann der Artbestand gerettet werden. Das machte sich das Netzwerk Blühende Landschaft (NBL) schon seit fast zwanzig Jahren zur Aufgabe. Gemeinsam mit engagierten Partnern hat das NBL Handlungsempfehlungen zusammengestellt, um Insekten im Garten, in der Landwirtschaft, im öffentlichen Grün wieder Nahrung und Lebensräume zur Verfügung zu stellen. Da vieles berücksichtigt werden muss, um eine monotone Grünfläche in einen vielfältigen Lebensraum für Insekten umzuwandeln, wurde 2016 das Projekt „BienenBlütenReich“ gestartet. Projektpartner legten große Blühflächen in ganz Deutschland an. Durch begleitende Öffentlichkeitsarbeit konnten Tausende Interessierte erreicht werden, die nützliche Hinweise zur Anlage eigener Blühflächen erhielten.
Wer keine eigene Fläche zu Verfügung hat, kann mit einer Blühpatenschaft die Landschaft zum Blühen bringen. Dieses Projekt erhielt 2017 die Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt. Zudem kann der Topfgärtner Abhilfe schaffen, indem er bienenfreudige Blumen im Topf und im Beet setzt. Durch die Auswahl einfach blühender Sorten kommen vor allem Bienen viel leichter an den Nektar und die Pollen.
Wie sich Unternehmen engagieren können, zeigt das Beispiel Häcker Küchen in Rödinghausen. Es belegt zugleich, dass Firmen, die an dauerhaftem wirtschaftlichem Erfolg interessiert sind, auch an Arten- und Naturschutz Interesse haben sollten. Dabei geht es auch um die Förderung des Verständnisses für die Zusammenhänge in der Natur, die Belange der verschiedenen Ökosysteme und die Abhängigkeit des Menschen von diesen Lebensgrundlagen. Häcker unterstützt neben vielen anderen Projekten, die im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht zu finden sind, intensiv das Projekt „Blumiger Landkreis Osnabrück“ durch die umfangreiche Bereitstellung des hochwertigen Saatgutes und einzelner Maschinen. Auch wurde an der Hauptverwaltung in Rödinghausen eine Blühwiese auf gut 25.000 qm angelegt. Das Projekt „Blumiger Landkreis Osnabrück“ engagiert sich intensiv für die Bienen- und Insektenrettung im Osnabrücker Land. Um auch am neuen Produktionsstandort in Venne Blumenflächen anzulegen, gab es im Mai vergangenen Jahres einen großen Insektenschutztag, an dem mit Unterstützung des Unternehmens über 5.000 qm Blühwiesen erstellt wurden. „Blumiges Venne“ wurde beim bundesweiten Wettbewerb von „Deutschland summt“ übrigens mit dem 3. Platz im Bereich „Kommunale Flächen“ ausgezeichnet. Die Zusammenarbeit zur Bienen- und Insektenrettung wird in den kommenden Jahren weiter ausgebaut.
Der Firmenstandort selbst liegt ebenfalls im Grünen. Bei der Integration der gesamten Anlage spielte der Erhalt der biologischen Vielfalt von Beginn an eine wichtige Rolle. Die sogenannten „Dachterrassen“ zwischen den Panorama-Gebäuden sind begrünt. Das Unternehmen beschäftigt sogar drei qualifizierte Gärtner. Da sich der Standort mitten in der Natur befindet, kann man von etwa 70 unterschiedlichen Baum- und Pflanzenarten ausgehen, die hier zu finden und zu pflegen sind.
Im Frühjahr werden hier zudem Nistkästen aufgehängt, um den hier lebenden Vogelarten eine gute Grundlage für den Nachwuchs zu ermöglichen. Vielerorts fehlen natürliche Nistplätze, deshalb ist es wichtig, künstliche Nisthilfen aufzuhängen. Sie sind dort sinnvoll, wo Naturhöhlen fehlen, weil Bäume nicht mehr vorhanden sind oder an Gebäuden geeignete Brutnischen fehlen. Sie müssen allerdings passen, denn nicht jeder Nistkasten ist für jeden Vogel geeignet.
Die drei Buchstaben des nachhaltigen Erfolgs: TUN
Insektenhotels mit ihren künstlichen Nistgängen finden nicht nur in Gärten, sondern auch auf größeren Terrassen Platz. Hier ziehen neben vielen Nützlinge vorrangig Wildbienen ein. Nach dem Anlegen von bis zu 30 Brutkammern je Nistgang, in die jeweils ein Ei gelegt wird, verschließen die Bienen den Gang mit einem mörtelartigen Erde-Speichelgemisch. Je bekannter das Hotel in der Gegend ist, desto mehr Wildbienen-, Schmalbauch- und Schlupfwespenarten ziehen im Laufe des Frühjahrs und Sommers. Einmal aufgestellt, kann das Hotel völlig sich selbst überlassen bleiben.
Insektenhotels werden in verschiedensten Größen, Ausführungen und Preisklassen in Bau- und auf Bauernmärkten, in Gärtnereien und in Onlineshops. Dazu gehört beispielsweise auch ein aus hochwertigem heimischem Lärchenholz in Werkstätten für Menschen mit Behinderung handgefertigte Insektenhotel, das als großzügig gestaltete „Fünf-Sterne-Unterkunft für willkommene Gartengäste wie Schmetterlinge, Marienkäfer und Wildbienen" beschrieben wird: „Unter den vielfältigen, ausschließlich aus Naturmaterialien bestehenden ‚Zimmern' finden zahlreiche kleine Nützlinge ihr artgerechtes Quartier zum Nisten und Überwintern" (Quelle: memolife).
Insektenhotels bieten zwar nur einem kleinen Teil aller Arten Unterkunft und Nistgelegenheit, aber sie können uns wieder Zugang zu diesem interessanten Mikrokosmos verschaffen. Das Zitat von Goethe ist auch in diesem Kontext als Aufforderung zu verstehen: Alles Wissen ist wertlos, wenn wir nicht konkrete Handlungen folgen lassen:
"Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun."
Zeitlebens war der Weltbürger und Dichter von Bienen fasziniert. In seinem Garten in Weimar kümmerte er sich gemeinsam mit seiner Frau Christiane Vulpius um die Bienen, die sich auch zahlreich in seinen literarischen Werken finden. Sie wärmten ihm oft die Hand, doch hatte er später nicht mehr den Mut, in den Bienenkorb zu fassen. „…siehst Du, so verliert man seine Unschuld und die hohen Gaben die man durch sie hat“, schreibt er in seinem Brief an ein Kind.
Am Beispiel der Bienen zeigt sich auch, was Nachhaltigkeit im Kleinen bedeutet – und dass wir sie nur begreifen, wenn wir uns interdisziplinär damit beschäftigen. Lesenswert dazu ist neben dem Beitrag von Lars Breder („Retten statt reden. Was Unternehmen tun, die aus Tradition verantwortungsvoll sind“) auch die umfassende Analyse des Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität das Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg, über die Vernichtung der Arten.
Weiterführende Informationen:
Lars Breder: Retten statt reden. Was Unternehmen tun, die aus Tradition verantwortungsvoll sind. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Matthias Glaubrecht: Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten. C. Bertelsmann Verlag, München 2019.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Gartenzeit: Wie wir Natur und Kultur wieder in Gleichklang bringen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.