Wenn die KI die KI austrickst: Warum Robo-Recruiting ein Rattenrennen werden könnte …
Es wird ja immer sehr viel über die Verheißungen gesprochen, die der Einsatz künstlicher Intelligenz im Recruiting verspricht: Neben ökonomischen Argumenten (ermüdungsfrei, 24/7 verfügbar, billiger als Menschen usw.) wird hier immer wieder das Argument bemüht, dass sich durch den Einsatz von Algorithmen subjektive Beurteilungsfehler (Biases) reduzieren lassen.
Zuletzt ging gerade gestern wieder ein Artikel aus der FAZ rum, der insbesondere letztgenanntes Argument unterstrich.
Für meinen Geschmack ist dieser Beitrag etwas arg undifferenziert, denn wer sich auch nur ein bisschen mit KI auskennt, weiß dass Algorithmen nun wahrlich nicht dagegen immun sind, „biased“ zu sein. Ich habe hier im Blog etliche Beispiele beschrieben, die dies plakativ beschreiben. Man denke nur an das Beispiel der Video-Software, die je nachdem, ob eine Person eine Brille aufhatte oder nicht oder vor einem Bücherregal saß, zu vollkommen anderen Einschätzungen hinsichtlich der Persönlichkeit dieses Menschen kam.
Immerhin endet der Beitrag aber zumindest mit der Erkenntnis, dass es besser nicht auf ein „KI-only“-Szenario hinauslaufen sollte, sondern (zunächst) einmal auf eine Art „Assistenzsystem“, das die finale Entscheidung durch einen Menschen unterstützt.
Nun, ob und inwieweit sich KI als Element des Recruitingbaukastens der Unternehmen durchsetzen wird, wird zu beobachten sein. Die zweifelsohne spannenden technologischen Entwicklungen und der massive Vertriebsdruck der solche Systeme anbietenden HR-Tech-Anbieter wird hier aber sicher schon für eine gewisse Verbreitung sorgen.
Und was wird bei all der Euphorie mal wieder vergessen? Die Bewerber!
Nein, ich meine hier nicht die Bewerberakzeptanz gegenüber dem Einsatz von KI in der Auswahl. Das ist auch ein wichtiges Thema, aber ich will auf etwas anderes hinaus:
Es ist doch vollkommen abwegig, anzunehmen, dass nur die Unternehmensseite KI-basierte Instrumente zur Bewerberselektion einsetzen wird.
Wenn Unternehmen KI einsetzen, um Lebensläufe zu screenen oder (vermeintlich) Persönlichkeit aus Bewerbungsfotos, Sprachproben oder Videoinhalten herauszulesen oder Bots darauf ansetzen, Social-Media-Profile von Kandidaten zu analysieren, dann wird dies unweigerlich dazu führen, dass auch BewerberInnen KI einsetzen, um ihre Lebensläufe, Bewerbungsfotos und -videos sowie Social-Media-Profile so zu gestalten, dass sie der Recruiting-KI gefallen.
Ein Rattenrennen.
Dieser Gedanke ist nicht neu, ich habe ihn hier schon verschiedentlich formuliert – nebst Beispielen, wie man sich wohl vorzustellen hat. Aber so richtig angekommen zu sein scheint mir diese Erkenntnis noch nicht.
Nun flatterte mir ein neues Beispiel auf den virtuellen Schreibtisch (Dank an den Tippgeber Constantin Gillies!): die Plattform deepwork.
Eines gleich vorweg: Das Ganze ist bereits in der Überschrift als „a satire“ gekennzeichnet. Ich habe das Tool selber nicht im Realeinsatz ausprobiert und kann von daher auch nicht mit Gewissheit sagen, ob es ernst gemeint ist und wirklich funktioniert oder ob es sich tatsächlich (nur) um eine Satire handelt.
Aber:
Auch viele KI-Recruiting-Tools, die durch die Presse geistern, sind oft im Grunde nicht mehr als Satire, werden nur nicht als solche kenntlich gemacht (oder glaubt jemand ernsthaft, dass man – eine KI – Durchsetzungsfähigkeit an einem markanten Kinn erkennen kann…?).
Und:
Die Features, die deepwork anbietet, kann man zum Teil auf der Website ausprobieren und daran gut erkennen, wie diese arbeiten würden und wie es durchaus in der Lage sein könnten, eine Recruiting-KI zum Narren zu halten.
Was bietet deepwork?
Das Versprechen lautet (sinngemäß): Verwende KI, um deine Bewerbungsunterlagen so zu pimpen (manipulieren?), dass die Recruiting-KI der Unternehmen dich super findet.
Dafür gibt es verschiedene Tools.