Wenn morgen die Welt unterginge: Warum wir jetzt aufforsten sollten
Der Reformator Martin Luther erfreute sich besonders im Frühjahr an seinen Bäumen, wenn sie begannen, grün zu werden. Er sah in ihnen ein Sinnbild für die Auferstehung der Toten. Sein Satz ist legendär: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Auch wenn sich der Ausspruch nicht belegbar nachweisen lässt, weil der erste schriftliche Nachweis erst in einem Rundbrief der hessischen Kirche aus dem Jahre 1944 zu finden ist, wäre er sicher in seinem Sinn gewesen.
Das „Trotzdem“ verbindet alle, die sich der Nachhaltigkeit ihres Denkens und ihrer Handlungen bewusst sind. Bäume sind ein starkes Symbol dafür – auch wenn sie seit Jahrzehnten immer mehr schwinden. Für den Schriftsteller und Insektenkundler Ernst Jünger (1895-1998) lag dies nicht allein an der Ökonomie - sie ist nur mitwirkend, „denn zugleich leben wir in einer Zeit, in der auf unerhörte Weise verschwendet wird.“ Gewinnsucht führte zur schrittweisen Vernichtung ganzer Wälder. Vor diesem Hintergrund muss Nachhaltigkeit auch als eine Strategie der Reduktion verstanden werden, denn der gesellschaftliche Kollaps ist auch eine Folge der Übernutzung verfügbarer Ressourcen. Umso wichtiger ist es, den Raubbau zu stoppen und unsere Ökonomie wieder in die Haushaltung der Natur einzubetten – lokal und global.
In unterschiedlicher Weise haben sich zu allen Zeiten Menschen für Bäume engagiert: Der US-amerikanischer Country-, Folk-Sänger und –Songwriter John Denver war zu Lebzeiten eine starke Stimme für den Naturschutz: Er nutzte seine musikalischen Möglichkeiten, um seiner Vision von einer besseren Welt eine große Reichweite zu verschaffen. Er gründete die Organisation Plant It 2000 zur Wiederaufforstung hunderttausender Bäume. Auch der Unternehmer und Umweltaktivist Douglas Tompkins kaufte großflächige Gebiete in Argentinien und Chile auf, um Nationalparks zu schaffen. Und der ehemalige Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado, ermöglichte mit seinem Honorar für zwei Konzerte die Anpflanzung von 90.000 Bäumen in seiner Heimatstadt Mailand.
Nachhalten über Generationen: Zur Bedeutung von Familienunternehmen
Der Begriff Nachhaltigkeit ist ein kulturelles Erbe der Deutschen. Er stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und wurde 1713 von Oberberghauptmann Hannß Carl von Carlowitz im sächsischen Freiberg erstmals in seinem Buch „Sylvicultura Oeconomica“ verwendet. Hier zitiert er die Prophezeiungen Luthers und Melanchtons: „Als es in Deutschland noch genügend Holz gab, haben Luther und Melanchton bereits prophezeit, dass vor dem jüngsten Tag, besonders in Deutschland, 3 Mängel auftreten werden: gute und aufrichtige Freunde, tüchtige und wichtige Münze und wildes Holz.“
Das Buch beinhaltet die Maxime, dass nur so viel Holz pro Periode geschlagen werden darf, wie auch nachwachsen wird. Von Carlowitz forderte „eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung“ der Wälder und auch der Flächen, die einst Wälder waren und wieder welche werden sollten. Und er sah auch über den rein ökonomischen Nutzen hinaus den gesellschaftlichen Ertrag, denn es geht ihm auch darum, „eine immerwährende Holtz-Nutzung, Land und Leuten, auch jedem Hauß-Wirthe (...) pfleglich und füglich zu erziehlen und einzuführen“.
Wer einen Wald bewirtschaftet, darf zwar Bäume fällen und verkaufen, muss aber auch wieder neue anpflanzen für die nächsten Generationen. Das ist im Unternehmenskontext auch symbolisch zu sehen. So gründete beispielsweise Herman Häcker im Jahre 1898 ein Traditionsunternehmen, das Friedrich Häcker in der nächsten Generation weiterführte. Der Grundstein für die Serienfertigung von Küchen wurde von Horst Finkemeier im Jahre 1965 gelegt. Seit Bestehen des Unternehmens gab es bisher in keinem Geschäftsjahr von Häcker Küchen einen Umsatzrückgang. Nach wie vor ist es ein Familienunternehmen, das heute sehr erfolgreich von Jochen Finkemeier geführt wird.
Nachhaltige Unternehmen haben mit Bäumen viele Gemeinsamkeiten, die jedoch auf „Anhieb" nicht gleich zu erkennen sind. Dazu muss man sich nicht nur mit ihren Produkten, sondern auch mit ihrer Historie und Unternehmenskultur und -philosophie beschäftigen. Nachhaltigkeit, Verträglichkeit für den Menschen, Umweltverträglichkeit und Abbaubarkeit sind in diesem Unternehmen Faktoren, die bei der Auswahl der verwendeten Materialien ein wesentliches Entscheidungskriterium. Alle Holzwerkstoffe von Häcker werden bei großen europäischen Anbietern bezogen. Diese sind u.a. PEFC-zertifiziert. Branchentypisch wird außerdem ein Anteil von bis zu 30% Recyclingholz bei der Produktion von Spanplatten beigemischt. Alle Holzprodukte wurden formaldehydreduzierend umgestellt, und es wurde ein neuer Standard gesetzt, der in der Küchenmöbelindustrie außergewöhnlich ist. Die Höchstwerte der europäischen Richtlinien Emissionsklasse E1 werden eingehalten bzw. weit unterschritten.
Jedem jungen Menschen, der hier einen soliden Abschluss macht, steht die Möglichkeit offen, in der hochtechnisierten Produktion in einem festen Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Hier geht es um das Bedienen der Maschinen – dennoch soll den Auszubildenden eine möglichst breite Basis mitgegeben und der Werkstoff Holz nahegebracht werden. 1992 starteten die ersten Holzmechaniker ihre Ausbildung. Inzwischen bildet das Unternehmen, das mehrfach mit dem Gütesiegel „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“ prämiert wurde, in sechs Berufen aus. Im gewerblichen Bereich beginnen zehn Holzmechaniker ihre Ausbildung. Das erste Lehrjahr absolvieren sie traditionell in der Lehrwerkstatt. Hierbei werden unter anderem Kenntnisse in der Verarbeitung von Holz und Holzwerkstoffen vermittelt. Im zweiten Jahr lernen sie alle drei Wochen eine andere Fertigungslinie kennen, im dritten Jahr kehren sie noch einmal in die Lehrwerkstatt zurück. Die Abschlussarbeit ist ein Möbelstück oder eine Küche, die im eigenen Betrieb gefertigt wird.
Das Erbe der Natur bewahren und gemeinsam Zukunft setzen
In Absprache mit der Gemeinde suchte der Küchenhersteller einen geeigneten Platz für die Bepflanzung heimischer Sträucher und Gehölze wie Säuleneichen, Weiß- und Schwarzdorn sowie Hasel, Eberesche, Wildkirsche, Schneeball und Hartriegel. Westlich des Wiehenstadions in Rödinghausen befindet sich ein eingezäuntes Grundstück, das die Bäume vor Wild schützt. Hier pflanzte Forstwirt Paul Fubel, Forstbezirksleiterin Anna Rosenland, Häcker-Seniorchef Horst Finkemeier und Marketingleiterin Gisela Rehm im Frühjahr 2018 die erste Säuleneiche in den Boden der Grünfläche.
Die Forstbetriebsbezirksleiterin koordiniert die weiteren Pflanzungen in Absprache mit dem Unternehmen und dem Forstwirt. Es wird ein großes Schild mit den Namen der Paten geben. Auf der Hausmesse im September 2018 wurde erstmalig für die Aktion geworben. Hunderte Besucher haben den Vordruck ausgefüllt und unterstützen „moralisch“ die Aktion des Unternehmens, das die Kosten für die Bäume und Sträucher trägt und auch von allen Mitarbeitern unterstützt wird. Das, was der Natur entnommen wird, soll ihr auch wieder „zurückgeben werden“, sagt Gisela Rehm. „Denn wir nutzen bei der Herstellung unserer Küchen ja natürliche Rohstoffe.“ Für sie besitzt das Projekt „Wir pflanzen Bäume“ kein Ablaufdatum und ist Teil der umweltbewussten Ausrichtung des Unternehmens. 2018 wurden bereits 450 Bäume gepflanzt. Doch es sollen mit Unterstützung der Follower mindestens eintausend Bäume werden.
Die Haushaltung der Natur ist die Basis für Ökonomie. In diesem Begriff schwingt auch das Erbe der Natur mit: So steckt im lateinischen „oeconomia“ das griechische „oikos“ (Haus, Haushalt). Ökonomie, Ökologie und Soziales sind zu allen Zeiten das tragende Fundament einer nachhaltigen Gesellschaft, die sich ständig im Erhalten und im Haushalten üben muss, um Ressourcen und Werte auch für künftige Generationen zu bewahren.
Weiterführende Literatur:
Menschen über Bäume. Gedanken, Begebenheiten und Anekdoten aus vier Jahrtausenden. Zusammengestellt und herausgegeben von Dietmar Olonscheck. Oekom Verlag, München 2017.
Sächsische Hans-Carl-von-Carlowitz-Gesellschaft (Hg.): Bausteine der Nachhaltigkeit. Carlowitz weiterdenken. Oekom Verlag, München 2016.
Alexandra Hildebrandt: Mit kleinen Schritten die Welt verbessern: Nachhaltig denken und handeln von A bis Z. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Nachhaltigkeit kennt kein Ablaufdatum. In: WORK. kitchen. stories. Nr. 13 (2018), S. 34-37.