Wie deutsche Unternehmen zur Umsetzung der UN Nachhaltigkeitsziele beitragen
Die globalen Herausforderungen lassen sich nur gemeinschaftlich lösen. Grundlage dafür ist die für alle Staaten gültige Agenda 2030, die im September 2015 auf einem Gipfel der Vereinten Nationen von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde. Das Kernstück bildet ein Katalog mit 17 klaren Zielen für alle 193 ratifizierenden Nationen. Die Sustainable Development Goals (SDG) umfassen das umfangreiche Spektrum der Bedürfnisse von Mensch, Umwelt und Wirtschaft. Mit der Verabschiedung der SDGs erklärten die Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, ihre Absicht, die Transformation im Hinblick auf eine ökologisch, ökonomisch und sozial tragfähige Zukunft voranzubringen.
Die SDGs sollen dazu beitragen, die Regionen nachhaltig zu stärken, Bildung und Ausbildung zu fördern, Ungleichheit abzubauen und soziale Arbeit zu gestalten sowie Innovation zu ermöglichen und eine zukunftsfähige Infrastruktur für alle am Wertschöpfungsprozess Beteiligten unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ressourcenschonung zu schaffen. Ihnen vorangestellt sind fünf Kernbotschaften als handlungsleitende Prinzipien:
Mensch (People)
Planet (Planet)
Wohlstand (Prosperity)
Frieden (Peace)
Partnerschaft (Partnership)
Die Vereinten Nationen haben alle Länder dazu aufgerufen, mit Nachdruck an dieser Entwicklung auf der Basis der Eigeninitiative und der Selbstverantwortung mitzuwirken. Deutschland erklärte seine Absicht, die Transformation im Hinblick auf eine ökologisch, ökonomisch und sozial tragfähige Zukunft voranzubringen.
Ziel 4 der SDGs beinhaltet, dass für alle Menschen eine chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sichergestellt wird: „Investitionen in Bildung und die Stärkung des Bildungssektors sind der Schlüssel zur Entwicklung eines Landes und seiner Menschen.“ Dabei sind auch deutsche Unternehmen gefordert, die zwar regional und lokal verwurzelt sind, aber auch global agieren. Zu ihnen gehört auch das inhabergeführte Familienunternehmen Häcker Küchen, das seit 1898 besteht und seit 1965 moderne Einbauküchen am Standort Rödinghausen (Ostwestfalen) produziert. Im Jahr 2018 erwirtschafteten über 1.738 Mitarbeiter einen Umsatz von 602 Millionen Euro, der Exportanteil liegt aktuell bei rund 39 Prozent. Derzeit werden über 60 Länder auf allen Kontinenten mit Küchen „Made in Germany“ beliefert. Nachhaltiges Wirtschaften ist für das Traditionsunternehmen eine Selbstverständlichkeit – ebenso das gesellschaftliche Engagement. In der Regel agieren Familienunternehmen bescheiden und sprechen nicht laut darüber, weil Verantwortung keine Worte braucht - nur das Tun.
Es braucht heute jedoch gute Beispiele, an denen sich Menschen orientieren können und die sie dazu einladen, sich ebenfalls zu engagieren für eine bessere Welt. Das Beispiel Sierra Leone sei hier ausgewählt, weil es besonders deutlich zeigt, was Corporate Social Responsibility konkret bedeutet und wie verschiedene Unternehmensaspekte nachhaltig ineinandergreifen:
Die Non-Profit-Organisation Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM) in Rödinghausen unterstützt die Arbeit in Sierra Leone mit Spenden, aber auch mit tatkräftiger Hilfe. Andreas Koch, der sich hier engagiert, hatte 1984 das westafrikanische Land auf einer Partnerschaftsreise des CVJM kennengelernt und entschieden, dort zu helfen. Zunächst bot das von ihm initiierte „Youth DevelopmentProject“ (YDP) sierra leonischen Jugendlichen in Lumley eine dreijährige Berufsausbildung an. Die Jugendlichen konnten zwischen vier Ausbildungsgängen wählen (Tischlerei, Bauwesen, Häuserbau oder einer traditionellen Art, Kleidung zu färben). Mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges 1991 lag das Projekt brach. Auch die Schulen blieben geschlossen.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges 2002 kaufte das YDP Grundstücke am Rande des Dorfes Kissi Town an der Ostküste Sierra Leones, 35 Kilometer von Freetown entfernt. 2007 bauten sie das erste Gebäude. Zunächst wurden die Ausbildungen an zwei Orten angeboten, dann wurde das Projekt in Lumley allerdings aufgegeben. Auch in Kissi Town wurde das Projekt bald eingestellt. Dafür kamen jüngere Kinder, die beschäftigt und betreut werden wollten. Eine Schule gab es für sie nicht in dem armen Fischerdorf. Nach ein paar Monaten kamen 130 Kinder. Seit 2008 werden in dem Gebäude die ersten Vorschul-Klassen unterrichtet. Sie lernen hier lesen, schreiben und rechnen.
Das Unternehmen stieg 2010 als Groß-Spender in das Projekt ein. 2012 konnte mit Jochen Finkemeiers finanzieller Hilfe ein Schulgebäude mit drei Klassenräumen gebaut werden. Durch die Ebola-Epidemie (2014 bis 2016) wurde das Projekt erneut geschwächt, dennoch unterrichteten die einheimischen Lehrer 2015 sechs Klassen in den drei Räumen und die Vorschulkinder. 2018 wurde die Schule um drei weitere Klassenräume erweitert. 185 Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren gehen hier zur Schule bzw. zur Vorschule. Ihre Eltern können weder lesen noch schreiben - das bringen ihnen die Kinder bei.
Um das Projekt zu fördern, stellte es Marketingleiterin Gisela Rehm, die im März 2019 das Projekt vor Ort besuchte, in der Hausmesse von Häcker im September 2018 im Gebäude am Firmenstammsitz vor. Hierher kommen Küchenstudiobesitzer und Küchenverkäufer, die Schulungen beim Küchenhersteller absolvieren und dabei durch die Küchenausstellung gehen. Auch einige End-Konsumenten sehen sich die Ausstellung mit Häcker-Küchen an. Sie ließ die hölzernen Bänke eines Klassenzimmers nachbauen, ebenso ein Fenster. Auf dem Flachbildschirm an der Wand stellt ein kurzer Film das YDP-Projekt vor, Flyer werben dafür, das Projekt zu unterstützen, beispielsweise mit einer Lehrer-Patenschaft von 60 Euro im Monat, die Teil der Qualitätsoffensive der „YDP Kissi Town School“ ist. Auch halbe Patenschaften oder Einzelbeträge sind möglich. Neun Lehrer unterrichten die 185 Kinder, vier weitere fehlen noch. Sie verdienen nur 60 bis 70 Euro im Monat und müssen deshalb Zweitjobs annehmen, zum Beispiel abends Motorrad-Taxi fahren. Eine Patenschaft verdoppelt ihr Einkommen und macht den Zweitjob überflüssig, so dass sie sich voll auf ihren Beruf konzentrieren können
Aktuell soll mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die Kissi Town School gegen Diebstähle und andere unautorisierte Personen, die sich ihren Weg über das Gelände bahnen, abgesichert werden. Darüber hinaus sollen den Kindern regelmäßige Mahlzeiten ermöglicht werden. Hier beginnt die Unterstützung bereits bei den Eltern. Denn „A hungry man is an angry man“, sagt Francis Palmer, der das Projekt leitet und selbst Zuflucht und Unterstützung bei den damaligen Betreuern des Youth Development Projects fand.
Häcker hat das Thema YDP auch in seine Hausausstellung 2018 integriert. Es wurde ein Klassenzimmer der Kissi Town School nachgebildet und damit das Projekt greifbarer gemacht. Die Besucher konnten sich per Film über das Projekt und per Flyer auch über die Lehrerpatenschaft informieren. Denn nur eine adäquate Ausbildung in Schule und Beruf eröffnet den Menschen in Sierra Leone die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Ressourcen ihres Landes zu erschließen und Jobs zu generieren. Deshalb ist es ein großer Anspruch des Projekts, die Jugendlichen gut auszubilden. „Wir möchten die Kinder und ihre Generation zum Nachdenken anregen und letztlich zu verantwortungsvollen Erwachsenen heranwachsen lassen. Immerhin sind es die zukünftigen Entscheider in Sierra Leone“, sagt Francis Palmer.
Weiterführende Quelle:
Verena Eisermann: Hoffnung schenken – Zukunft sichern. In: INTERN. Das Magazin für Häcker-Mitarbeiterinnen. Ausgabe 33 (November 2018), S. 30 f.