Wie kann der Strukturwandel zur Klimaneutralität 2045 gelingen?
Um das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, legt das Klimaschutzgesetz für 2030 das konkrete Zwischenziel einer Treibhausgas-Emissionsminderung um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 fest.
Doch ein Scheitern am Meilenstein dieses Zwischenschritts würde das große Ziel unerreichbar machen. Bis 2045 müssen Treibhausgas-Emissionen unterschiedlicher Sektoren (Stromerzeugung, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft) enorm reduziert werden, während nicht vermeidbare Emissionen durch Treibhausgas-Senken ausgeglichen werden. Wie der Strukturwandel zur Klimaneutralität 2045 gelingen kann, zeigt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kopernikus-Projekt Ariadne. 50 Forschende aus zehn Institutionen legen einen Modellvergleich vor, der Erkenntnisse zu Transformationspfaden, Handlungsräumen und Engpässen aufzeigt. Für die Studie wurden zehn verschiedene Modelle integriert und sechs verschiedene Szenarien durchgerechnet.
Deutschland braucht als Industriestandort klare und verlässliche Rahmenbedingungen für einen effektiven und wettbewerbsfähigen Klimaschutz. Die neue Bundesregierung muss vom Beginn der neuen Legislaturperiode an die Weichen stellen.
Den Berechnungen zufolge müsste die Stromerzeugung aus Wind und Sonne bis 2030 etwa 50 Prozent mehr Energie beitragen als bislang angepeilt. Der Kohleausstieg sollte bereits um 2030 erfolgen.
Die Sektorziele für Industrie, Gebäude und Verkehr könnten schwieriger zu erreichen sein, weil sie von alten Infrastrukturen, Gebäude- oder Fahrzeugbeständen und Industrieanlagen geprägt sind.
Um den Gebäudesektor auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen, zeigt der Modellvergleich die Notwendigkeit eines konsequenten Energieträgerwechsels und einer Steigerung von Sanierungsrate und Sanierungstiefe auf: Bis 2030 müsste die jährliche Sanierungsrate auf 1,5 bis zwei Prozent steigen. Fünf Millionen Wärmepumpen müssten installiert sein. Etwa 1,6 Millionen Gebäude müssten neu an das Fernwärmenetz angeschlossen sein.
Die größte Diskrepanz zwischen Transformationspfaden und Sektor-Zielen zeigt der Verkehrsbereich: Um die Klimaneutralität zu erreichen, müsste die Elektrifizierung im Personenverkehr rund 40 Prozent höher liegen als bisher anvisiert. Bis 2030 müssten mindestens 14 Millionen elektrisch betriebene Pkw auf unseren Straßen fahren (was aber nicht ausreicht) – es braucht allerdings zusätzliche Maßnahmen (z. B. Änderungen des Mobilitätsverhaltens).
Im Strombereich muss schnell und konkret gehandelt werden: Sicherstellung, dass genügend Strom für Elektromobilität, die Produktion von Wasserstoff und die Erfordernisse der Industrieproduktion bereitstehen. Andererseits könnte eine Übererfüllung des Sektorziels der Energiewirtschaft das Risiko einer Zielverfehlung in anderen Sektoren abfedern (Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung).
Auch für Unternehmen gehört Klimaschutz zu den zentralen Nachhaltigkeitsaufgaben.
Deshalb ist es wichtig, dass sie Klimaschutzstrategien erarbeiten und konsequent weiterentwickeln.
Energieeffiziente Produkte
Energieeffiziente Produktion
Nachhaltige Materialien
Eigenerzeugung regenerativer Energien
Bezug von Grünstrom
Kompensation unvermeidbarer Emissionen
Geeignete Steuerungsmechanismen (interner CO2-Preis).
Kern einer Klimastrategie sollte es sein, CO2-Emissionen zu vermeiden und zu reduzieren. Erst danach sollten Ersatzmaßnahmen oder Kompensationen erfolgen. Nicht vermeidbare Emissionen werden von vielen Unternehmen durch die Investition in weltweite Klimaschutzprojekte und den Kauf von hochwertigen CO2-Zertifikaten kompensiert. Das Thema CO2-Kompensation wird derzeit von vielen Unternehmen als einziges Mittel verwendet, um damit einen klimaneutralen Zustand zu erreichen. Dies ist allerdings zuletzt öffentlich gerügt worden, weil dies ohne interne Reduktionsmaßnahmen irreführend sei: Im Frühsommer 2021 mahnte die Wettbewerbszentrale der deutschen Wirtschaft den laxen Umgang mit dem Versprechen der Klimaneutralität ab.
Die britische Regierung hat im September 2021 entsprechende Handlungsempfehlungen für Unternehmen veröffentlicht: einen Leitfaden für grünes Marketing und eine Checkliste für „grüne Claims“. Unternehmen sollen damit unterstützt werden, auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kund:innen zu reagieren und Greenwashing zu vermeiden. Nach der Verabschiedung einer Klimastrategie, die in die Weiterentwicklung der ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen integriert sein muss, sollten zahlreiche Maßnahmen beschlossen, zentrale Fokusfeldern nachgeschärft und mit der Umsetzung begonnen werden. Bei der Umsetzung können zahlreiche Initiativen behilflich sein. Nachfolgend wird eine Auswahl vorgestellt.
Helmholtz-Klima-Initiative Die Initiative konzentriert sich auf die beiden Schwerpunkte „Netto-Null-2050“ (Mitigation) und „Anpassung an Extrem-Ereignisse“ (Adaptation). In insgesamt 13 Forschungsprojekten treiben Helmholtz-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler ihre Klimaforschung voran. Um die Auswirkungen des klimatischen Wandels zu erforschen und Lösungsmodelle zu entwickeln, arbeiten die Helmholtz-Expertinnen und -Experten an den Schnittstellen vieler Forschungsfelder zusammen.
IN4climate.NRW Bundesweite Plattform, auf der Industrie, Wissenschaft und Politik zusammenarbeiten. Schwerpunkt ist die gemeinsame Erarbeitung innovativer Strategien für eine klimaneutrale Industrie.
Initiative engagierter Unternehmen für Klimaschutz und Klimaneutralität Die Initiative unterstützt die teilnehmenden Unternehmen aktiv auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, ihre Strategien und Maßnahmen in ihrem Unternehmensprofil sichtbar zu machen und Nachahmer:innen aufzuzeigen, wie verantwortungsvolles Handeln gelingen kann.
Race to Zero Globale Kampagne, die von der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) ins Leben gerufen wurde, um global führende Unternehmen im Hinblick auf eine gesunde, resiliente und CO2-freie Zukunft zusammenzubringen.
Science Based Targets-Initiative (SBTi) Ziel ist es, unternehmerische Klimaziele in Einklang mit den Erkenntnissen der Klimawissenschaft zu bringen. Es geht um die Festlegung wissenschaftlich fundierter Ziele zur Einsparung von Emissionen, die mit den Szenarien, Kriterien und Empfehlungen zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 ° C vereinbar sind.
Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz Sie engagiert sich für eine ambitionierte sektorübergreifende Klimapolitik in Deutschland. Das wichtigste Ziel trägt sie im Namen: Die durchschnittliche globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu beschränken. Ausschließlicher und unmittelbarer Stiftungszweck ist die Förderung des Klimaschutzes und der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen sowie der natürlichen Umweltsysteme.
VEA-Initiative Klimafreundlicher Mittelstand Zusammenschluss von Unternehmen in einem kostenlosen Netzwerk. Mit der Unterzeichnung der Selbstverpflichtung bekennen sie sich zu den Zielen der Energiewende und arbeiten auf einen klimafreundlichen Mittelstand hin. Alle Mitglieder haben die Notwendigkeit erkannt, ihre CO2-Emissionen zu senken.
We Mean Business Eine 2014 gegründete, globale Koalition gemeinnütziger Organisationen, darunter die 2° Initiative, CDP Carbon Disclosure Project, WBCSD World Business Council for Sustainable Development oder der UN Global Compact. Gemeinsam mit mehr als 600 internationalen Unternehmen setzt sie sich für einen wirksamen Klimaschutz ein.
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Ariadne-Report 2021: Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045. Szenarien und Pfade im Modellvergleich.
Was braucht es zur Erreichung der Klimaneutralität in Unternehmen?
Luft nach oben: Klimaneutralität im Kerngeschäft von Unternehmen
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.