Wie sich Energieeffizienz, Digitalisierung und Prozesssicherheit vereinen lassen
Energieeffizienz von Pneumatik-Zylindern
Bis zu 60 Prozent Energie werden beim Einsatz von Pneumatic Cylinder Control („PCC Blue“) eingespart. Das „Add-on“ steuert dank Sensortechnik und selbstlernender Algorithmen die Druckluftzufuhr in den Zylinderkammern exakt dem tatsächlichen Bedarf entsprechend – unabhängig davon, ob statische oder dynamische Massen bewegt werden. PCC Blue besteht aus einer zentralen Steuereinheit für bis zu zehn Pneumatik-Zylinder und je Zylinder aus zwei Sensoreinheiten. Die Sensoreinheiten werden in Serienschaltung direkt am Zylinder angeschlossen - somit ist der Verkabelungsaufwand gering. Bereits nach wenigen Hüben kann PCC Blue den Druckluftverbrauch der angeschlossenen Zylinder optimieren. In Verbindung mit einem Monitoring-System wird zudem die Prozesssicherheit erhöht: Durch die permanente Überwachung des Druckluftverbrauchs im Zylinder werden Anomalien sofort erkannt. So kann die Ursache noch vor einem plötzlichen Ausfall des Zylinders behoben werden. PCC Blue ist für doppeltwirkende Zylinder DIN EN ISO 15552 konzipiert, kann aber auch für viele weitere Pneumatik-Zylinder eingesetzt werden.
Für Marco Jähnig, Geschäftsführer beim Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader, einem mittelständischen Unternehmen mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen, ist PCC Blue ein Meilenstein, denn „mit diesem unscheinbaren Modul kommen wir unserem Ziel der komplett digitalen Druckluftkette wieder ein Stück näher.“ Damit nimmt das süddeutsche Unternehmen erstmals die Energieeffizienz von Pneumatik-Zylindern in den Fokus. „Unsere Erfahrung ist, dass bereits in der Konstruktion von Maschinen sehr viele ‚Sicherheiten‘ eingebaut werden, so dass beispielsweise Pneumatik-Zylinder oftmals größer dimensioniert sind, als es für die Anwendung tatsächlich notwendig wäre. Das Vorgehen ist nachvollziehbar, da man damit unnötige Maschinenausfälle und im schlimmsten Fall Produktionsstillstände vorbeugen will. Viele ‚Sicherheiten‘ summieren sich jedoch am Ende zu einem höheren als tatsächlich notwendigen Druckluftverbrauch. Und das heißt immer auch mehr Energie und höhere Kosten als notwendig“, so Jähnig. Der PCC Blue will dazu beitragen, dass sich der Druckluft- und damit Energieverbrauch von Pneumatik-Zylindern auf ein notwendiges Minimum reduziert und gleichzeitig die Prozesssicherheit gewährleistet ist. Innerhalb weniger Hübe adaptiert sich das System vollautomatisch und definiert so eine Referenzzeit, die immer erreicht werden muss, um die Prozesssicherheit der Anwendung zu garantieren. Auf diese Weise ermittelt das System die tatsächlich benötigte Kraft zur Erreichung der Endlage. Der Druck in beiden Zylinderkammern wird unabhängig voneinander optimiert und bei jedem neuen Hub die tatsächliche Zeit mit der Referenzzeit verglichen.
Durch diesen Prozess spart der Zylinder Druckluft und Energiekosten bei voller Prozesssicherheit.
„Werden beispielsweise unterschiedlich schwere Werkstücke in einem Prozess bewegt, passt PCC Blue den Druck in den Zylinderkammern automatisch der tatsächlich benötigten Kraft in beiden Hubrichtungen an. In unseren Versuchen konnten wir Energieeinsparungen von bis zu 60 Prozent realisieren“, sagt Vasileios Balachtsis, der hier verantwortlich für das Innovationsmanagement ist. Nach Ansicht des Experten entfaltet PCC Blue sein Energieeinsparpotenzial besonders in flexibel ausgelegten Fließfertigungen, wie sie z.B. in der Automobilindustrie üblich sind. Dort werden Produkte in unterschiedlichen Varianten auf einer Maschine oder Fertigungslinie produziert. „Normalerweise heißt das im Fall von Pneumatik-Zylindern, dass sie z.B. entsprechend des maximal zu erwartenden Werkstückgewichts ausgelegt werden. Entsprechend ist auch der Druckluftverbrauch maximal – egal ob ich z.B. den Reifen für einen Kleinwagen oder einen SUV bewege. PCC Blue kann in solchen Fällen durch den selbstlernenden Algorithmus den Arbeitsaufwand und damit den Druckluftverbrauch des Pneumatik-Zylinders deutlich reduzieren.“
In Verbindung mit einem Monitoringsystem, wie dem LOOXR Druckluft 4.0 Portal, entfaltet PCC Blue sein volles Potenzial. Neben der reinen Energieeinsparung eignet sich das smarte Add-on auch als Analyse- und Monitoringtool kritischer Zylinder-Anwendungen. Möglich ist das auch durch Anschluss des PCC Blue an die SPS-Steuerung der Maschine selbst. So können die Informationen direkt in der Steuerung angezeigt werden. „In vielen Branchen kann der Ausfall eines Pneumatik-Zylinders sehr teure Folgen haben. Man denke nur an Schüttgüter in der Lebensmittelindustrie – hier sind es oftmals Pneumatik-Zylinder, die sprichwörtlich für die ‚Weichenstellung“ verantwortlich sind. Der plötzliche Ausfall eines Zylinders an dieser Stelle kann ganze Schüttgut-Chargen unbrauchbar machen, finanzielle Verluste sind die Folgen“, erläutert Jähnig. Mit PCC Blue werden die relevanten Messgrößen permanent erfasst und mit den Referenzwerten abgeglichen, ein per Bus-System angeschlossenes Analyse- und Monitoringtool kann die Daten weitergehend analysieren. Die speziell für den Druckluftprozess entwickelte Software LOOXR Druckluft 4.0 erfasst die Messwerte von Anfang an, stellt sie im Zeitverlauf dar, setzt sie in Bezug zu weiteren Messgrößen und Sensorinformationen aus dem Druckluftsystem und schlägt Alarm, wenn Anomalien erkennbar sind. „Dies kann ein plötzlich ansteigender Druckluftverbrauch sein, verursacht durch eine Druckluft-Leckage, die einem Ausfall des Pneumatik-Zylinders vorausgehen kann. Dann wird der Verantwortliche sofort informiert und kann zeitnah reagieren“, so Jähnig. Die mit „Blue“ gekennzeichneten Produkte - dazu gehören auch „SPT Blue“, ein Bluetooth Druck- und Temperatur-Sensor, der eine Echtzeit-Überwachung z.B. des Betriebsdrucks an relevanten Messpunkten per App erlaubt - vereinen Energieeffizienz, Digitalisierung und Prozesssicherheit.
Ich danke Ulrike Böhm für die zur Verfügung gestellten Informationen.
Weiterführende Informationen:
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung in Wirtschaft und Gesellschaft. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.