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Wie Unternehmensarchive zur kulturellen Nachhaltigkeit beitragen

Interview mit Dr. Eszter Harsányi

Dr. Eszter Harsányi arbeitet seit 2017 im Unternehmensarchiv von HeidelbergCement. Sie betreut Sammlungsbestände und arbeitet an der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des Unternehmens. Sie hat in Ungarn Archäologie und Italianistik studiert und promovierte an der Universität zu Köln im Fach Provinzialrömische Archäologie. Im Interview erklärt sie, inwiefern sich die Arbeit von Unternehmensarchivaren in den vergangenen Jahren verändert hat, denn die Verantwortlichen müssen sich viele Gedanken über die digitalen Dokumente bzw. Akten und über die digitale Archivierung machen.

Dr. Eszter Harsányi, welche Ausbildung haben Unternehmensarchivare?

Bestimmt sehr unterschiedliche, ich kenne allerdings keine Umfragen dazu. Einige haben sicherlich die „klassische“ Ausbildung gemacht, andere sind – wie ich – Quereinsteiger. Viele davon haben ein Studium in Geschichte oder in verwandten Fächern absolviert.

Was sind Ihre Schwerpunkte als Unternehmensarchivar?

Ich schreibe öfter wissenschaftliche Texte über verschiedene historische Themen, die Bezug zum Unternehmen und bin vor allem für die Druckschriften des Unternehmens verantwortlich und beantworte Anfragen. In diesem Bereich sind 1,4 Angestellte beschäftigt sowie ein(e) Werkstudent(in) und ein(e) Praktikant(in).

Archive sind zugleich das Gedächtnis eines Unternehmens. Achtlos damit umzugehen und es nicht zu pflegen, würde bedeuten, es zu verlieren. Werden Sie dennoch manchmal mit Fragen konfrontiert wie: Wozu braucht man ein Firmenarchiv? Das muss man sich doch leisten können?

Zum Glück kam diese Frage in den letzten Jahren nicht auf. Wir stehen kurz vor einem großen Firmenjubiläum und wir sind froh, dass es im Unternehmen ein Archiv gibt. Aber auch ohne Jubiläum sind wir eine Anlaufstelle für viele Fragen in sehr breit gefächerten Themen. Seit unserem Umzug in die neue Zentrale betreuen wir auch die Registratur, was für die ganze Hauptverwaltung eine gut nachvollziehbare und spürbare Unterstützung seitens des Archivs ist.

Was macht ein nachhaltiges Unternehmensarchiv aus?

Unser neues Magazin hat statt einer Klimaanlage nur eine passive Lüftungsanlage - falls das Klima wesentlich von den Sollwerten abweicht. Schon bei der Planung wurde eine gute Abdichtung gegen den Untergrund vorgesehen, das hat sich bewährt. Wir lagern außerdem sehr verdichtet und verschwenden keinen Platz. Durch diese Maßnahmen haben wir geringe Lagerkosten.

Welche besonderen Fundstücke sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben, und welche Geschichten sind damit verbunden?

Ich finde die alten Lohnbücher des Zementwerks Leimen zwischen 1890 und 1925 sehr interessant. Einerseits spiegeln sie die Arbeitsweise von damals wider (große Bücher mit schöner Handschrift ausgefüllt), andererseits liefern sie sehr kompakt sehr viele Informationen über die Leute, die beim Unternehmen arbeiteten, und über die wirtschaftlichen sowie politischen Verhältnisse (z.B. Massenentlassungen, Inflation, Reduzierung der wöchentlichen Arbeitsstunden).

Wie ist Ihr Unternehmensarchiv in die Firmenstruktur eingebunden?

Wir gehören der Abteilung „Communication & Investor Relations“, die für das Unternehmen weltweit tätig ist.

Inwiefern wird das historische Erbe von Unternehmen durch die digitalen Dokumente und Akten nachhaltig verändert? Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Die digitale Archivierung stellt zwar andere Anforderungen, verändert aber nicht grundsätzlich die Arbeit. Das Problem besteht vielmehr darin, dass wir es - statt mit digitalen Akten - mit einer unstrukturierten Masse von digitalen Dokumenten zu tun haben. Diese entziehen sich auch dem Zugriff des Archivs und werden oft einfach gelöscht. Zu nennen wären hier Emails. Durch die digitale Archivierung sind die Dokumente und die Akten leichter und für mehrere Personen auch in weiter Entfernung gleichzeitig zugänglich, dabei wird das Originaldokument geschont. Durch digitale Möglichkeiten ist die Recherche oft schneller.

Wie erleben Sie die Umstellung der technologischen Basis der Unternehmensarchive?

Die digitale Entstehung und Archivierung der neuesten Akten und Dokumente ist schwierig, da es eine relative junge Herausforderung mit vielen Fragen und noch ohne langfristig wirksame oder endgültige Lösungen ist.

Inwiefern verändern sich durch die digitalen Technologien die Akzente der archivarischen Praxis?

Der lange vernachlässigte Aktenplan gewinnt wieder an Bedeutung. Langfristig wird die physische Aktenübernahme durch einen digitalen, automatisierten Prozess erfolgen. Die organisatorischen Vorleistungen dafür sind aber gewaltig und erfordern jahrelange Vorbereitungen und eine gute Vernetzung.

Wie gewährleisten und gestalten Sie die digitale Verknüpfung zu den analogen Vorlagen?

Durch Links mit derselben Signatur und/oder Ordnungsnummer.

Wodurch zeichnet sich die zukünftige Nutzung von Unternehmensarchiven aus?

Die Spezialisierung der Arbeitswelt führt zu dem Verlust von Überblickswissen. Archive können hier mit erschlossenen Informationen rasch zur Schließung von Wissenslücken beitragen. Insbesondere im Bereich Rechtssicherheit, aber auch für Identitätsbildung und Reputationsmanagement bieten Archive wesentliche Grundlagen. Der Archivbesuch vor Ort nimmt spürbar ab, dadurch werden Archive zunehmend gezwungen, Forschungsarbeiten und Dokumentationen für die Nutzer zu übernehmen. Um in der „Google“-Welt wahrgenommen zu werden, bekommt deshalb die Internetpräsenz eine Schlüsselrolle.

Weiterführende Informationen:

www.hc-museum.de

blog.heidelbergcement.com

CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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