Wie werden wir morgen arbeiten – und was?
Interview mit Werner Neumüller, Geschäftsführer der GmbHs der Neumüller Unternehmensgruppe
Herr Neumüller, geht uns in der Ära der Hochtechnologie bald die Arbeit aus?
Nein. Voraussetzung ist allerdings, dass wir zusätzlich in die Ausbildung und Qualifikation unserer Kinder, jungen Leute und Studenten investieren. Deutschland muss weiter seine Leistungsfähigkeit von Made in Germany erhalten oder möglichst nach R&D oder Engineering in Germany weiterentwickeln und transformieren. So kann zukünftig – auch bei zunehmender Abwanderung von Produktion in Ausland - eine Führungsposition in der Technologie erhalten werden.
Wie verändert die Digitalisierung unsere Arbeitsweisen und –formen sowie den Charakter der Arbeit?
Bedingt durch die Digitalisierung werden sich zunehmend weitere Arbeitsplätze in die Welt der EDV und IT verschieben. Zukünftig werden noch mehr Computerkenntnisse und Programmiersprachen gefragt sein, damit die immer komplexer werdenden Systeme in Betrieb gehalten werden können. Der Charakter der Arbeit wird sich weiter von der tatsächlichen Wertschöpfung z.B. eines einzelnen Schreiners oder Mauerers hin verschieben zur Überwachung oder dem Service und Wartung Produktionssystemen in Team oder in zusammenhängenden Supply Chains.
Wie muss das Arbeitsrecht reagieren, wenn sich die Arbeitswelt von Grund auf ändert?
Das zukünftige Arbeitsrecht „4.0“ muss z.B. den erhöhten Systemanforderungen Rechnung tragen. Zukünftig muss es u. a. möglich sein, die Wertschöpfungsketten innerhalb von großzügigeren Arbeitszeitregelungen und -Grenzen am Laufen zu halten, zu warten oder wieder in Gang zu bringen, damit nicht – nun für VIELE am Supply Chain systembeteiligte Firmen und Stakeholder – der Schaden zu groß wird. Das Arbeitsrecht muss systemrelevante Interessen und Bedürfnisse MEHR berücksichtigen. Dem gegenüber müssen für die so zusätzlich belasteten Menschen (Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen) zusätzliche sicher zu realisierenden Ausgleichsmöglichkeiten geschaffen werden und deren Einhaltung auch verbindlicher überwacht werden.
Welche neuen Ausbildungsberufe werden für das Gelingen des digitalen Wandels benötigt?
Zunehmend höher qualifizierte Mitarbeiter/innen, Akademiker allgemein, Ingenieure im Speziellen: Berater, Logistiker, Planer, Projekteure, IT-ler, Mechatroniker, Programmierer und hoch flexible High Tech Service Mitarbeiter
Die Forderung nach Beschäftigungsfähigkeit oder Employability nimmt bereits seit einigen Jahren eine große Bedeutung im Rahmen einer zukunftsorientierten Unternehmens- und Personalpolitik ein. Inwiefern erhält vor dem Hintergrund der aktuellen Trends und Entwicklungen in der Arbeitswelt die Diskussion noch einmal eine neue Dynamik?
Erfolgreiche Employability hängt neben den Bemühungen der Arbeitgeber und der Sozialsysteme vor allem von Softskills der Beschäftigten ab. Tatsächliches Fachwissen kann in Schulungen vermittelt werden - sei es bedingt durch den demographischen Wandel oder durch die sicherlich zunehmende Industrie 4.0 wird die Eigenverantwortlichkeit, Zielorientierung, Flexibilität, Lern- und Teamfähigkeit neben Loyalität der Belegschaft immer wichtiger werden. Um diese zukünftigen Anpassungen Herausforderungen besser zu bestehen muss sicher noch dynamischer über optimierte Aus- und Fortbildungsinhalte diskutiert werden. Zukünftig müssen zusätzlich zu fachlichen Qualifikationen auch persönliche und zwischenmenschliche Fähigkeiten vermittelt werden. Sei es Form von Fächern und Kursen zur „Psychologischen Selbsthygiene“, in Diskussionsforen oder in Veranstaltungen zur Gruppenbildung und deren Dynamik.
Beispiele für derartige Ausbildungsinhalte dafür finden wir in anglistischen Ländern. In England z.B. wird an Schulen in Diskussionsgruppen die Streitkultur trainiert, in Amerika werden in Schulen - die nicht schon um 7:30 Uhr beginnen - Kurse in Schauspiel und Theater systematisch angeboten um die Fremdwahrnehmung oder Empathie zu trainieren. In diesen Schulsystemen, die in den Nachmittag hineinreichen, werden natürlich auch vielfältige Sportmöglichkeiten angeboten, die unter anderem Teamfähigkeit ausbilden.
Es wird in englischsprachigen Ländern und deren Schulsystemen meist mehr aktiv unterrichtet als reine Sachlichkeit und Schulwissen. Alleine diese Diskussion über unser Schulsystem und der Ausbildung von Charakter, Sozialverhalten bis hin zur Resilienz kann eine große Dynamik entwickeln...
Weshalb sollte der Begriff Employer Branding heute neu bewertet werden?
Das Employer Branding ist seit langem mehr die gegenseitige Hoffnung auf das gemeinsame Erreichen des Renteneintrittsalters. Heute schon ist Bildung der Arbeitgebermarke u.a. eine Verpflichtung zu Corporate Social Reponsibilty, zu Fairness und Antidiskriminierung und letztlich zur Möglichkeit einer persönlichen Work Life Balance. Zukünftig werden sicher auch alte Begriffe aus der Ethik und Moral zunehmend wichtig werden – z.B. Vertrauen und die Einhaltung von Inaussichtstellungen. Bevor der Supply Chain unterbrochen wird müssen sich alle Beteiligten klar darüber sein, dass alles getan werden muss um dies zu verhindern oder abzuwenden. Dies kann aber nicht bis in das letzte Detail für alle Eventualitäten und Vorfälle geregelt werden. Daher muss und kann nur aktiv und vertrauensvoll gehandelt werden. Diese Vertrauen in gegenseitige versprechen darf nicht enttäuscht werden, da dies sonst nicht mehr funktionieren würde … Gesagt ist gesagt!
Wird es künftig weniger Facharbeiter geben?
Natürlich wird es zukünftig weiter auch Facharbeiter geben, zumal in Deutschland das duale Ausbildungssystem sehr gut ist. Nur die Anzahl und die Schwerpunkte bzw. die Inhalte der Ausbildung werrden sich sehr verändern – hin zum Prozessdenken, der Automatisierungstechnik und IT.
Wie steht es um den Ingenieurnachwuchs?
Je mehr, desto besser - seien es Spezialisten für Entwicklung und Programmierung oder Interdisziplinäre ausgebildete Ingenieure und Techniker für Prozesse und Management wie z.B. Wirtschaftsingenieure bis hin zu Diplomierten mit mehreren Abschlüssen in unterschiedlichen Disziplinen wie Medizin oder Architektur zusätzlich oder in Ergänzung zum Ingenieurstudium für Lehre, Beratung und Forschung.
Wie prägt Industrie 4.0 den Produktionsstandort Deutschland?
Deutschland wird sich weiter zu einem Dienstleister entwickeln für Prozesse, Forschung und Entwicklung. Es werden zunehmend primär Hightech-Produkte oder hoch- bis vollautomatisierte Produkte wirtschaftlich hergestellt werden können, bei denen höchste Ansprüche an Qualität, Prozess, Mitarbeiterqualifikation, Logistik und Produktion gestellt werden. Wie z.B. Elektronik, Medizin- und Steuerungstechnik, Kraftwerke, Sondermaschinen usw. Wichtig wird sein, dass ein möglichst hoher Automatisierungsgrad realisierbare ist und für das Produkt ein eher hochpreisige aber vor allem hochqualitative Nachfrage besteht, damit das Produkt nicht an beliebiger Stelle auf der Welt reproduziert werden kann. Der Schlüssel zu dieser Zukunft wird deutsche Motivation und Ausbildung und Studium sein.
Welche Jobprofile werden künftig überflüssig, und welche müssen neu geschaffen werden?
Eher überflüssig werden „anlernbare“ produktionsintegrierte Qualifikationen wie Produktionshelfer oder z.B. Lagerarbeiter sein, die durch zunehmende Automatisierung ersetzt werden können. Eher von zunehmender Nachfrage werden Entwickler und Inbetriebnehmer/Servicemitarbeiter wie Mechatroniker profitieren, die die immer komplexeren Systeme starten und warten. Neu oder zusätzlich geschaffen werden müssen Qualifikationen, die gerade z.B. Schnittstellen von Mensch zu Maschinen (HMI) entwickeln oder optimieren, Medieninformatiker, Ergonomiespezialisten, Computer Supported Cooperative oder Collabrative Work-Pioniere, die das Zusammenwirken und -Arbeiten von Mensch und Maschine weiter ausgestalten.
Deutschland braucht eine sehr gute Aus- und Fortbildung, vor allem brauchen wir Erfinder, Gründer, Selbständige und Unternehmer, die Visionen haben und diese verfolgen, die neue Chancen in der Welt für Deutschland suchen, gefundene überprüfen und diese absolut zielstrebig und engagiert NACHHALTIG in einem möglichst unbürokratischen Umfeld weiter verfolgen und ausbauen! So wie beim Buchdruck, dem Dynamo, Albert Einstein, Otto Hahn und Arthur Fischer bis hin zum Fernsehen, dem Computer und dem Gummibärchen. Deutschland darf nicht alle neuen Technologien und Verfahren dem Silicon Valley der USA oder neuen/alten Schwellenländern überlassen.
Wie und wo können die richtigen Mitarbeiter identifiziert werden?
Je nach Bedarf an Spezialisten oder Generalisten und Individualisten über computergestützte Psychologische Auswahlverfahren, Creative Workshops, Studienbegleitung bis hin zu Bekannten aus dem Netzwerk und den vielfältigen persönlichen Gesprächen primär über das Web, Social Media und spezielle Rekrutierungskanäle und –Veranstaltungen.
Welche Rolle spielt Big Data im Personalwesen?
Big Date teilweise gut – teilweise kontraproduktiv. Je mehr Big Data, desto mehr auswertbares Volumen. Je mehr Auswertung, desto mehr stereotypisches Verhalten. Neuer Erfolg, Erfinder, Visionäre, Unternehmer und kreative Selbständige sind oft auch Untypische oder Seiteneinsteiger oder schlichtweg Glückliche, die nicht immer systematisch erfasst werden können.
Welche Aspekte muss ein demografieorientiertes Personalmanagement berücksichtigen?
Schlichtweg die Grundsätze der alten oder vielleicht auch neuen Handwerksbetriebe: Die Mitarbeiter/innen sollten als Teil der erweiterten Familie gesehen werden. Mit ihnen zu arbeiten sollte auch bedeuten, ihnen zur Not beizustehen – auch ihren Kindern und Familien. Das verbindet auch über das etwaige Renteneintrittsalter hinaus. Für kleinere Firmen ist sicher einfacher als für Konzerne. Ganzheitliches flexibles Denken, individuelle Strategieentwicklung, -implementierung und -umsetzung mit stetiger Anpassung, Berücksichtigung von Individualität und Leistungseffektivität in jedem Alter, weg von der Einzel- zur Teamorientierung z.B. Jung/Alt (physische Leistung/Erfahrung), konstante Anpassung und Kombination, mehr Mitarbeiterbindung und persönliche Work Life-Balance werden immer wichtiger.
Der jüngere Mensch, der erfolgreich arbeitet, sollte auch stärker vorankommen und höher bezahlt werden. Gerade in einem überlegt konstant variablen Team werden sich unterschiedliche Stärken entfalten, sich vermutlich auch ergänzen und bereichern (z.B. Junior/Senior Consultant, Meister und Lehrling). Jedem Beschäftigtem sollte Respekt für seine aktuelle Situation entgegengebracht werden (Unterstützung als junges Elternteil, Chance auf Sabbatical, Entgegenkommen in schwierigen Lebensphasen usw.). All dies wird zu einem gegenseitigen Miteinander führen, zu mehr gegenseitigem Respekt und Hilfsbereitschaft - hin zu verstärkter Verbundenheit – hin zum Employer Branding und Loyalität! Letztlich wird so automatisch das Image eines tollen Arbeitgebers für Neueinstellungen entstehen, der sich aber auch der Unterstützung seiner „Rentner“ dauerhaft z.B. in Teilzeit sicher sein kann …
Weshalb ergibt sich die Innovationskraft eines Unternehmens auch aus dem Personalmanagement?
Die Innovationskraft eines Unternehmens ergibt sich aus der Mitwirkung aller Beteiligten. Die Leitung des Unternehmens, das Management muss die Innovationskultur vorgeben. Die Entwicklung und Marketing/Vertrieb sind wesentliche Innovationstreiber. Aber auch Verwaltung und Produktion sind gefordert, innovativ zu werden und vor allem Neuerungen zu akzeptieren und zu unterstützen. Wichtig ist u.a., dass eine hohe Fehlertoleranz besteht. Es ist anfänglich nicht immer zu erkennen, wie wertvoll die jeweilige Idee ist oder wird. Fatal wäre, wenn Neuerungen von Anfang an auf Ablehnung stoßen würden, Innovationen nicht ausreichend sondiert werden würden oder Neuerung die sich nicht bewähren z.B. „verlacht“ werden würden.
Welche Qualifizierungsbedarfe ergeben sich durch Industrie 4.0?
Für Unternehmen: Auf sachlicher Ebene muss Fort-und Weiterbildung ausgebaut werden, Integration und demographiesensible Unternehmenskultur. In Bezug auf Werte gilt: Mehr Rückbesinnung auf ethische und moralische Werte und weniger auf Gewinnmaximierung. Für Arbeitnehmer/innen ist auf sachlicher Ebene vor allem IT, EDV, Prozesse, interdiziplinäres Denken und Lernfähigkeit relevant. Auf emotionaler Ebene sind dies u.a. Empathie, Kommunikation, Teamorientierung, Flexibilität und Zielstrebigkeit. Generell gilt: LOYALITÄT für- und zueinander!
Weshalb braucht es eine authentische Unternehmenskultur mit gemeinsamen Werten und einer gemeinsamen Mission, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren, Top-Talente zu gewinnen und sie langfristig zu binden?
Eine authentische Unternehmenskultur verbindet die Mitarbeiter und fokussiert alle auf die gemeinsamen Ziele. Gleichzeitig ist die Darstellung einer Alleinstellung und/oder klare Abgrenzung zum Wettbewerb möglich. Die Authentizität ist wegen der Glaubwürdigkeit und der tatsächlichen Abbildung der Unternehmer-/Unternehmenswerte unerlässlich. Nur wer seine Philosophie und Werte oder Mission auch tatsächlich täglich (vor)lebt, kann Vorbild sein und andere prägen. Mitarbeiter fühlen sich mit klaren gelebten positiven Werten sicher wohler, identifizieren sich stärker und verbleiben länger und zufriedener im Unternehmen. Bewerber betrachten ein solches Unternehmen sicher als attraktiver als solche Unternehmen ohne Authentizität oder gemeinsame Werte oder gemeinsame Mission. Alle Beteiligten können so sicher immer passgenauer zueinander finden und beieinanderbleiben.
Es ist dabei eher unerheblich, ob die Werte in einem sehr kapitalistisch geprägten System eher monetär orientiert sind oder in z.B. gemeinnützigen Organisationen eher sozial. Abhängig von dieser speziellen Prägung werden sich spezielle passende Bewerber einfinden und verbeiben. Wichtig sind vor allem die klare Formulierung, Kommunikation und Vorleben.
Können Sie die Marktbeobachtung einiger Personalexperten bestätigen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte in den letzten Jahren fast ausschließlich kompetenzbasiert ausgewählt wurden? Was braucht es noch? Welche Rolle spielt z.B. Charakter?
Nach meiner Einschätzung ist dem so. Einstellungstest, psychologische Klassifizierungen oder Big Data sind eher sachorientiert. Der Entscheidungsspielraum und Verantwortungsbereich von Führungskräften wird zunehmend standardisiert und eingeschränkt. Seiteneinsteiger, Richtungswechsler, Umorientiere, Übermotivierte, Genies – schlicht nicht Systemkonforme – bekommen damit immer seltener eine Gelegenheit, sich zu beweisen.
Wer würde heute bei all den zu Verfügung stehenden Hilfsmitteln und Eignungsdiagnostik einen Richard Branson (Legastheniker), einen Mark Zuckerberg (Studienabbrecher) oder einen Albert Einstein (Schulverweis) als Mitarbeiter einstellen?
Welche Methoden von Personalern sind im Ausleseprozess heute überholt? Wohin geht die zukünftige Entwicklung?
Überholt ist heute sicher eine Überbewertung des äußeren Aussehens der Bewerbung oder Form-/Tippfehler und Lücken im Lebenslauf. Nur eingeschränkt aussagefähig ist die Tatsache eines nicht geradlinigen Lebenslaufes wie z.B. des Studienabbruchs. Wichtig sind die Gründe und die Erkenntnisse daraus. Die zukünftige Entwicklung sollte vor allem in die ganzheitliche Betrachtung des Bewerbers oder der Bewerberin gehen: Wie und wo wurde die Kindheit verbracht, wie ist die aktuelle persönliche Lebenssituation usw.?
Für welche Vakanz wird wer mit welchem Ziel gesucht?
Dieser ganzheitliche Abgleich ist wichtig - selbstverständlich auch mit Hilfsmitteln oder systematisch (z.B. mit einem standardisierten Fragebogen mit zugehörigen Antworteinträgen zum Vergleich). Aber nicht, wie ich meine, ohne Ausnahme und überbewertet!
Macht die Digitalisierung auf lange Sicht HR überflüssig? Ist der HR-Mitarbeiter angesichts der aktuellen Entwicklung künftig noch gefragt?
Dem wird sicher nicht so sein. Demographischer Wandel, aktueller Fachkräftemangel und zunehmend nötige Supply Chain Orientierung in der Industrie 4.0 machen die Förderung und Entwicklung Mitarbeitern/innen zu einem immer wichtigeren Erfolgsfaktor. Diese Art der Mitarbeitergespräche ebenso wie die der individuellen Mitarbeiterbetreuung oder Gespräche zur Erhöhung der Corporate Identity kann bis auf weiteres keine Digitalisierung leisten.
Welche Herangehensweisen werden sich künftig bei der Rekrutierung ändern?
Bewerber werden zunehmend umworben. In der Rekrutierung müssen sich Unternehmen daher zunehmend auf die technischen als auch ideellen Interessen der Zielgruppen einlassen. Erste Kontakte zu zukünftigen Mitarbeitern/innen sollten möglichst frühzeitig z.B. in der Schule geknüpft werden. Stellenausschreibungen müssen zum Lesen am Handy an beliebigen Orten geeignet sein. Soziale Netzwerke als gemeinsamer kommunikativer Treffpunkt werden auch für Unternehmen, immer wichtiger. Die zeitgemäße Unternehmenspräsentation wird immer mehr erwartet (z.B. bewegte Bilder oder Videos). Die authentische Identität der Unternehmen wird immer wichtiger werden - ebenso wie das tatsächlich erkennbare Leben dieser Werte (z.B. Unternehmens-DNA)
Am 1. April 2017 trat die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft. Zum Kernpunkt der Reform gehört, dass Leiharbeitnehmer, die neun Monate am Stück beim Entleiher im Einsatz waren, künftig das gleiche Gehalt bekommen wie ein „vergleichbarer Arbeitnehmer“ der Stammbelegschaft („Equal Pay“). Wer länger als 18 Monate durchgehend im selben Entleihungsbetrieb tätig ist, muss dort sogar eine Festanstellung erhalten. Wie bewerten Sie dieses Gesetz?
In der Reform des AÜG wird leider nicht nach Qualifikation und/oder Einsatzziel unterschieden. Was für Produktionshelfer sicher richtig ist: Der NICHT dauerhafte Einsatz bei ungleicher Bezahlung, ist im Ingenieurbereich nicht nur sinnvoll. Detailkonstrukteure oder zusätzliche Entwicklungsingenieure müssen z.T. länger als 18 Monate als externe Mitarbeiter beschäftigt werden können, da die Projektlaufzeit länger als 18 Monate sein kann. Auch die Höhe des Gehalts ist nicht vordergründig, da sich dieses in dem von hoher Nachfrage geprägten Markt der Hochqualifizierten selbständig regelt.
Bei der Arbeitnehmerüberlassung im Umfeld der Ingenieure stehen vor allem Reaktionszeit für Entwicklungen, bevorzugt deutsche Ingenieurarbeit, Wettbewerb mit anderen Ländern, Wettbewerb mit nicht Tarifgebunden Unternehmen (z.B. kleine Ingenieurbüros usw.), aber auch die schlichte Preis-/Leistungsrelation der Einzelnen (Wiedereinstieg, Eingliederung, Umorientierung) im Vordergrund. Akademiker sind nicht pauschal eine schutzbedürftige Arbeitnehmerklasse.
Nach meiner Einschätzung hat die letzte AÜG-Reform vor allem im hochqualifizierten Bereich eine Überbürokratisierung zur Folge, die Deutschland als Forschungs- und Hochtechnologiestandort schwächt und zu zusätzlichen Entwicklungsverlagerungen ins Ausland führen wird.
Weiterführende Informationen:
Werner Neumüller: Rekrutierungsunterstützung über Personaldienstleistung und Arbeitnehmerüberlassung. Am Beispiel der Neumüller Unternehmensgruppe. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2017, S. 755-776.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.