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Wieder eine Weiterbildung, die niemand nutzt? Drei Hürden, die „Bildungszeit“ auf dem Arbeitsmarkt im Weg stehen

Die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagene „Bildungszeit“ für Weiterbildung klingt gut. In der Theorie. In der Praxis stellt sich allerdings die Frage: Ist der Arbeitsmarkt überhaupt offen dafür? Drei Gründe, die dem lebenslangen Lernen in Deutschland im Wege stehen. Und was man dagegen tun kann.

Kurz vor „Bildungszeit“ – schlägt es bald 13?

Bezahlte Bildungszeit für Beschäftigte soll – wenn es nach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil geht – Weiterbildung in Deutschland voranbringen und dem Fachkräftemangel vorbeugen. Bis zu einem Jahr in Vollzeit oder bis zu zwei Jahren in Teilzeit sollen sich Arbeitnehmende so künftig beruflich weiterbilden können, wenn die oder der Arbeitgebende zustimmt.

Finanziell unterstützt werden soll die Freistellung dabei von der Bundesagentur für Arbeit, welche das Gehalt in Höhe des jeweils zustehenden Arbeitslosengeldes während der „Bildungszeit“ übernimmt: 60 Prozent für Alleinstehende, 67 Prozent des Einkommens für Beschäftigte mit Kind.

In den nächsten Wochen entscheidet das Bundeskabinett über die „Bildungszeit“ – Deutschland müsse „Weiterbildungsrepublik“ werden, so Heil. Doch ist das so einfach?

Drei Gründe, warum „Bildungszeit“ eine weitere Weiterbildung werden kann, die keiner nutzt

Was die wenigsten wissen: Eine „Bildungszeit“ in klein gibt es schon in Deutschland – und keiner nutzt sie! Seit über zwei Jahren kläre ich darüber auf. Per Gesetz haben 27 Millionen Arbeitnehmende in Deutschland Anspruch auf „Bildungsurlaub“. Dahinter verbergen sich fünf bis zehn Tage bezahlter Extraurlaub für als solcher anerkannte Weiterbildungen. Kurz: Zertifizierte Auszeiten, die Arbeitnehmende ganz individuell fachlich, persönlich und gesundheitlich fördern.

Trotzdem machen davon nur zwei Prozent der Berechtigten Gebrauch – und das, obwohl es das Gesetz zum Beispiel in Hamburg bereits seit 1974 gibt. Warum ist das so?

Weil am Arbeitsmarkt die Theorie von der Praxis in die Knie gezwungen wird, sage ich. Durch mein Start-up Bildungsurlauber.de – welches über Bildungsurlaub aufklärt und Beschäftigten bei der Seminarsuche hilft – bin ich immer wieder mit Arbeitnehmer:innen im Austausch, die sich nicht trauen, ihr Recht auf „Bildungsurlaub“ in Anspruch zu nehmen.

Diese Nicht-Beweggründe, für sein Recht auf Weiterbildung einzustehen, sind auch auf das Konzept „Bildungszeit“ übertragbar. Ich sehe konkret drei Herausforderungen, wie firmeninterne Unternehmenskultur der Umsetzung im Wege steht:

  1. Fehlendes Vertrauen und fehlende Kommunikation: Um die geplante „Bildungszeit“ wahrzunehmen, braucht es die Zustimmung des Unternehmens. Wir beobachten bei Bildungsurlauber.de allerdings sehr stark, dass viele Beschäftigte sich gar nicht trauen, in Dialog mit ihren Chef:innen zu treten, um über ihre individuellen (Weiterbildungs-)Bedürfnisse zu sprechen. Das Problem dabei: Wer nichts anspricht, kann auch nichts absprechen. Was beim Ansprechen hemmt, ist, dass zu viele Arbeitgebende in Weiterbildungen immer noch viel zu oft Fehlzeit statt Förderung sehen. Damit begünstigen sie die Fehlinterpretation von Leistung als Präsenz statt Produktivität.

  2. Überlastung: Zu viele Arbeitnehmende arbeiten am Limit und möchten in dieser Ausnahmesituation ihr Team nicht allein lassen beziehungsweise diesem noch mehr Arbeit zumuten. Verständlich. Leider ist der Ausnahmefall zu oft die Regel. Wer will, dass Weiterbildungsangebote angenommen werden, muss ein Arbeitsumfeld schaffen, das Entfaltungsspielraum bietet. In der Verantwortung dafür sehe ich die Unternehmen.

  3. Mangel an Gönnungskultur: Viele Kolleg:innen gönnen einander Weiterbildungen nicht oder fühlen sich benachteiligt oder abgehängt. Dieser soziale Druck erhöht die Hürde, nach Weiterbildung zu fragen – für mich ist das eine „Red Flag“ im Hinblick auf eine gesunde Arbeitskultur. Statt Misstrauen brauchen wir ein Miteinander in Teams, eine „Gönnungskultur“ – in der jede:r Einzelne weiß, dass sie oder er nicht zu kurz kommen wird. Wichtigster Schlüssel dafür auch hier wieder: Transparente Kommunikation von oben. Die Message von Unternehmen sollte dabei sein: „Wir wollen deine Weiterentwicklung.“

Was bringt Weiterbildung wirklich voran?

Unternehmen müssen verinnerlichen, dass lebenslanges Lernen Vorteile für die betriebsinterne Kultur, die Personalgewinnung und -bindung und den zukünftigen Erfolg hat. Meine Befürchtung: Ohne einen Kulturwandel in Unternehmen wird Weiterbildung zu oft einfach weiter eine theoretische Option bleiben.

In der Konsequenz müsste die Weiterbildungsfreundlichkeit von Unternehmen überprüft und verbessert werden.

Lara Körber schreibt über Weiterbildung, New Work, Job & Karriere, Bildungsurlaub

Lara Körber ist Mitgründerin von Bildungsurlauber.de. Das Start-up hilft bei der Beantragung und Buchung von Bildungsurlaub sowie bei Fragen zum Bildungsurlaubsgesetz und setzt sich für die Etablierung von personalisierter Weiterbildung als festen Bestandteil einer neuen Arbeitskultur ein.

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