Wieso Wertschätzung den Wandel voranbringt
Wieso Wertschätzung den Wandel voranbringt!
In vielen Unternehmen die ich besuche, verspüre ich bei dem Thema Veränderung viel Angst. Während es bei den älteren Führungskräften um das Gefühl geht, aufs Abstellgleis verfrachtet zu werden, verursacht ein Wechsel in der Mitarbeiterschaft eher ein Gefühl der Unsicherheit. Bei der Übernahme neuer Führungsaufgaben, eines Unternehmens oder Bereiches, sind es immer wieder Aussagen wie: “das müssen wir ändern“, oder „hier braucht es einen Change“. Vielerorts habe ich das Gefühl, dass Changeprojekte fast zur Tagesordnung in vielen Unternehmen gehören. Und wenn ich dann im Angesicht dieser vermeintlich alles verändernden Projekte in die Gesichter der Mitarbeiter schaue, entdecke ich mehr Entgeisterung und Frust, als Begeisterung und Freude. Aber wieso ist das so?
Bei dem Begriff "Veränderung" geht es immer darum, etwas anders zu machen als vorher. Das bedeutet aber auch, dass das, was oder wie wir es bisher gemacht haben nicht gut genug war, nicht ausreichte. Die Begriffe Veränderung oder Change hinterlassen bei den Betroffenen damit häufig das Gefühl, dass das, was sie bisher geleistet haben nichts wert oder bedeutungslos ist. Was hinterbleibt, ist der unangenehmere Beigeschmack der Geringschätzung: „war denn alles schlecht, was wir bisher geleistet haben?“ Der Begriff Veränderung würdigt das bisher Geschaffene nicht und entfacht innere Widerstände bei den Betroffenen, sich wieder auf etwas Neues einzulassen.
Positive Veränderung bedeutet Entwicklung
Aber es geht auch anders, wie ich mittlerweile immer öfter erleben durfte. Wenn ich bei der Übernahme einer Führungsaufgabe gefühlt nicht gleich alles auf null setze, sondern meine zukünftigen Impulse als einen weiteren Schritt in einem Entwicklungsprozess betrachte, dann geht es plötzlich nicht mehr um Veränderung, sondern um Evolution, Wandlung oder eben die Weiterentwicklung des Bestehenden; und nicht darum, gleich alles wieder anders machen zu wollen. Der kleine, aber sehr feine Unterschied zwischen Veränderung und Entwicklung besteht darin, dass entgegen der Veränderung der Begriff Entwicklung das bisher geleistete wertschätzt.
Eine Entwicklung baut auf zum Beispiel eine Tradition auf und entwickelt es den Anforderungen entsprechend weiter. Und viele Menschen haben Freude daran, etwas zu entwickeln, das erinnert uns an unsere Kinderzeit, in der wir viel Freude daran hatten, einfach etwas neues auszuprobieren. Und Wertschätzung hat auch immer etwas mit Würde zu tun, denn es geht um die Würdigung dessen, was jemand bisher beigetragen hat. Und wenn wir dieser Würdigung Rechnung tragen, wird der Entwicklungsprozess auch einfacher. Je stärker die Würdigung, desto schwächer die Widerstände! Denn Widerstände entstehen meist aus einem gekränkten Ego. Eine gute Frage, die wir uns im Spannungsfeld zwischen Tradition und Zukunft gut stellen können, sind: „Wie kann ich das bisher Geleistete würdigen?“ oder „Wie kann ich unsere Quellen zeitgemäß interpretieren?"
Eine gesunde Tradition vereint die unbedingte Würdigung des Bestehenden mit dem unbedingten Willen zur Entwicklung oder kurz: „Tradition bedeutet, das alte zu ehren und das neue zu lieben“.
(mehr dazu in: Kraftquelle Tradition- Benediktinische Lebenskunst für heute)