Wir machen das! Denkprinzipien und Regeln des Handelns in Zeiten des Umbruchs
„Wir befinden uns mitten in einer krassen Zeitenwende“, schreibt Philipp Riederle, Jahrgang 1994, in seinem Buch „Wie wir arbeiten und was wir fordern“. Im Mittelpunkt steht nicht nur die Frage, wie die Generation Y die Berufswelt revolutioniert, sondern auch die Komplexität der Systeme heute und die Frage nach intelligenten Problemlösungen. Dabei ist er ein Brückenbauer aller Generationen: „Lasst die Erfahrenen walten, bringt sie mit den Jüngeren zusammen und führt diese intensiver an.“ Das ist auch durch eine lesende Verbindung möglich, indem Aspekte seines Buches beispielsweise mit Ansätzen des Managementvordenkers Prof. Fredmund Malik zusammengedacht werden. Maliks lehr- und lernbarer Standard professioneller Managementpraxis geht über die Wirtschaftswissenschaften hinaus zu den modernen Komplexitätswissenschaften. Der Unternehmer und Bestsellerautor gehört zu den profiliertesten Managementvordenkern. Sein Klassiker „Führen Leisten Leben“ zählt zu den 100 besten Wirtschaftsbüchern aller Zeiten. Malik ist Special und Honorary Professor an drei chinesischen Universitäten.
Riederle beschäftigt sich mit sinnstiftender Arbeit als Teil der eigenen Identität und guter Führung und bemerkt, dass richtiges Management ohne die richtigen Strukturen und Einsichten nicht möglich ist: „Statt Weitblick ist eigentlich stinknormale Planung gefragt.“ Es geht um Organisationsprinzipien, Führungsqualitäten, digitale Tools und analoge Rahmenbedingungen von Arbeit – und darum, die Technik und die Unternehmensorganisation mit dem schnelllebigen Markt und der damit zusammenhängenden neuen Arbeitswelt zu syntegrieren. Wenn Riederle schreibt, dass die einstigen (Spiel-)Regeln und Definitionen von Arbeit und Unternehmensführung „plötzlich außer Kraft gesetzt zu sein“ scheinen, zeigt dies einmal mehr, dass er intuitiv logisch erfasst hat, was Malik bereits vor 20 Jahren vorhersagte.
Die Große Transformation21
Die Neue Welt entsteht durch die Große Transformation21, wie Malik 1997 den fundamentalen (nach Riederle „krassen“) Umwandlungsprozess nannte. Diese Transformation ist eine Grundlage, ohne deren Kennen bzw. Verstehen Organisationen nicht richtig geführt und transformiert werden können. Die treibenden Kräfte dieser Transformation fasste er in fünf großen Problemfeldern zusammen: Demografie, Technologie, Ökologie, Verschuldung und Komplexität, die sich daraus ergibt, dass die sich die ersten vier Problemfelder wechselseitig durchdringen.
In seinem Buch „Die richtige Corporate Governance“ schrieb er 1997, dass Wirtschaft und Gesellschaft eine der größten Umwandlungen durchlaufen, die es geschichtlich je gab: „Sie ist in Ausmaß und Bedeutung vergleichbar mit Entwicklungen, wie sie historisch erstaunlicherweise etwa alle 200 bis 250 Jahre zu verzeichnen sind.“ Eine derartige Transformation fand im 13. Jahrhundert statt. Eine weitere tiefgreifende Umwandlung folgte zwischen 1455 und 1517 - beginnend mit der Erfindung des Buchdrucks und geprägt durch die Reformation. Die bisher letzte derartige Transformation begann Mitte des 18. Jahrhunderts. Die „gegenwärtige Transformation“ (1997!) wird nach Malik als dramatischer empfunden als die früheren, weil die demografische und psychologische Ausgangslage verschieden ist: „Der Anpassungsdruck, der sich früher auf mehrere Generationen verteilte, trifft heute geballt eine einzige Generation. Das ist der demografische Aspekt.“
Auch die Politik sei in fast allen Dimensionen unberechenbar, unwirksam und unglaubwürdig geworden: „Kaum ein Bereich wird so weitergeführt werden können wie bisher.“ Seine Kritik, dass die Natur dieses Wandels von vielen Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft nur schlecht verstanden wurde, ist aktueller denn je: „Ein erheblicher Teil der öffentlichen Diskussion konzentriert sich auf die falschen Schwerpunkte, sie wird in den Denkkategorien der letzten 100 Jahre geführt, und man läuft daher Gefahr, auf die wirklich wesentlichen Faktoren dieser Transformation und deren Auswirkungen unvorbereitet zu sein. Man gibt heute viele sehr gute Antworten – leider auf viele falsche Fragen.“
Eine Vielzahl von Beispielen für falsch verstandenes Management findet sich auch in Riederles Buch, in dem Maliks „Warum“ wie ein roter Faden eingewoben ist. „Der Transformationsprozess verändert nicht nur, was wir tun und wie wir es tun, sondern auch, warum wir es tun“, schrieb der Managementvordenker schon damals und betonte folgende Aspekte:
• Nicht die gewöhnliche, sondern die außergewöhnliche Situation muss Richtschnur sein.
• Nicht der Trend, sondern der Trendbruch ist wesentlich.
• Nicht Kontinuität der Entwicklung, sondern ihre Diskontinuität.
Handwerk statt Geniekult
2015 fasste Malik seine Ergebnisse im Buch „Navigieren in Zeiten des Umbruchs“ zusammen, in dem er sich Denkprinzipien und Regeln des Handelns bei Ungewissheit und hoher Komplexität widmet: Das Navigieren verlangt von Führungskräften der Gesellschaft vor allem kopernikanische Fähigkeiten. In diesem Zusammenhang räumt er auch mit dem Geniekult auf, denn um sich im Unbekannten („wenn die Standorte ungewiss, die Ziele beweglich und die Wege vielfältig sind“) zurechtzufinden, genügt auf weite Strecken ein bestimmtes „Handwerk“ (das Thema spielt auch bei Riederle eine wichtige Rolle).
Verändert werden die Welt und das Leben der Menschen vor allem durch die Berufe, „nicht durch die Spitzenleistungen des Genies, sondern dadurch, dass die Kunst zum lehr- und lernbaren Handwerk wird“ (Malik 1997). Leonardo da Vincis Nachfolger sind keine Genies, „sondern Hunderttausende von kompetenten Ingenieuren“, die brauchbare Leistungen für die Menschen erbringen. Es ist erstaunlich, dass zwei so unterschiedliche Generationenvertreter und Bücher die handwerkliche Profession herausstellen und das weniger Spektakuläre nachhaltig würdigen. Die Generation Y ist mit ihrer Digitalreife auch bodenständiger geworden.
Philipp Riederle, der sich gern philosophischen Fragen stellt und Soziologie, Politik- und Ökonomiewissenschaften studiert, räumt in seinem Buch mit den Vorurteilen auf, dass die Generation Y nur für Spaß steht. Denken und Tun gehören für viele von ihnen zusammen – so wie es Malik im Zusammenhang der Bewältigung der vor sich gehenden Transformation der (Komplexitäts- und Könnens-)Gesellschaft beschrieben hat.
Folgende Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung:
• Klarheit des Denkens
• Präzision des Handelns
• Vorbildhaftigkeit des Verhaltens
• Glaubhaftigkeit der Führung.
Weiterführende Literatur:
Philipp Riederle: Wie wir arbeiten und was wir fordern. Die digitale Generation revolutioniert die Berufswelt. Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München 2017.
Fredmund Malik: Die richtige Corporate Governance. Mit wirksamer Unternehmensaufsicht Komplexität meistern. Umfassend aktualisierte Ausgabe: Die Neue Corporate Governance. Richtiges Top-Management – wirksame Unternehmensaufsicht. 3., erweiterte Auflage, Frankfurt am Main: Frankfurter Allgemeine Buch 2002 (1. Auflage 1997)., Campus: Frankfurt am Main/New York, 2008.
Fredmund Malik: Navigieren in Zeiten des Umbruchs. Die Welt neu denken und gestalten. Campus Verlag Frankfurt am Main 2015.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.