Mutaree/Claudia Schmidt

Wir müssen Change neu denken!

Claudia Schmidt ist Expertin für Veränderungsmanagement und seit 2008 Geschäftsführerin der Mutaree GmbH. Sie unterstützt mit ihrem Team Unternehmen bei der Planung, Steuerung und Umsetzung von Veränderungsprozessen.

Seit 2008 ist Claudia Schmidt auch als Beraterin an Universitäten und Bildungseinrichtungen wie der Frankfurt School of Finance & Management, an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL und der WHU Otto Beisheim School of Management tätig. 2010 initiierte sie das Forschungsprojekt „Change-Evolution 2020“ und gibt alle zwei Jahre die „Change-Fitness-Studie“ heraus. „Am Ende unserer Forschungsreise, zeitgleich mit dem Beginn der Pandemie in unseren Breitengraden, konnten wir beobachten, dass sich unsere Thesen aus der Vergangenheit bestätigen. Die Zeit, die bleibt, sich zu verändern, wird immer kürzer, die Tiefe und Breite der Veränderung dehnt sich mehr und mehr aus, und die Einschläge kommen in immer kürzeren Abständen“, sagt sie. Bedenklich ist, dass sich die Change-Fitness (gemessen am Veränderungserfolg in der Vergangenheit) nun gerade nicht positiv entwickelt.

1. Die Erfolgsquote im Umgang mit Veränderungen wird um einiges schlechter eingeschätzt als in den Vorjahren. Legt man eine Zielerreichung von 75-100% zugrunde, so wurde in dieser Studie der schwächste Wert seit 10 Jahren ermittelt.

2. Untermauert wird diese Bewertung von der aktuellen Selbsteinschätzung. Aktuell schätzen sich 4 % der Befragten als change-fit (3 % mit einem Wert von 9 und 1 % mit einem Wert von 10) in der Vorgänger-Studie schätzen sich noch 5,3 % der Befragten als change-fit ein.

3. Die Hauptgründe für dies schwache Einschätzung liegt im schlechten Management (18%), einer nicht passenden Haltung bzw. Kultur (18%) und den noch immer veralteten Strukturen (11%).

4. Die Investitionen in die personale Seite der Veränderungen sind immer noch zu gering. 53% der Befragten investieren nicht mehr als 75.000 € im Jahr (Mittelklassewagen) in die personale Seite der Veränderungen (siehe Grafik 26).

5. Die Einbeziehung der Mitarbeiter ist im Vergleich zu den Vorjahren ebenfalls auf dem tiefsten Niveau (Zustimmungswert 38%).

6. Unterschiedliche Wahrnehmung der Hierarchiestufen. Sehr deutliche Abweichungen ergaben sich bei Einschätzung zur Einbindung des mittleren Managements in den Veränderungsprozess. Das Delta liegt bei 0,86 zwischen der Einschätzung des Top-Managements (Mittelwert 4,18) und den Führungskräften (Mittelwert 3,33).

7. Die größten Herausforderungen liegen immer noch beim Top-Management. 11% der Befragen fordern vom Top-Management mehr Sinnstiftung, Unterstützung, Empathie und Glaubwürdigkeit. Zudem mangelt es noch immer an offener und hierarchieübergreifender Kommunikation und an der Einbindung von Mitarbeitern und Führungskräften (siehe Grafik 40).

Die Gründe dafür sind vielfältig: „Zum einen ist davon auszugehen, dass die sich abzeichnenden Veränderungen durch Corona, die zum Zeitpunkt der Befragung noch ein Stück weit weg waren, unterschwellig Einfluss genommen haben und den Stresspegel auf Individuen und Organisationen deutlich haben ansteigen lassen. Zum anderen sind die zum Befragungszeitraum noch laufenden disruptiven Veränderungen, die durch Digitalisierung, Demographie und Klimawandel entstanden sind, noch längst nicht verdaut.

Die Dynamik hat den Stresspegel in einem Ausmaß gesteigert, der bei vielen Organisationen zu einem intuitiven Rückfall in alte Verhaltensmuster geführt hat. Die Change-Fitness war in den Unternehmen noch nicht so ausgeprägt und gefestigt, dass dieser Rückfall hätte vermieden werden können“, sagt Claudia Schmidt. Das Top-Management muss in der Lage sein, das Kollektiv zu bewegen und unterschiedliche Interessengruppen zu motivieren.

Dazu gehören für die Expertin:

  • ein gemeinsames Verständnis des Ziels und ihre präzise Artikulation

  • ein realistischer Blick über die vorhandenen Ressourcen und Engpässe

  • eine überzeugende Kommunikation mit einem sehr unterschiedlichen Publikum

  • Beharrlichkeit und Geduld bei der Entwicklung von neuen Ansätzen, wenn sich die Umstände ändern sowie das Aufeinander abstimmen kollektiver Aktionen

  • das Team muss spüren können, das es Sinn macht und sich lohnt mitzuziehen.

Die zeitlichen Abstände, das Kollektiv immer wieder neu in Bewegung zu setzen, verkürzen sich, und es wird immer schwieriger, Muster zu erkennen. „Wir befinden uns jetzt an einem Punkt, an dem es noch anspruchsvoller wird, sich mit Veränderungen auseinanderzusetzen. Change definiert sich seit Mitte März 2020 neu – wir müssen Change neu denken!“, so Schmidt.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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