Wirtschaft und Umweltschutz – Widerspruch oder Chance?
Eine unausweichliche Veränderung bringt drei Möglichkeiten mit sich: Annehmen, ablehnen oder aber den Blick nach vorne wagen und Chancen darin erkennen.
Wer die Politik in Berlin verfolgt, hat nicht gerade den Eindruck, dass letztere Option dort überhaupt existiert. Beim bloßen Gedanken an das Wort „Umstrukturierung“ füllen sich die vom Steuerzahler bezahlten Bürostühle mit dem Angstschweiß der Berliner Beamten. Wieso werden Chancen jahrelang verschlafen? Wo ist der Pioniergeist geblieben? Wo ist der Mut hin, Dinge an vorderster Front aktiv anzupacken? Leider sind diese Werte irgendwo in den Mühlen der Bürokratie versumpft. „Business as usual“ statt großer Visionen.
Veränderung muss hierzulande eingeklagt werden
Es offenbart sich aber noch der Verlust eines weiteren Wertes: die Fähigkeit zum Schuldeingeständnis oder auf gut Deutsch: das Rückgrat. Erst wenn die Politik in ihre Schranken gewiesen wird, bewegt sich etwas. Kein Wunder also, dass die Bundesregierung derzeit unter Schock steht. So haben es die Verfassungsrichter mit ihrem Urteil zum Klimaschutzgesetz doch tatsächlich gewagt, der amtierenden großen Koalition eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Diese wird dann gekonnt geschluckt, und die Schuldzuweisungen beginnen sofort. Eine Farce – denn kaum vergeht das Urteil, sind wir wieder an dem Punkt, an dem Wirtschaft gegen Umweltschutz ausgespielt wird. Dabei ist seit Jahren bekannt, wie es anders geht: Rifkin schreibt in seinem Buch “The New Green Deal”, dass er bereits vor einem Jahrzehnt die Bundesregierung darin beraten habe, zu verstehen, dass wir vor einem Umbau der Wirtschaft von fossilen Brennstoffen hin zu einer dezentralisierten, solarbasierten Wirtschaft stehen. Diese Wertschöpfung kann aber nur dann zum Tragen kommen, wenn wir auch die Netze entsprechend ausbauen.
Private Haushalte und KMUs unterstützen statt Barrieren aufbauen
Was bedeutet das konkret? Es käme einer Demokratisierung der Wirtschaft gleich, wenn kleine private Haushalte zur „Firma“ werden: Mit niedrigen, eigenen Kosten stellen sie ein Produkt her, das definitiv gebraucht wird, nämlich Energie in Form von Strom. Warum fördern unsere Regierungsparteien diese Entwicklung nicht mit aller Macht? Sie sollten ja für das Wohl aller Bürger:innen und nicht nur für das Wohl der großen Industrie einstehen. Mal abgesehen davon, dass es schwer vermittelbar ist, wenn Deutschlands Bürger:innen die höchsten Strompreise auf der ganzen Welt zahlen müssen, während gleichzeitig von Jahr zu Jahr die Menge an Strom steigt, die wegen einer Überproduktion zu negativen Preisen verkauft wird.
Also: Die Energiepolitik sollte wegkommen von wenigen zentralisierten Stellen und hin zur flächendeckenden Stromproduktion. Wer sich Deutschlands Städte via Google Maps von oben einmal genauer anschaut, wird feststellen, dass es in den Regionen, die bereits bebaut sind, mehr als genug Flächen für die Solarproduktion gäbe. Dabei ist ein Umbau nicht einmal notwendig – es genügt, diese Flächen zu optimieren. Ich glaube: Mit einer solarbasierten Wirtschaft hätten wir die Chance, die Erwerbsmittel tatsächlich an sehr viele Bürger:innen zu verteilen.
Meine Vision: Wirtschaft und Ökologie sind gleichberechtigte Partner
Um dieses Ziel zu erreichen, geht die Wirtschaft Hand in Hand mit der Ökologie. Mehr noch: Die Wirtschaft ermöglicht Umweltschutz erst. Dazu setzt die Politik im Idealfall die Rahmenbedingungen, um neben Privatpersonen den kleinen und weniger finanzkräftigen Unternehmen – beispielsweise Handwerksbetrieben und Bauernhöfen – zu ermöglichen, ihre Dächer mit Solaranlagen zu belegen. Rein rechnerisch sind hierfür keine hohen Subventionen notwendig, denn eine PV-Anlage amortisiert sich in fünf bis acht Jahren. Und: Die Banken finanzieren dieses Vorhaben, wenn der Staat die Garantie gibt, dass private Haushalte und KMUs ins Netz einspeisen dürfen. Dieser Veränderung stehen also noch nicht einmal wirkliche Hürden im Weg. Bildlich gesprochen: Während bei der Bekämpfung der Corona-Krise jede Impfung zählt, zählt bei der Bekämpfung der Klimakrise jede freie Fläche!
Und woher das Geld nehmen? Biden macht es vor: Er will die Steuern dort einholen, wo sie nie gezahlt wurden: Von den großen internationalen Konzernen. Hierzulande hatte die große Koalition acht Jahre Zeit, das durchzusetzen – wenn sie nur gewollt hätte. Ja, selbst Grundgesetzänderungen wären möglich gewesen. Stattdessen planen die regierenden Parteien und auch die Grünen zwar, die Steuern zu erhöhen – nicht aber für die Großen, sondern für die Mittelschicht. Das wird genau jene Unternehmen treffen, die ihr Eigenkapital brauchen, um die Anpassung ihrer Firmen an die neue Wirtschaft finanzieren zu können. Weitere Erhöhungen gefährden indes den Wirtschaftsstandort Deutschland und schrecken Investoren ab. Eine wirtschaftlich nachhaltige Lösung sieht anders aus.
Wir brauchen nicht mehr Subventionen, sondern weniger Regularien
Baustelle an Baustelle reiht sich aneinander: Bildungsreform, Digitalisierung und eine Transformation zur Ökologie. All das geht nur mit der Wirtschaft und gutem Unternehmertum. Unsere Unternehmer:innen sollten nicht mit noch mehr Bürokratie und in ihren finanziellen Mitteln eingeschränkt werden. Was jetzt zählt, ist eine Wirtschaftspolitik, die es ganz schnell vielen kleinen Firmen ermöglicht, zu agieren. Ein erster Schritt ist die erneute Aufrüstung des Solarstandortes in Deutschlands Osten, auch als Solar Valley bekannt. Doch ob nun hierzulande oder in China produziert – wir werden tausende kleine Handwerksbetriebe brauchen, die diese Solarpaneele nach der Produktion auch auf die Dächer bringen.
Vielleicht war Corona der Weckruf – wir alle haben gesehen, dass unser Verwaltungsapparat zu träge auf Krisen reagiert. Wir brauchen Schnelligkeit, Vision und ein Rückgrat, um aus Fehlern zu lernen. Und wir brauchen Macher:innen in Zeiten der Veränderung – denn die Veränderung ist bekanntlich die einzige Konstante im Leben.