Zur Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes: Studie zu freiwilligen Nachhaltigkeitskooperationen
Die Verbesserung nachhaltiger Bedingungen in den weltweiten Lieferketten von Unternehmen erfordert vor allem die Bereitschaft zu mehr Kooperation und mehr Partnerschaften mit den Kräften Politik, Wirtschaft und der globalen Zivilgesellschaft. „Aus unserer Sicht sind hier Politik, NGOs, Verbände und bedeutende Wirtschaftsunternehmen gefordert, weltweite, allgemein gültige, hochwertige Standards für Umweltschutz und Sozialverträglichkeit zu entwickeln, umzusetzen und mit gutem Beispiel voranzugehen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht des Öko-Versenders memo.
Die Verantwortung von Unternehmen für die ökologische und soziale Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen muss sämtliche Stufen der Wertschöpfungskette mit einbeziehen.
Die sozialen und ökologischen Bedingungen in der gesamten Lieferkette werden bei memo genau angesehen. Das Unternehmen ist allerdings auch mit zahlreichen Herausforderungen in einzelnen Bereichen konfrontiert. So gibt es für den Produktbereich Technik und Beleuchtung im Vergleich zu Textilien, Lebensmitteln oder Holzprodukten bisher keine allgemein anerkannten Standards hinsichtlich Ökologie und Sozialverträglichkeit über die komplette Lieferkette hinweg. „Die persönliche Überprüfung aller beteiligten Hersteller – vom einzelnen Rohstoff, über Bauteile bis hin zum Endprodukt – ist schon für Großunternehmen eine immense Herausforderung. Für uns als mittelständisches Unternehmen ist das unmöglich“, heißt es hier. Dennoch werden selbstverständlich auch bei technischen Geräten hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Umwelt- und Sozialverträglichkeit gestellt (z.B. Energieeffizienz, Strahlungsarmut und die verwendeten Basismaterialien).
Bei Herstellern außerhalb Europas wird besonders darauf geachtet, dass sie nach Umwelt-, Arbeitssicherheits- und Sozialstandards zertifiziert oder der BSCI-Multistakeholder-Initiative angeschlossen sind. Innovative Leuchtturmprodukte wie das Fairphone, das Shift Smartphone, „Die Faire Maus“ oder die Sonnenglas Solar-LED-Dekoleuchte werden bevorzugt ins Sortiment aufgenommen, obwohl sie eventuell ökonomisch für das Unternehmen nicht rentabel sind. Der Grund: „Sie sind für uns Vorreiter für mehr ökologische und soziale Aspekte in der Lieferkette in ansonsten noch sehr konventionell orientierten Produktbereichen. Auch wenn gerade diese Produkte in der Anfangsphase noch Startschwierigkeiten, wie z.B. Liefer- oder Qualitätsprobleme haben, sind sie doch der erste Schritt zu einer nachhaltigen Entwicklung auch in diesen schwierigen Märkten.“
Studie zu freiwilligen Nachhaltigkeitskooperationen
„Um bei der Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstandards in ihren komplexen, weitverzweigten und von zahllosen Akteuren gestalteten Produktionsketten nachhaltige Erfolge zu erzielen, müssen Unternehmen Marktkräfte bündeln,“ sagt Initiator Dr. Johannes Merck, Chief Corporate Responsibilty Officer and Advisor der Otto Group, die heute eine weltweit agierende Handels- und Dienstleistungsgruppe mit rund 52.000 Mitarbeitern in 30 wesentlichen Unternehmensgruppen und mehr als 30 Ländern Europas, Nord- und Südamerikas und Asiens ist. Als Beitrag zur Diskussion über die Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes hat die Otto Group in Zusammenarbeit mit dem Institut für Unternehmensführung und Organisation der Leibniz Universität Hannover eine wissenschaftliche Studie zu Strategien und Erfolgsfaktoren von Nachhaltigkeitskooperationen am Beispiel der Textilindustrie vorgelegt. „Die Studienergebnisse zeigen, dass nachhaltiges Wirtschaften dann erfolgreich ist, wenn einer mutig und entschlossen vorangeht“, betont Prof. Dr. Tobias Wollermann, Group Vice President Corporate Responsibility der Otto Group. Sie sollen interessierten Unternehmen als Reflexionshilfe dienen und sie dabei unterstützen, im Rahmen der jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategie den dazu passenden Kooperationstyp zu erkennen.
Weshalb wird das „Wie“ heute mehr hinterfragt als das „Ob“ nachhaltiger unternehmerischer Verantwortung?
Welche Vor- und Nachteile sind mit den verschieden freiwilligen Kooperationsformen verbunden?
Welche Kooperationsmodelle haben sich bewährt?
Was ist bei der Entscheidung und der Verbindung unterschiedlicher Akteure mit unterschiedlichsten Interessen zu beachten?
Wo sind die Grenzen der verschiedenen Kooperationstypen?
Was könnten passende Lösungsansätze sein?
Beleuchtet werden die Vor- und Nachteile der vier typischen Kooperationsformen im Nachhaltigkeitsbereich:
Entscheiderbündnisse
Strategische Nachhaltigkeitsallianzen
Sektorübergreifende Partnerschaften
Multi-Stakeholder-Initiativen.
Diese vier Typen unterscheiden sich hinsichtlich fünf zentraler Parameter: der Komplexität, des potentiell zu erreichenden Joint Value, der im Rahmen der Partnerschaft entstehenden Kosten, der zur Verfügung stehenden Kontrollmöglichkeiten sowie der Entscheidungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit innerhalb der Kooperation selbst. Anhand dieser Parameter wurde aus dem Partnerschaftsportfolio der Otto Group pro Typ je eine konkrete Kooperation ausgewählt, diese umfangreich untersucht und anschließend die verschiedenen Kooperationstypen einer vergleichenden Analyse unterzogen. Basis der Analyse bilden 43 qualitative Interviews mit Vertretern der an den jeweiligen Kooperationen beteiligten Organisationen, ergänzt durch Dokumentenanalyse und teilnehmende Beobachtungen.
Vorteile:
Je größer beispielsweise die Anzahl unterschiedlicher Partner in einer Kooperation, desto höher ist der Anteil an potenziell nutzbaren Ressourcen, Fähigkeiten und Ideen. Für ein gemeinsames Nachhaltigkeitsziel kann diese Komplementarität vorteilhaft sein, denn der gemeinsame Joint Value kann sehr groß werden.
Nachteile:
Die Abstimmungs-, Kommunikations- und Entscheidungsprozesse werden mit zunehmender Komplexität aufwendiger und langwieriger. Die hierbei entstehenden Kosten werden dabei häufig unterschätzt und nicht in eine finale Kosten-Nutzen-Betrachtung inkludiert.
Mit steigender Komplexität nehmen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten einzelner Unternehmen sowie die abnehmende Entscheidungsgeschwindigkeit innerhalb der Kooperation ab.
Was zu tun ist:
„Verantwortliche Manager sollten zunächst das für die eigene Organisation angestrebte Nachhaltigkeitsziel definieren und dann die zur Strategie passende Kooperationsform wählen“, rät Prof. Dr. Christiana Weber, Leiterin des Institut für Unternehmensführung und Organisation der Leibniz Universität Hannover und Autorin der Studie. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Lösungen für Probleme der eigenen Organisation oft außerhalb des eigenen Sektors zu finden sind. Sie zeigt auch, dass sich das Kooperieren über Sektoren hinweg erlernen lässt.“
Weiterführende Informationen:
Download Studie zu freiwilligen Nachhaltigkeits-Kooperationen
Nachhaltige Lieferketten: Was Unternehmen tun sollten
Verbinden statt sich winden: Warum wir starke Kooperationen brauchen
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.