Zusammenhalt und Zukunftsorientierung: Der Mittelstand im Lockdown
Frau Kästle, wie haben Sie im ersten und zweiten Lockdown als Geschäftsführerin Ihr Unternehmen stabilisiert? Welche Prioritäten haben Sie in dieser Zeit gesetzt, und wie haben Sie und die Belegschaft diese Ausnahmesituation gemeistert?
Stefanie Kästle: Entscheidend für uns war und ist der Schutz unserer Mitarbeitenden und die wirtschaftliche Sicherung des Unternehmens. Wir haben unser Hygienekonzept fortlaufend an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst. Ein Teil unserer Belegschaft hat in den Lockdown-Phasen im Homeoffice gearbeitet. Der andere Teil hat unter strengen hygienischen Vorkehrungen und rollierenden Arbeitszeiten weiterhin vor Ort gearbeitet.
Wir haben das Instrument der Kurzarbeit sehr flexibel dafür eingesetzt in den Bereichen, in denen ein Auftragseinbruch zu verzeichnen war, die Arbeitszeiten entsprechend zu reduzieren und so die finanzielle Belastung für das Unternehmen etwas abzumildern.
Bereits vor der Pandemie haben wir Wert auf eine offene Informationspolitik gelegt und die Belegschaft mindestens einmal monatlich über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens und andere relevanten Themen informiert. Das hat sich auch in dieser Krise als wichtiger Anker für alle Beteiligten erwiesen – wenn auch die Zahlen in den letzten Monaten oftmals nicht sehr erfreulich waren, war es doch wichtig, sich dem zu stellen und immer wieder Zusammenhalt und Zukunftsorientierung zu signalisieren.
Gleichzeitig war es uns wichtig, anzuerkennen, dass wir alle Ängste haben und Druck verspüren – ob in Kurzarbeit oder nicht. Immer wieder haben wir uns als Geschäftsleitung bewusst Zeit genommen, Danke zu sagen für das Engagement jedes und jeder Einzelnen.
Mit einem überarbeiteten Außenauftritt zeigt Ihr Unternehmen seit Anfang des Jahres ein „geschärftes“ Profil. Ist dies ein Ergebnis der Corona-Pandemie, oder war dies ohnehin in dieser Zeit geplant?
Stefanie Kästle: Nein, ganz im Gegenteil. Wir haben vielmehr „trotz Corona“ an der geplanten Überarbeitung des Außenauftritts festgehalten. Der Außenauftritt als sichtbarer Teil der Unternehmensstrategie ist ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zu unserer Unternehmensvision 2025. Die Realisierung der Vision wird das Unternehmen krisenfester und in Zukunft widerstandsfähiger machen. Davon sind wir überzeugt.
In Ihrer Pressemitteilung heißt es, dass der neue Außenauftritt der letzte Schliff für die interne Arbeit der letzten Monate war. Wie lange haben Sie daran gearbeitet, und welche Herausforderungen mussten bewältigt werden?
2019 haben wir unsere Unternehmensstrategie überarbeitet und unsere Vision für das Jahr 2025 formuliert. In dieser Vision spielen die „AirXperten“, damit sind alle Mitarbeitenden von Mader gemeint, eine wesentliche Rolle. Sie tragen dazu bei, dass der Druckluftprozess unserer Kunden als Ganzes perfekt aufgestellt ist – energieeffizient, wirtschaftlich und prozesssicher.
Intern haben wir dafür die Weichen gestellt in Form struktureller und organisatorischer Anpassungen. Außerdem haben wir das Change-Programm „Mader NEXT LEVEL – Agenda 2025“ aufgesetzt, das den Rahmen für die Weiterentwicklung des Unternehmens in Richtung unserer Vision 2025 bildet. Dennoch kam mit der Krise die Frage: Können und wollen wir uns in dieser Phase die Neugestaltung des Außenauftritts finanziell und erlauben? Wir haben intensiv diskutiert und uns schließlich für die Umsetzung entschieden.
Wir glauben an die Zukunft des Unternehmens und den eingeschlagenen Weg – das sollte auch nach außen sichtbar werden. Wir wollen jetzt die Weichen für die wirtschaftliche Erholung stellen und dank unseres engagierten Marketing-Teams und der Unterstützung aller Kolleginnen und Kollegen konnte dies trotz Kurzarbeit in 2020 realisiert werden. Seit Anfang 2021 ist dies mit unseren neuen Profil auch nach außen sichtbar.
Was sind die wichtigsten Charakteristiken des geschärften Unternehmensprofils?
Stefanie Kästle: Mit der neuen Positionierung wollen wir unseren Expertenstatus als „AirXperten“ stärken. Dies umfasst die ganzheitliche und herstellerunabhängige Betrachtung des gesamten Druckluftprozesses von der Drucklufterzeugung bis zur Druckluftanwendung. Unsere Kunden profitieren von den innovativen Lösungen, die sowohl wirtschaftlich und prozesssicher als auch hochgradig energieeffizient sind. Damit einhergeht auch unser erweitertes Angebot an Dienstleistungen und energieeffizienten Lösungen.
Welche Rolle spielen die Entwicklung und Realisierung individueller Kundenkonzepte in Ihrer Unternehmensphilosophie?
Stefanie Kästle: Eine ganz wesentliche. Nur wenn wir die Rahmenbedingungen und die Anforderungen des Kunden kennen, können wir gute Arbeit leisten. Gute Arbeit bedeutet für uns das „große Ganze“ beim Kunden zu betrachten und in die Lösung einzubeziehen. Folglich haben wir keine „Standardlösung“ im Gepäck, die wir jedem Kunden in der exakt gleichen Ausprägung empfehlen können. Unsere Kunden sind ja auch nicht exakt gleich.
Weshalb werden Dienstleistungen und digitale Angebote zukünftig auch im technischen Umfeld immer mehr an Bedeutung gewinnen?
Stefanie Kästle: Die Automatisierung in allen Bereichen schreitet voran und mit ihr steigen auch die Anforderungen an den Einzelnen. Ein Instandhalter in einem mittelständischen Unternehmen soll heute nicht nur die Maschinen am Laufen halten, er muss auch ein Verständnis für Querschnittstechnologien wie es die Druckluft ist, haben. Gleichzeitig geht der Trend zum CO2-neutralen Unternehmen, was auch ein Verständnis für die energetische Optimierung ganzer Prozesse erfordert.
Ähnlich geht es dem Konstrukteur – es reicht nicht mehr eine funktionierende Anlage zu planen; sie soll auch nachhaltig sein – und zwar in allen Belangen – Strom, Druckluft, Schmiermittel, Ressourcenverbrauch. Dabei soll sie auch noch bezahlbar bleiben. Gerade in diesem Spannungsverhältnis von steigender Komplexität und scheinbar widersprüchlichen Anforderungen des Marktes sehen wir eine Chance für Fachexperten. Es ist nicht möglich Experte für alles zu sein und jede Technologie allumfassend zu beherrschen. Wenn ich aber Partner an der Seite habe, die mich als Konstrukteur oder Instandhalter dabei unterstützen meine täglichen Herausforderungen zu meistern und ihre eigene Expertise zum Nutzen meines Kunden einbringen, dann ist das eine Win-Win-Situation.
Dass diese Unterstützung durchaus auch digitaler Art sein kann, hat uns die aktuelle Krise mehr als eindrucksvoll vor Augen geführt. Ich denke dabei an Remote Service, digitale Beratungsangebote und Softwareunterstützung für unsere Kunden.
Wie verläuft derzeit das schrittweise Hochfahren des Betriebes?
Stefanie Kästle: Wir versuchen eine gewissen „Normalität“ herzustellen und dennoch flexibel auf neue Rahmenbedingungen zu reagieren. So passen wir den Umfang der Kurzarbeit situativ an die Auftrags- und Auslastungslage an – und zwar für jeden Bereich, z.T. sogar individuell. Wir beobachten die wirtschaftliche Entwicklung und die Auslastung unserer Mitarbeitenden sehr genau und agieren entsprechend.
Was die Arbeit unter Pandemiebedingungen angeht, haben wir denke ich, einen guten Weg für uns gefunden. Ein fester Teil der Belegschaft arbeitet im Homeoffice, der Rest ist vor Ort – z.T. an anderen Arbeitsplätzen, um die Abstände einzuhalten. Dank digitaler Technik, Videokonferenzen etc. ist das zum Glück gut möglich.
Zudem haben wir ein umfangreiches Hygienekonzept eingeführt. Im Vergleich zum Beginn der Pandemie herrscht nun zumindest mehr Sicherheit darüber, welche Verhaltensweisen Ansteckungen vorbeugen. Abstand halten, Maske tragen, lüften, Händewaschen – das ist bei uns allen in „Fleisch und Blut“ übergegangen
Was lässt sich aus unserem Umgang mit der Corona-Pandemie für den Klimaschutz ableiten?
Stefanie Kästle: Die Pandemie hat gezeigt, wie viel möglich ist, wie stark jede/r Einzelne im Zweifel seine Gewohnheiten und Verhalten anpassen kann. Plötzlich fahren mehr Leute Fahrrad, das Bewusstsein für regionale Angebote steigt, Geschäftsreisen, die früher als unersetzlich galten, werden durch Videokonferenzen ersetzt. Das gibt Hoffnung, dass so etwas auch für die Klimakrise in größerem Umfang möglich ist.
Im Unterschied zur Pandemie, die uns überrascht und sprichwörtlich „überrollt“ hat, ist die Klimakrise etwas, mit dem wir zwar täglich konfrontiert sind. Doch die Bedrohung ist für jede/n Einzelnen weniger greifbar und damit auch weniger konkret beängstigend. Das macht eine so konsequente und vor allem langfristige Verhaltensänderung schwieriger.
Weshalb setzten Sie sich für erneuerbare Energien und gezieltes Energiesparen ein?
Stefanie Kästle: Es ist Teil unserer DNA. Nicht umsonst sind Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zentrale Elemente unserer Unternehmensmission. Gerade als KMU wollen wir vorangehen und zeigen, dass auch hier viel möglich und machbar ist. Und ja wir sind auch ein Unternehmen, das natürlich auch auf Gewinne angewiesen ist, um weiterbestehen zu können. Das eine schließt das andere aber nicht aus: Ökologische Lösungen sind zum großen Teil auch ökonomisch sinnvoll.
Warum ist ein Kulturwandel im Unternehmen wichtig?
Stefanie Kästle: Unternehmen werden mit sich drastisch verändernden Markt- und Rahmenbedingungen konfrontiert. Es ist nicht die Frage, ob sich die Welt grundlegend verändert, sondern wie wir damit umgehen. Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Resilienz sind entscheidende Zukunftsfaktoren. Die können wir nur gemeinsam und bewusst stärken, indem wir z.B. neue Formen der Zusammenarbeit erproben und lernen.
Wie sind Sie vorgegangen?
Stefanie Kästle: Um den Wandel aktiv zu gestalten und ihn mit den Mitarbeitenden zusammen voranzubringen, haben wir die Stabsstelle “Change Management” geschaffen. Hier laufen die Fäden der verschiedenen Initiativen im Rahmen unseres Change-Programms „Agenda 2025 - Mader NEXT LEVEL“ zusammen.
Frau Böhm, Sie sind bei Mader verantwortlich für Change Management. Wie gestaltet Ihr Unternehmen den aktuellen Kulturwandel?
Ulrike Böhm: Wir haben damit begonnen, die Unternehmensvision und Strategie für alle im Unternehmen transparent und greifbar zu machen – erstmals in einer Veranstaltung mit allen Mitarbeitenden, einen ganzen Tag lang. Im nächsten Schritt haben alle Bereiche im Unternehmen in einem moderierten Workshop für sich eine Vision entwickelt, wie sie dazu beitragen wollen, die Unternehmensvision zu realisieren und welche Meilensteine sie sich dafür setzen. Uns war es wichtig mit dieser Vorgehensweise deutlich zu machen, dass wir alle auf ein Ziel hinarbeiten und jeder und jede einen Beitrag leisten kann. Gleichzeitig haben wir den gemeinsamen, bereichsübergreifenden Fokus auf die Unternehmensziele gestärkt.
Diese ersten Schritte waren der Startpunkt für die „Agenda 2025“. Im Rahmen dieses Vorhabens möchten wir das Unternehmen in drei zentralen Punkten weiterentwickeln: Kundenzentrierung, Zusammenarbeit und Innovation. Dazu haben wir einerseits bereichsspezifische Projekte gestartet, andererseits soll es unternehmensweite Initiativen geben. Leider wurden wir durch die Pandemie und Kurzarbeit etwas ausgebremst und machen nun kleinere Schritte als ursprünglich vorgesehen.
Wie gelang dem Unternehmen eine reibungslose Umstellung aufs Homeoffice?
Ulrike Böhm: Unser Vorteil war, dass wir uns bereits Ende 2019 für die Einführung von Office 365 entschieden hatten und damit die technische Basis bereits größtenteils vorhanden war. Unseren ursprünglichen Plan, die digitalen Kollaborationstools wie „MS Teams“ in kleinen Schritten im Unternehmen einzuführen, haben wir sehr schnell revidiert, nachdem im März klar war, dass zumindest ein Teil der Belegschaft erst einmal mobil arbeiten wird. Eine kurze Einführung in „Videokonferenz- und Chatfunktion“ war das Einzige, was wir noch schnell auf die Beine gestellt haben. Später haben wir dann weiterführende Kurzschulungen angeboten und mit einem Key-User-Team die Anwender bei der Nutzung der neuen Tools unterstützt.
Man muss aber dazu sagen, dass bereits vorher einige Kolleginnen und Kollegen mobil gearbeitet haben, so dass die Grundfunktionen, wie der Zugriff auf das Unternehmensnetzwerk von unterwegs, bereits vorhanden waren.
Wurde das gesamte Equipment durch den Arbeitgeber bereitgestellt?
Ulrike Böhm: Ja. Größtenteils war es bereits vorhanden oder wurde von der IT neu angeschafft. Teilweise haben wir auch Bildschirme, Tastatur u.ä. vom Arbeitsplatz im Unternehmen ins Homeoffice mitgenommen.
Welche positiven und negativen Erfahrungen haben Sie während der Zeit im Homeoffice gemacht?
Ulrike Böhm: Ich persönlich habe bereits vor Corona regelmäßig aus dem Homeoffice gearbeitet. Die neuen digitalen Tools haben aber auch für mich eine spürbare Arbeitserleichterung gebracht und die Möglichkeiten der Kommunikation auch von zu Hause aus erweitert. Andere Kolleginnen und Kollegen haben berichtet, dass ihnen die Umstellung schwergefallen ist – insbesondere durch die Isolation zu Hause und den fehlenden persönlichen Kontakt. Für die Führungskräfte, die überwiegend im Homeoffice waren, war es ebenfalls eine neue Erfahrung, nicht vor Ort beim eigenen Team zu sein. Manche haben das als „Kontrollverlust“ empfunden und haben eine Weile gebraucht, neue Strategien für sich entwickeln. Gerade für die Führungskräfte war die „gezwungene“ Homeoffice-Situation mit Aha-Momenten verbunden. Wo funktioniert Führung ohne Anwesenheit und „Command & Control“ und wo nicht? Diese Erfahrungswerte werden dabei helfen eine neue Führungskultur zu etablieren, die entscheidend ist, um mehr Verantwortungsübernahme einerseits und erweiterte Gestaltungs- und Freiräume andererseits bis hin zur Selbstorganisation der Mitarbeitenden zu fördern.
Wird es auch nach der Corona-Pandemie weiterhin Homeoffice bei Ihnen geben?
Ulrike Böhm: Da das Angebot bereits vor der Pandemie im Unternehmen bestand, denke ich, dass das auch weiterhin der Fall sein wird. Gerade für Kolleginnen und Kollegen mit längeren Arbeitswegen können einzelne Homeoffice-Tage das Stresslevel durch die Anfahrt reduzieren. Entscheidend wird sein, ob Investitionen in eine flexible Infrastruktur getätigt werden, beispielsweise mehr Laptops an Arbeitsplätzen, und ob die Mitarbeitenden den Mehrwert in diesem Angebot sehen und danach fragen.
Weiterführende Informationen:
OFFICE PIONEERS: Ausblicke auf das Büro 2030. Visionen. Chancen. Herausforderungen. Hg. von Robert Nehring. 2. Auflage, Berlin 2021.
Ulrike Böhm: Ein Mittelständler digitalisiert sich – Von Erfolgen, Hürden und Nachhaltigkeit. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2019.
Stefanie Kästle und Werner Landhäußer: Druckluft 4.0 goes green: Herausforderungen, Chancen und innovative Lösungen am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.