„Kündigung? – Für Berufserfahrene und Führungskräfte kein Grund zur Panik“, lese ich in der Pressemitteilung zur aktuellen „Talents & Trends“-Studie der Outplacement-Beratung von Rundstedt. Die statistische Auswertung der Befragung sich offensichtlich mehrheitlich in Sicherheit wiegender Angestellter mag diese Interpretation zulassen – die emotionale Wirklichkeit der Menschen, die ihre Kündigung gerade oder in den kommenden Wochen tatsächlich in Händen halten, ist jedoch eine völlig andere.
Denn egal wer mir im Coaching nach einer Kündigung durch seinen Arbeitgeber gegenübersitzt, sie alle plagen Zukunftsängste, Selbstzweifel und die Ohnmacht, fremdbestimmt Opfer einer Entscheidung geworden zu sein. So rosig der Arbeitsmarkt noch zu sein scheint und so gelassen die in der Studie befragten Berufserfahrenen und Führungskräfte trotz Digitalisierung und abflauender Konjunktur auf ihre Jobs blicken, so schwer trifft es diejenigen, die in den vergangenen Wochen erfahren haben, dass ihre Tage etwa bei Ford, der Deutschen Bank, Nissan, MediaMarktSaturn, Tui, BASF oder Tengelmann gezählt sind.
Gekündigt! Für die meisten Menschen bricht eine Welt zusammen
Es ist die 55-jährige, erfolgsverwöhnte Marketingleiterin, die mir trotz einem halben Jahr Freistellung und großzügiger Abfindung panisch gegenübersitzt, weil sie bei jeder Bewerbung schmerzhaft zu spüren bekommt, dass ihre Branche heute mehr auf Digital Natives als auf Führungspersönlichkeiten steht.
Es ist der junge Berufseinsteiger, der mich nach einer Kündigung innerhalb der Probezeit mit Tränen in den Augen fragt, ob er mit diesem verschandelten Lebenslauf jemals noch eine Chance auf einen vernünftigen Job haben wird. Es ist der Mitarbeiter aus der Gehaltsabrechnung, dessen Arbeit nun ein Dienstleister in Osteuropa erledigt und der sich zutiefst für seine betriebsbedingte Kündigung schämt.
Es ist der Vertriebler, der Tag für Tag sein Haus verlässt und die Zeit im Café am anderen Ende der Stadt verbringt, weil er es nicht schafft, seiner Familie von der Kündigung zu erzählen, und Angst hat, die spießigen Nachbarn könnten bemerken, dass er arbeitslos ist.
Wut, Angst und Trauer dürfen nach einer Kündigung sein
„Kündigung – was soll’s? Kein Grund zur Panik!“ kommt niemandem in dieser Situation über die Lippen. Und ich bezweifle, dass selbst Menschen in sicheren Arbeitsverhältnissen so fühlen, wenn sie sich gedanklich in die Lage nach einer Kündigung hineinversetzen. Laut Studie ist die Angst der Befragten am größten, nach einem Jobverlust weniger zu verdienen oder in eine andere Stadt ziehen zu müssen. Auch dies können nur die Antworten von Menschen sein, die sich weit entfernt von einer Kündigung wissen.
Denn die reale Angst, Verzweiflung und Scham nach einem Jobverlust sieht völlig anders aus. Es sind Selbstvorwürfe, nicht schon früher aus eigenem Antrieb gehandelt zu haben, oder die Wut auf das Management, den schnellen Profit über Nachhaltigkeit zu stellen. Es sind finanzielle Ängste, die Familie nicht ernähren oder den Hauskredit nicht weiter bedienen zu können. Zukunftsängste, wie schnell es wirklich mit einem neuen Job funktioniert, und die traumatische Unsicherheit, ob sich die Geschichte nicht schon beim nächsten Arbeitgeber wiederholen wird. Viele Betroffene spüren eine Scham, versagt zu haben und nicht mehr gut genug zu sein. Ein Knacks für ihr Selbstbewusstsein, auch wenn sie nicht die goldenen Löffel gestohlen und – wie bei jeder betriebsbedingten Kündigung – keinen Anteil an der Entscheidung hatten.
All diese Gefühle dürfen sein, wie irrational sie für Dritte auch erscheinen mögen. Sie gehören dazu und sind notwendig, um eine Kündigung nicht nur gesund zu verdauen, sondern umso gestärkter aus ihr hervorzugehen. Es ist wichtig, den anfänglichen Schock zu verarbeiten, die veränderte Situation mit der Zeit zu verstehen und irgendwann auch zu akzeptieren. Denn erst dann ist die Arbeit an Neuem wieder möglich, ohne sich als frustriertes Opfer jammernd im Gedankenkarussell um sich selbst zu drehen.
Oft kommen Klienten kurz nach einer Kündigung zu mir, um zügig an ihrer Neuorientierung oder Bewerbung zu arbeiten. Ich erkläre ihnen, dass sie sich zuerst die Zeit nehmen sollten, die sie benötigen, bis sie Abschied vom alten Job und den Kollegen genommen haben und bereit dafür sind, mit neuer Kraft und voller Neugierde an ihrer beruflichen Zukunft zu arbeiten. Nur hier macht „Keine Panik!“ Sinn, um mit vollem Bewusstsein Entscheidungen zu treffen.
Arbeitgeber dürfen den Menschen hinter einer Kündigung nicht vergessen
Auch wenn Erhebungen wie die aktuelle Studie der Beratung von Rundstedt Signale aussenden, Berufserfahrene und Führungskräfte stünden einem Jobverlust im momentanen Arbeitsmarkt gelassen und selbstbewusst gegenüber, kann und darf dies keine Botschaft an Arbeitgeber sein, die Menschen hinter einer Kündigung zu vergessen. Die soziale Verantwortung eines Arbeitgebers erlischt nicht mit der Zustellung eines Kündigungsschreibens.
Ich teile die Ansicht des Von-Rundstedt-Managers Christian Summa, der in einem Klartext kritisiert, dass Unternehmen oft zu schnell zum Mittel der Kündigung greifen, anstatt alternative Einsatzmöglichkeiten von Mitarbeitern im Unternehmen oder Konzernverbund zu prüfen. Wer einerseits einen Fachkräftemangel und eine zu lange Dauer bei der Besetzung offener Stellen beklagt, der sollte bei Massenentlassungen nicht nur Personalnummern von Listen streichen, sondern muss sich mit den Menschen dahinter und ihren Kompetenzen beschäftigen.
Sicherlich gibt es Situationen, in denen Entlassungen im großen Stil für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens unumgänglich sind. Dann ist häufig von „sozialverträglichem“ Stellenabbau die Rede, und es werden großzügig Abfindungen sowie Budgets für Outplacement-Programme ausgeschüttet. Doch Geld allein macht auch bei einer Kündigung nicht glücklich. Echte Klarheit, eine wertschätzende Haltung sowie Kommunikation auf Augenhöhe machen einen guten Trennungsprozess aus. Dies zahlt in Zeiten von Bewertungsportalen nicht nur auf den guten Ruf eines Arbeitgebers ein, sondern ist insbesondere für jeden Menschen wichtig, um einen Jobverlust gesund zu verarbeiten und selbst wieder in eine gute neue berufliche Zukunft zu finden.
Debattieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser! Machen Sie sich Sorgen, dass Sie entlassen werden könnten? Haben Sie so eine Situation schon einmal erlebt? Wir freuen uns auf eine spannende Debatte!
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