7 Gründe, warum Eltern nicht die besten Ratgeber bei der Berufswahl sind, und was Du stattdessen beachten solltest!
Läuftst Du Gefahr, wie im Autopiloten den Berufswünschen Deiner Eltern zu folgen? Eine gesunde Portion Abgrenzung, Mut zum Hinterfragen und Eigenverantwortung sind sinnvoll, wenn Du am Ende voll und ganz hinter Deiner beruflichen Entscheidung stehen willst.
Bei „Frag die Insider!“ helfen von XING ausgewählte Expertinnen und Experten Dir dabei, praxisnahe Lösungen zu finden, die zu Dir passen – dieses Mal: Ragnhild Struss. Die Insiderin ist Gründerin der Karriereberatung Struss & Claussen Personal Development. Als Executive-Coach, Buchautorin, Podcasterin und Speakerin hilft sie Menschen dabei, sich im Kern zu verstehen und beruflich sowie persönlich zu wachsen.
Meine Eltern haben genaue Vorstellungen davon, was der beste Job für mich ist. Sie meinen es gut und haben oft recht – wie stark sollte ich mich von ihrer Meinung beeinflussen lassen?Kian, 21
Lieber Kian,
Aussagen von Eltern wie „Du wirst bestimmt mal Anwältin!“, „Ich hätte damals so gern Architektur studiert“ oder „Wenn du mal Geld verdienen willst, musst du was Naturwissenschaftliches machen, da kommt was Kreatives nicht infrage“ können einen erheblichen Einfluss auf unsere eigenen beruflichen Entscheidungen nehmen. Manchmal bewusst, oft aber unbewusst leiten die Überzeugungen, Aufträge oder Erwartungen – zumindest die, von denen wir denken, dass unsere Eltern sie haben – unsere Jobwahl.
Um nicht im Autopiloten die „geheimen Berufswünsche“ der Eltern zu verfolgen, kann es hilfreich sein, sich offen mit ihnen über unterschiedliche Vorstellungen auszutauschen. Denn letztendlich handelt es sich bei der Wahl des Studien-, Ausbildungs- oder Karriereweges um eine sehr individuelle Entscheidung, die man unbedingt eigenständig treffen sollte.
Bestenfalls können die Ideen der Eltern mit in die Berufswahl einfließen – als Inspiration oder Vorbild, positiv wie negativ. Aber eine gesunde Portion Abgrenzung, Mut zum Hinterfragen und Eigenverantwortung sind sinnvoll, wenn du am Ende voll und ganz hinter deiner beruflichen Entscheidung stehen willst. Fest steht: Es gibt für alle den richtigen Platz. Den Weg dorthin muss jeder selbst gehen.
Im Folgenden erfährst du, wieso es aus meiner Sicht oft nicht sinnvoll ist, den Job zu machen, den deine Eltern für dich wollen, und wieso du die Wünsche deiner Eltern ruhig auch kritisch beleuchten darfst:
❗️7 Gründe, warum Eltern nicht die besten Ratgeber in Sachen Berufswahl sind:
Hinter den Berufswünschen von Eltern für ihre heranwachsenden Kinder stecken meist gute Absichten. Sie wollen für ihr Kind nur das Beste: eine solide Ausbildung, einen vernünftigen Beruf und unterm Strich eine sichere und damit glückliche Zukunft. Dass der Nachwuchs es „mal besser haben soll“ als sie selbst oder aber dass er mindestens ebenso erfolgreich wird. Leider legen sie dabei gelegentlich ihre eigenen Werte und Vorstellungen zugrunde und fragen gar nicht, ob diese Wünsche auch denen des Kindes entsprechen.
Häufig schließen wir von uns selbst auf andere, das heißt, Eltern übertragen auch eigene Ziele und Träume – auch die nicht gelebten – auf ihre Kinder. Das Problem dabei: Vielleicht war Zahnmedizin für die Mutter das absolut passende Studium, und sie ist in ihrem Job als Zahnärztin vollkommen erfüllt, weshalb sie davon ausgeht, dass ihr Sohn ebenso glücklich damit werden wird. Dieser hat jedoch ganz andere Interessen und Fähigkeiten und würde dieselbe Erfüllung in einem ganz anderen Berufsfeld finden.
Eltern halten häufig an alten und möglicherweise veralteten Bildern ihrer Kinder fest und schreiben ihnen entsprechende Kompetenzen zu oder erteilen „passende“ berufliche Aufträge. Es fällt ihnen schwer, deren Entwicklung objektiv zu beurteilen. Nur weil der Sohn als Kind gut darin war, die Familienrunde zu unterhalten und gerne im Mittelpunkt stand, muss aus ihm noch kein Entertainer für die große Bühne werden. Und selbst wenn die Tochter in der Schule keine besondere Vorliebe für Mathe hatte, bedeutet das nicht automatisch, dass es ihr an der Fähigkeit zum analytischen Denken mangelt. Ein Blick von außen kann helfen, die eigenen Kinder aus einer anderen Perspektive zu sehen und zu erkennen, was wirklich in ihnen steckt.
Viele Eltern hegen den Wunsch, ein Unternehmen innerhalb der Familie weiterzuführen, die Kanzlei an die Tochter zu übergeben oder den Sohn in die eigenen beruflichen Fußstapfen treten zu sehen. Dieses Bedürfnis ist nachvollziehbar, schließlich hat man selbst bereits viel Zeit, Energie und Kapital investiert und möchte, dass die geschaffenen Werte erhalten und weitergetragen werden. Solch ein Weg kann auch eine tolle Chance sein – sofern die Nachfolge freiwillig erfolgt. Leider spielen hier jedoch häufig familiäre Verpflichtungen, falsche Loyalitäten und limitierende Glaubenssätze eine Rolle, wie zum Beispiel: „Ich will die Eltern nicht enttäuschen“; „Der Beruf hat Tradition in der Familie“; „Es ist doch meine Pflicht als Sohn, das Unternehmen weiterzuführen“. Dabei sollten alle Beteiligten bedenken: Wenn die Übernahme aus reinem Pflichtgefühl erfolgt, wird dieser Weg am Ende weder dem unfreiwilligen Nachfolger noch dem Erfolg des Unternehmens dienlich sein.
Eltern sind keine professionellen Berufsberater mit entsprechenden Marktkenntnissen. Innerhalb der letzten 20 bis 30 Jahre hat sich der Arbeitsmarkt extrem gewandelt, das bedeutet, Eltern können gar nicht wissen, welche Möglichkeiten sich jungen Menschen heute bieten. Das Angebot an internationalen Studiengängen hat sich durch Bachelor- und Masterabschlüsse vervielfacht, allein durch die Digitalisierung gibt es etliche neue Berufsfelder, es entstehen komplett neue Branchen und somit unzählbare Optionen an Ausbildungs- und Studienfächern. Das Angebot ist für Einzelpersonen kaum zu überblicken und führt sowohl bei Eltern als auch bei Schüler*innen und Absolvent*innen zu großer Verunsicherung. Auch aus dieser Verunsicherung und mangelndem Wissen heraus, raten Eltern ihren Kindern häufig zu Berufen, die sie am besten kennen.
Kinder, auch erwachsene, wollen von ihren Eltern geliebt und anerkannt werden. Gerade deswegen fällt es vielen schwer, sich gegen die Wünsche der Eltern zu stellen und ihre Erwartungen – vermeintlich – zu enttäuschen. Doch genau das ist nötig, wenn die eigenen Überzeugungen von denen der Eltern abweichen. Du kannst entweder weiterhin versuchen, es deinen Eltern recht zu machen und dich ihren Wünschen anpassen – oder du wirst erwachsen und nimmst dein Leben selbst in die Hand, was bedeutet: Du allein entscheidest, wie dein beruflicher Weg aussehen soll.
Angenommen, du wirst – wie von deinen Eltern gewünscht, allerdings ohne selbst überzeugt davon zu sein – Anwalt, Apothekerin, Lehrer: Sofern deine Eltern im selben Beruf tätig sind, wirst du dich einerseits gut mit ihnen über die Arbeit austauschen können, anderseits steigt so die Wahrscheinlichkeit, dass sie mitreden und aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen auch den ein oder anderen Tipp für dich bereithalten werden. Dein Weg wird automatisch mit dem deiner Eltern verglichen, das gilt besonders, wenn ihr in derselben Branche oder einem ähnlichen Beruf tätig seid. Das kann Vorteile haben, sich jedoch auch hemmend auf deine eigenen Entscheidungen auswirken und möglicherweise deine Entwicklung bremsen, weil sie durch den Weg deiner Eltern schon vorgezeichnet scheint.
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⭐️ 3 Tipps, wie Eltern ihr Kind bei der Jobwahl unterstützen können:
Lassen Sie Ihr Kind seine eigenen Erfahrungen machen und aus ihnen lernen. Ihr Sohn träumt davon, Tätowierer zu werden? Unterstützen Sie ihn bei der Praktikumssuche und lassen Sie ihn in den Berufsalltag reinschnuppern und selbst herausfinden, ob das der richtige Job für ihn ist. Ihre Tochter träumt davon, Pferdewirtin zu werden? Lassen Sie sie erzählen, welche Vorstellungen sie von dieser Arbeit hat und was sie daran so fasziniert. Lernen Sie, sich auf die Person einzulassen, zu der ihr Kind geworden ist.
Begleiten Sie Ihr Kind dabei, seine eigenen Fähigkeiten, Stärken und Talente zu entdecken. Helfen Sie ihm, sein Potenzial zu entfalten und herauszufinden, welches die für das Kind beste Berufswahl sein kann. Lassen Sie sich dabei gemeinsam von Experten begleiten, z. B. von einer professionellen Studien- und Ausbildungsberatung, die sich auf Persönlichkeits- und Potenzialanalyse spezialisiert hat oder von den Berufsberatungsangeboten der IHK oder der Agentur für Arbeit.
Niemand wird erfolgreich, oder wenn doch, zumindest nicht langfristig zufrieden werden, wenn er gegen die eigenen Überzeugungen handelt. Wer tut, was er gleichzeitig liebt und gut kann, wird damit – davon bin ich überzeugt – einen guten Job finden. Daher unterstützen Sie als Eltern Ihre heranwachsenden Kinder am besten, indem Sie ihnen dazu verhelfen, eine Entscheidung zu treffen, die wirklich der Persönlichkeit Ihres Kindes entspricht.
💡Fazit
🤝 Ob Ausbildung oder Studium oder beides in Form eines Dualen Studiums oder die Ergänzung durch Weiterbildungen – die Möglichkeiten, den Weg ins Berufsleben individuell zu gestalten, waren nie größer als heute. Und damit auch noch nie so schwer zu überblicken. Aber – und das ist die gute Nachricht – ein einmal eingeschlagener Weg ist nicht in Stein gemeißelt, sondern kann im Laufe der Karriereentwicklung individuell (um)gestaltet werden. Das nimmt insgesamt Druck aus der Entscheidung.
✌️ Dich den Wünschen deiner Eltern anzuschließen, klingt auf den ersten Blick verlockend: Vermutlich ersparst du dir anstrengende Diskussionen und zudem noch die Mühe, dir selbst Gedanken über deine Berufswahl machen zu müssen. Eigentlich also ganz bequem, den Weg zu gehen, den die Eltern für dich im Sinn haben. Wenn du am Ende unzufrieden bist mit der Wahl, kannst du immer sagen: „Ihr wolltet ja, dass ich das mache!“ Du kannst somit die Verantwortung für dein Handeln bequem an deine Eltern abgeben. Doch genau hier liegt das große Missverständnis. Denn erwachsen sein bedeutet vor allem, selbst Verantwortung zu übernehmen und eigene Entscheidungen zu treffen – ob sie nun den Eltern gefallen oder nicht. Schließlich bist du diejenige, die den Job am Ende machen muss, daher ist es wichtiger, dass er wirklich zu dir passt, als dass er deinen Eltern gefällt.
🫶 Wenn du am Ende selbst zu der Entscheidung kommst, in die Fußstapfen deiner Mutter treten und Architektur studieren zu wollen oder wie dein Vater eine Ausbildung zum Produktionstechnologen absolvieren zu wollen, spricht absolut gar nichts dagegen, diesen Weg zu gehen. Hauptsache, du hast ihn selbst gewählt. Oder, um Paul Watzlawick zu zitieren: „Reife ist die Fähigkeit, das Rechte auch dann zu tun, wenn es die Eltern empfohlen haben.“
Was hilft Dir am ehesten dabei, Deinen Weg zu gehen und Deine Talente auszuprobieren?
Ich wünsche Dir viel Erfolg dabei, den für Dich besten und passenden Job zu finden, Kian!
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