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Arbeitsalltag unter Corona – Remote Work belastet die Psyche

Stell Dir vor, es herrscht eine Pandemie und Du musst trotzdem täglich Leistung bringen. So geht es Millionen von Angestellten und Selbstständigen, die seit Frühjahr vorwiegend von Zuhause arbeiten. Immer mehr Studien zeigen: Die neue Einsamkeit am Küchentisch ist für viele eine mentale Herausforderung.

Eines vorweg: Alle Menschen, die im vergangenen März ihren Rechner einpackten und seither von Zuhause arbeiten, haben ein ganz großes Privileg. Sie können ihre „Arbeit mitnehmen“ und diese von einem sicheren Ort aus erledigen und reduzieren damit das Risiko einer Ansteckung.

Darüber hinaus gibt es weitere Vorteile, die remote Arbeitende gerade genießen. Arbeitswege fallen weg und bringen zusätzliche Zeit. Der Tag kann oft flexibler gestaltet werden als ein klassischer Büro-Arbeitstag und bringt so mehr Freiheiten. Womöglich werden sogar Kosten für das ÖPNV-Ticket oder Benzin gespart. Dennoch zeigen immer mehr Umfragen und Studien, dass das Stresslevel im Job in diesem Jahr enorm gestiegen ist. Woran liegt’s?

Viele Menschen leiden unter den gesellschaftlichen Folgen von COVID-19

„2020 war das stressigste Jahr überhaupt“, heißt es in einer Studie des Tech-Konzerns Oracle. Die US-Firma hat sich mit dem Institut Workplace Intelligence zusammengetan und mehr als 12.000 Arbeitskräfte, HR-Experten und Manager in elf Ländern zum Spannungsverhältnis zwischen mentaler Gesundheit und Arbeitsleben unter Corona befragt.

78% der Teilnehmenden gaben an, dass ihre Psyche unter der Pandemie gelitten habe. Besonders schwer trifft es jene, die von Zuhause arbeiten, sich den Raum zuhause aber mit ebenfalls arbeitenden Mitmenschen und/oder Kinder im schulpflichtigen Alter teilen.

Der Bedarf stieg, die Versorgung bröckelte

Da sind zum einen die Menschen, die schon vorher an Depressionen, Angststörungen oder verwandten seelischen Belastungen litten. Ihre Symptome haben sich durch die Pandemie und die damit verbundenen Unsicherheiten in vielen Fällen verstärkt.

Gleichzeitig, so zeigt eine Untersuchung der WHO, kam es durch Lockdowns und nötige Hygienevorschriften weltweit zu Problemen in der flächendeckenden Versorgung von Patienten. „Die globalen Daten zeigen die verheerenden Effekte, die COVID-19 auf den Zugang zu Serviceangeboten für mentale Gesundheit hat“, schreibt die Organisation auf seiner Website.

Pandemien verursachen gesellschaftlichen Stress

Aber es trifft eben auch die vermeintlich Gesunden. Angst vor einer Infektion, ökonomische und berufliche Unsicherheit, Sorgen über die gesellschaftliche Entwicklung bei gleichzeitigem Einbrechen der sozialen Kontakte – das wurde für viele zur psychischen Belastung.

„So konnte bereits in der Vergangenheit gezeigt werden, dass Epidemien (und mehr noch Pandemien) dazu führen, dass die gesamte Bevölkerung ein signifikant erhöhtes Niveau an Stress erlebt“, schreibt das Ärzteblatt auf seiner Website.

Wo hört Arbeit auf, wo fängt Privatleben an?

Hinzu kommen jene Stressoren, die speziell im Zusammenhang mit Remote Work auftreten. Die Befragten der Oracle-Studie nannten vor allem die fehlende Trennung zwischen Arbeit- und Privatleben, fehlende Rückzugsmöglichkeiten und Performance-Druck als die drei Hauptursachen. Mehr als ein Drittel gibt an, seit Corona sogar deutlich mehr zu arbeiten.

Auch wenn Corona in vielen Branchen durchaus als Beschleuniger von Remote Work fungierte und damit so manche firmeninterne Diskussion über zeitgemäßes Arbeiten abgekürzt haben dürfte: Die Wenigsten verfügen zuhause über einen vollumfänglichen Arbeitsplatz.

Zusätzlich belastend sind die enormen Einschränkungen im Privatleben. Viele Aktivitäten, die üblicherweise als Ausgleich dienten, fallen weg. Andere werden ins Digitale verlagert. Das führt wiederum dazu, dass weitere Stunden vor dem Laptop verbraucht werden. „Zoom Fatigue“ macht sich breit.

Über mentale Probleme wird nicht gern gesprochen

Die neue Arbeitsrealität birgt eben auch neue Herausforderungen. Hier sind Politik, Arbeitgeber und Führungskräfte gefragt. Es gilt, mentale Gesundheit zu entstigmatisieren und betriebliche Gesundheitsförderung zu modernisieren.

Denn auch das zeigt die Oracle-Studie in deutlichen Zahlen: Im Arbeitskontext über Stress und Belastungen zu sprechen, kostet Überwindung. Statt den Vorgesetzten ins Vertrauen zu ziehen, würden viele lieber Künstliche Intelligenz zu Rate ziehen. 82% der Befragten glauben, Roboter können ihnen schneller bei mentalen Krisen helfen als Menschen. Die Gründe: KI ist unvoreingenommen, urteilt nicht und bietet schnelle Antworten.

Diese Tipps helfen durch die Corona-Krise

Es gibt einfache und effektive Maßnahmen, die jeder Arbeitnehmende selbst anwenden kann, um das eigene Wohlbefinden im Home Office zu fördern. Hier kommen 10 Tipps:

  1. Normalisiere Gefühlsschwankungen. Wer seine Emotionen zulässt, ohne darüber zu urteilen, gibt sich selbst Raum. Journaling, also Tagebuchschreiben, kann helfen, die eigenen Gefühle bewusster wahrzunehmen.

  2. Suche Kontakt, wenn es Dir nicht gut geht. Freunde, Familie, ein Coach, ein Kollege – tausche Dich mit Menschen aus, denen Du vertraust. Das kann gleichzeitig das Gefühl der Isolation vermindern. Soziale Kontakte tragen wesentlich zur Gesundheit bei und können Stress reduzieren.

  3. Achte auf einen gesunden Lebensstil. Mehr denn je ist es derzeit von Bedeutung, dass Du Dich ausreichend bewegst, gesund ernährst und ausreichend schläfst.

  4. Versuche, Arbeits- und Lebensbereich zu trennen, auch wenn du keinen eigenen Raum zum Arbeiten hast. Räume Deine Arbeitsutensilien abends weg. Ein Ritual zum Start in den Feierabend kann helfen, den Übergang in die private Zeit zu markieren.

  5. Bei aller Flexibilität: Ein fester Tagesrhythmus hilft und bringt Struktur in den Alltag.

  6. Baue regelmäßige und bewusste Pausen ein.

  7. Vermeide, Deine Gefühle mit Alkohol, Zigaretten oder anderen Drogen zu betäuben. Auch hier gilt: Mit vertrauten Personen sprechen und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

  8. Bewusster Medienkonsum. Limitiere die Zeit, die Du mit aufwühlender Medienberichterstattung verbringst, um Dich nicht zusätzlich zu belasten.

  9. Verbringe nicht Deine gesamte Freizeit vor einem Screen oder Bildschirm.

  10. Suche Dir einen Ausgleich und lasse analoge Leidenschaften wiederaufleben. Womöglich gibt es Tätigkeiten, die Dir schon früher durch stressige Phasen geholfen haben.

Quellen:

https://www.who.int/news/item/05-10-2020-covid-19-disrupting-mental-health-services-in-most-countries-who-survey

https://www.oracle.com/a/ocom/docs/applications/hcm/2020-hcm-ai-at-work-study.pdf

https://www.welt.de/gesundheit/article219114696/Coronavirus-Die-psychischen-Folgen-treffen-alle-auch-die-Gesunden.html

https://platform.projecttogether.org/initiatives?cohort=wirvsvirus&operating_state=active

https://www.forbes.com/sites/chriswestfall/2020/10/08/mental-health-leadership-survey-reveals-80-of-remote-workers-would-quit-their-jobs-for-this/

https://www.aerzteblatt.de/archiv/213283/COVID-19-Pandemie-Psychische-Belastungen-koennen-reduziert-werden

NWX – New Work News schreibt über Alles zur Zukunft der Arbeit

Alles zur Zukunft der Arbeit: Auf dieser News-Seite finden alle New Work-Interessierten multimedialen Content rund um das Thema. Neben Experten-Interviews, Debatten, Studien, Tipps und Best Practices, erwarten die Leser auch Video- und Podcastformate. Und natürlich ein Überblick unserer gesamten New Work Events, die mehrmals im Jahr im gesamten deutschsprachigen Raum stattfinden. Weitere spannende Inhalte zum Thema New Work finden Sie auf: nwx.new-work.se

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