Co-Working-Konzept "KreativTankstelle": Einmal Kaffee mit Coworking, bitte!
Zusammen arbeiten: Dazu braucht es mehr, als einen Schreibtischplatz in einem Coworkingspace anzumieten, meint Ronny Lessau. In seiner KreativTankstelle in Erfurt bringt er Menschen dazu, gemeinsam kreative Ideen zu entwickeln. Beim Kaffeetrinken und beim Kochen. Und das Arbeiten passiert ganz nebenbei.
Arbeiten, Kaffeetrinken – gibt’s da einen Unterschied?
Die Fassade der Veilchenstraße 32 erinnert an ein Schaufenster. Bodenhohe Fenster rundherum. Freier Blick ins Innere. Und was gibt’s hier zu sehen? Retro-Stühle und Tische, von denen keiner dem anderen gleicht, als Kontrast ein modern-nüchterner, modular nutzbarer Holztresen. Und Bilder in verschiedensten Stilrichtungen an den Wänden. Irgendwie ein bisschen von allem. Und genau das ist die Idee dahinter.
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Hier ist die „KreativTankstelle“ beheimatet. Ein Name der so so viele umfasst wie das Angebot. Denn der Tankstellen-Gründer Ronny Lessau will sein Konzept in keine Schublade quetschen lassen. Er sagt: „Ich wollte einen kreativen Ort schaffen, an dem man seinen Schreibtisch hat, zum Denken, zum Netzwerken, zum Austausch.“ Und so schuf er eigentlich gleich mehrere Orte in einem.
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Kaffee trinken, Start-ups gründen
Als erstes ist die KreativTankstelle ein Café. „40 Prozent meiner Kunden sind Studenten, die hier einen Kaffee trinken“, sagt Lessau. Aber er belässt es nicht beim Konsumieren. Denn Lessau bietet seinen Gästen einen Ort der Möglichkeiten, mit Raum für die Umsetzung von Ideen und Trends. Und damit einen Übergang zu einem weiteren Angebot.
Denn die KreativTankstelle ist auch eine Art Beratungszentrum für Startups. Lessau hat langjährige Erfahrungen in der Berliner Event Szene sammeln können und war über drei Jahre Betreiber des Erfurter WirGartens – einer Mischung aus Festivalort und Freiluftkneipe – einiges Wissen in Sachen Organisation und Selbstständigkeit angehäuft. Und er teilt es gern. „Jeder kann hier reinkommen und seine Idee auf den Tisch packen“, sagt Lessau „gemeinsam entwickeln wir etwas daraus, und im besten Fall wird daraus ein Business-Case.“ Was lag da näher, als einmal die die beiden Aspekte – Café und Gründungsberatung – miteinander zu kombinieren. In der Aktion: „Gründe Dein Café!“
Wer sich dazu berufen fühlte, konnte hinter dem Tresen der KreativTankstelle vier Wochen lang seine Praxistauglichkeit testen, Einkauf und Buchhaltung inklusive. Dem Aufruf folgten unter anderem eine Goldschmiedin, die ihre Verkaufsräume mit einem Café kombinieren wollte und ein Unternehmensberater, der die Praxis kennenlernen wollte, um selbst besser Gründer beraten zu können. Die Aktion fand im vergangenen Sommer vier Wochen lang statt und soll im kommenden Jahr ihre Wiederholung finden. Durch die zusätzliche Aufmerksamkeit während der studentenarmen Zeit im Sommer konnten neue Gäste und Zielgruppen für einen Besuch der KreativTankstelle begeistert werden und somit war die Aktion im doppelten Sinne ein Erfolg. Denn schließlich, sagt Lessau, „soll sich das Ganze auch rechnen.“ Kaffee trinken, Kaffee ausschenken, lernen und Umsatz machen – für Lessau sind das keine Widersprüche.
„Was könnte man da drum herum bauen?“
„In der KreativTankstelle gehen Arbeitswelt und Café-Atmosphäre zusammen“, meint Florian Meyer, Chef eines Personaldienstleistungsunternehmen mit bundesweit rund 1000 Mitarbeitern und langjähriger Bekannter von Lessau. „Für mich liegt das viel an den Möbeln. Und auch an den Glasfenstern, weil man eigentlich das Gefühl hat, das man im Freien sitzt. Aber vor allem liegt es auch an Ronny.“ Warum genau? „Weil er immer eine Idee hat, wie man das Thema Arbeit kreativ angehen kann.“
So wie bei dem vierteljährlichen bundesweiten Treffen von Meyers Mitarbeitern, das er dieses Jahr erstmals in der KreativTankstelle ausrichtete. Vorrangig geht es bei den Treffen um den Austausch von Neuigkeiten, aber auch um Teambuilding von Menschen, die zwar für dasselbe Unternehmen arbeiten, einander aber im Arbeitsalltag fast nie begegnen.
Das Standardequipment dafür hat die KreativTankstelle im Programm: Beamer, Flipcharts, lange Tische. Denn sie ist auch ein Veranstaltungsraum. „Aber wir haben überlegt: was könnten wir drumherum bauen, um es lockerer zu machen?“, sagt Lessau. Gut geeignet: Gemeinsam essen. Noch besser: gemeinsam kochen. Ohne Ankündigung bekamen die Teilnehmer des Teammeetings plötzlich Kartoffelschäler und Schneebesen in die Hand gedrückt – und erlebten eine ganz andere Form der Gruppenarbeit, unterteilt in Teams wie „Salat“, „Brotbacken“ oder „Nachtisch“. „Normalerweise beschäftigt man sich auf so einer Veranstaltung ja kaum mit dem Kollegen, oder nur sehr oberflächlich“, sagt Meyer, „aber auf einmal öffneten sich alle. Man konnte spüren, wie gut das der Gruppe tut.“
Manchmal entstehen solche Ideen aus einem Gespräch heraus. Wie im Fall der Frau, die Lessau von ihren Reisen erzählte und dass sie dabei immer viele Fotos schießt und Geschichten aufsammelt. Das reichte als Auslöser für einen Diavortrag über Brasilien – bei dem ein brasilianischer Koch gleichzeitig lokale Gerichte servierte. 30 Leute folgten einem kurzfristigen Aufruf über Facebook und zahlten einen kleinen Eintritt. „Daraus hat sich das Format „Cook and Culture“ ergeben, dass wir nun auch an Unternehmen verkaufen“, sagt Lessau: „als Incentive für ihre Mitarbeiter.“
Student trifft Geschäftsführer
Ein Coworking-Space ist die KreativTankstelle auch. Aber – natürlich – nicht im klassischen Sinne, meint Lessau. „Coworking heißt ja oft: Man mietet sich einen Tisch in einem Gemeinschaftsraum, aber arbeitet dann doch für sich allein.“ Für Lessau heißt es: „Es kommt eine Gruppe von Menschen zusammen und arbeitet gemeinsam.“
Vermietung nach Stunden und Tischflächen gibt es darum nicht. „Der Raum ist einfach offen“ sagt Carolin Wett, eine ehemalige Unternehmensberaterin, die in der Kreativwerkstatt einige Kapitel ihres Buches schrieb, in dem sie ihren Burn-out verarbeitete. „Man fühlt sich willkommen, auch wenn man länger arbeitet, aber nur einen Kaffee trinkt“, sagt sie. Denn nur so passiert, was Lessau anstrebt: Die Menschen kommen ins Gespräch miteinander.
„Coffee-Working“ nennt er das. Ein wenig so wie in den Kaffeehäuser des frühen 20. Jahrhunderts. Orte, in denen die Gäste nicht nur Kaffee tranken, sondern Zeitungen und Bücher lasen, miteinander diskutierten und stritten, und manchmal gar Revolutionen planten. „Es gibt den Studenten, der an seiner Bachelorarbeit schreibt, aber auch die Beamtin, die hier Homeoffice macht – oder den Geschäftsführer, dem man seine Business-Idee pitchen kann“, sagt Lessau.
Auch Autorin Wett entwickelte hier eine Geschäftsidee: Einen Kombination von Workshop, Lesung und Fotoausstellung zu ihrem Buch „Strahlend grau“. In dem sind Fotos zu sehen, die sie selbst abbilden, nackt und verwundbar. „Mein Buch ist kein Tschaka-Tschaka-Ratgeber“, sagt sie. „Es erzählt die Geschichte eines Menschen.“ Über diese Geschichte und die Fragen die sich für sie selbst daraus entwickelte, diskutierte sie mit den Teilnehmern des Workshops. „Die KreativTankstelle war schon allein deshalb der richtige Raum, weil wir uns hier schon bei den Vorbereitungen mit unseren riesigen Fotos breit machen konnten.“ Und wohl auch, weil sie Menschen anzieht, die solch ungewöhnliche Kombinationen schätzen. Für Wett war der Abend ein Erfolg: „Es kamen rund 30 Besucher, die mich nicht oder fast gar nicht kannten.“ Die ersten Folgeprojekte sind bereits in Planung.
Und Lessaus Pläne? Es sind eher Wünsche. „Warum sollten Unternehmer oder Privatmenschen in die nächste Großstadt fahren, um kreativ zu sein, um miteinander arbeiten zu können? So etwas müsste es in jeder Kleinstadt geben“, sagt er. Einen Ort, an dem Arbeit und Sich-Wohlfühlen keine Gegensätze sind. Oder wie Lessau es formuliert: „Ein Ort, an dem die Gesellschaft zusammenkommt.“
Ach, und klar: Kaffee gibt’s auch.
(Text: Claus Hornung)
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Coffee-Working: Mehr Infos zur KreativTankstelle gibt's hier.
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