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Gerd Altmann/Pixabay

Die neue Normalität: Digitale Geschäftsprozesse

Covid-19: Die treibende Kraft der Digitalisierung

Die Pandemie hat die Digitalisierung der Wirtschaft stark beschleunigt. Viele Menschen arbeiten im Homeoffice, Videokonferenzen ermöglichen persönliche Gespräche trotz großer räumlicher Distanz, und Software, mit der sich Dokumente sicher online teilen und bearbeiten lassen, wurde plötzlich unverzichtbar. Unter normalen Umständen hätte dieser Prozess viel länger gedauert. „Immer, wenn eine Tür zugeht, geht mindestens eine auf. Corona hilft bei der Digitalisierung – nicht unbedingt im technischen Fortschritt, aber in jedem Fall bei der Durchdringung und Akzeptanz“, sagt Matthias Krieger, Geschäftsführer bei Krieger + Schramm (K+S). Wer sich vor neuen Systemen, Technologien oder Prozessen gescheut hat, wurde durch die Pandemie „gewissermaßen gezwungen, die relativ neuen Möglichkeiten zu nutzen.“

Die meisten Unternehmen setzen inzwischen Software-Technologien ein, um Inhalte digital zu erfassen, zu bearbeiten und zu archivieren. Das ist mit enormen Effizienzvorteilen für Unternehmen und Kunden verbunden. Wer bereits vor der Corona-Krise in digitale Geschäftsprozesse investierte, ist jetzt im Vorteil. Der Baudienstleister und Projektentwickler K+S setzt beispielsweise auf eine umfassende Softwarelösung mit einer Datenbasis für alle angeschlossenen Programme, mit der auch eine anschließende modellbasierte Arbeitsweise (BIM) möglich ist. Es wird eine Plattform installiert, die allen internen und externen Projektbeteiligten Zugriff auf das Datenmodell ermöglicht. Mit einer Investition von rund 1 Mio. € in den Jahren 2018 bis 2020 wurde der Grundstein für diesen Quantensprung gelegt. Auch Kunden erhalten mit dem breiten Einsatz der BIM-Technologie oder digitalen (Einkaufs-)Beratungen einen hohen Nutzen. „Sie profitieren durch bessere Darstellungsmöglichkeiten und geringerem Aufwand in der Informationsbeschaffung.“ Der Großteil der kaufmännischen Tätigkeiten wird in den Softwaremodulen des Unternehmens ausgeführt. Dazu gehören aktuell Bürgschaftsverwaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Lieferschein- und Rechnungsprüfung. Außerdem sind alle fachspezifischen Themen wie z.B. DIN-Vorschriften in einer digitalen Bibliothek verfügbar.

Digital Office

Zwei von drei Unternehmen waren vor drei Jahren in Sachen Digital Office „up to date“, jedes dritte Unternehmen hatte allerdings noch Nachholbedarf. Das zeigte der Digital Office Index (DOI) 2018. Wer die Möglichkeiten des digitalen Büros erkannt hat, profitiert gerade jetzt von den Vorteilen. Vor allem Rechnungen werden inzwischen fast nur noch digital eingereicht, bearbeitet und beglichen. Die Umstellung erfolgte 2016 durch das E-Rechnungs-Gesetz. Es verpflichtete Bund, Länder und Kommunen dazu, bis April 2020 die Voraussetzungen für den Empfang und die Verarbeitung elektronischer Rechnungen zu schaffen. Schon damals hatte sich auch der Druckluft- und Pneumatikspezialist Mader mit Sitz aus Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart entschieden, allen Kunden, die damit einverstanden waren, die Rechnungen digital zu senden. „Von dieser Vereinfachung profitieren heute alle. Durch den Versand von Papierrechnungen hatten wir einen sehr hohen Verbrauch von Geschäftspapier und Briefumschlägen. Zusätzlich zahlten wir pro Rechnung noch einen entsprechenden Betrag an Porto“, sagt Stefanie Kästle, Mitglied der Geschäftsführung.

Als Büro- und Administrationspapiere werden in Deutschland an die 800.000 Tonnen pro Jahr eingesetzt. Deshalb sollte grundsätzlich immer überlegt werden, ob der Einsatz von Papier überhaupt nötig ist bzw. in einem angemessenen Verhältnis zum Einsatzzweck steht. Konsequente Digitalisierung kann den Papierverbrauch enorm reduzieren (wo dennoch Papier verwendet wird, sollte es möglichst Recyclingpapier mit dem Blauen Umweltengel sein).

Seit 2012 wurde bei Mader der Papierverbrauch konstant gesenkt. Im Bereich Logistik fällt der höchste Papierbedarf an (Wareneinlagerungsscheine, Kommissionierscheine, Warenbegleitpapiere, Lieferscheine). Anspruch ist es auch hier, die Digitalisierung weiter voranzutreiben, so dass die internen Prozesse möglichst papierlos erfolgen können (Quelle: Mader Nachhaltigkeitsbericht). Anfang 2016 wurde im Unternehmen der Serviceprozess digitalisiert. Vor Einführung der Service-App dokumentierten die Service-Monteure jeden Auftrag auf verschiedenen Formularen. „Die digitale Lösung sorgt nun für einen papierlosen Prozess und bringt zusätzliche Effizienz in der gesamten Abwicklung“, so Kästle.

Folgende Prozessanpassungen wurden vorgenommen:

• Einführung einer digitalen Dokumentenarchivierung.

• Dokumente von Kunden oder Lieferanten werden über Sharepoint archiviert.

• Digitaler Versand von Verkaufsrechnungen.

• Anpassung der Unterschriftenregel (kein Ausdruck mehr).

• Bei internen Dokumenten wird auf eine Unterschrift verzichtet (elektronischer Versand im PDF-Format).

• Dokumente, die als Fax eingehen, werden nicht mehr automatisch gedruckt, sondern an eine E-Mail-Adresse weitergeleitet, auf die alle Vertriebsmitarbeiter Zugriff haben (wird dem Prozess im Warenwirtschaftssystem zugeordnet).

Digitale Geschäftsmodelle

Digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln bedeutet, dass Ideen und Gedanken zu neuen Ansätzen verknüpft werden. Um daraus ein nachhaltiges und digitales Geschäftsmodell zu entwickeln, braucht es eine frühzeitige Erprobung, die ohne Beeinträchtigung des bestehenden Kerngeschäfts erfolgen sollte. So war es auch bei Mader. Inzwischen ist es der Anspruch des Mittelständlers, mit neuen Technologien den gesamten Druckluftprozess zu digitalisieren und Effizienzpotenziale transparent zu machen. Die Verbindung aus energieeffizienter Druckluft und digitalen Prozessen ist für das Unternehmen künftig der Schlüssel zur erfolgreichen Erzeugung und Nutzung von Druckluft. Im Rahmen der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Leistungspakets wurde für das AirXpert-Modul „Leckageortung“ beispielsweise eine digitale Anwendung entwickelt. Während der Ortung wird jeder Leckage ein QR-Code zugeordnet. Mithilfe der Leckage-App wird dieser gescannt und fotodokumentiert. Nach der Erfassung des Messwertes ist sofort erkennbar, wie hoch der Luftverlust bei welcher Leckage ist. Anhand der Gesamtübersicht der bewerteten Leckagen kann anschließend eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Beseitigung erfolgen. Durch die Echtzeitberechnung sind Informationen über die Einsparung von kWh, CO2-Emissionen und Euro sofort ersichtlich.

An diesem Beispiel wird besonders deutlich, dass es nicht genügt, sich nur mit digitalen Geschäftsprozessen auseinanderzusetzen. Es braucht auch den Blick auf das gesamte Geschäftsmodell, weil alle Faktoren ineinandergreifen. Dann erst erschließt sich die verantwortungsvolle Verbindung der Megatrends Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Weiterführende Informationen:

Die digitale Organisation: Warum immer mehr Unternehmen auf das papierlose Büro setzen

Miriam Hoffmeyer: Zettelwirtschaft. In: Süddeutsche Zeitung (19./20.9.2020), S. 63.

Ulrike Böhm: Ein Mittelständler digitalisiert sich – Von Erfolgen, Hürden und Nachhaltigkeit. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2019.

Matthias Krieger: Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2021.

OFFICE PIONEERS: Ausblicke auf das Büro 2030. Visionen. Chancen. Herausforderungen. Hg. von Robert Nehring, Berlin 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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