Finger weg vom Traumjob!
„Finde den Job, der dich glücklich macht!“, „Glück schlägt Geld“, „Durchstarten zum Traumjob!“. Viele Ratgeber-Bücher und Karriereportale im Netz versprechen nicht weniger als den Traumjob. Mindestens, denn darunter geht gar nichts!
In Zeiten von New Work erscheint mir dieses Phänomen der Traumjob-Suche noch präsenter zu sein als ohnehin. Sinnerfüllung und Leidenschaft wird zum Gradmesser von guten Jobs, natürlich bei Traumgehalt, Traum-Location und traumhaften Arbeitszeiten. Formulierte nicht schon New Work Vordenker Frithjof Bergmann „Finde die Arbeit, die du wirklich, wirklich willst“?
Ähnlich wie beim Traumhaus, bei der Traumreise, bei der Traumpartnerin, dem Traumauto und beim Traumprinzen muss auch beim Traumjob oft einfach alles stimmen. Perfekt muss es sein! 100 Prozent!
Traumjob-Stress: Die Suche nach dem perfekten Job
Gerade wer sich akut zwischen zwei Jobs befindet, kann sich durch das vermeintliche Ziel „Traumjob“ ganz gehörig gestresst fühlen. Die geisteswissenschaftliche Berufseinsteigerin, die noch nicht so richtig weiß, wohin die berufliche Reise geht, genauso wie der Betriebsleiter mit 30 Jahren Erfahrung, der als Quereinsteiger die Branche wechseln möchte.
Auch mich selbst hatte das bei meiner letzten Jobsuche so richtig unter Druck gesetzt: Den perfekten Job finden zu „müssen“, der mich wirklich und immer erfüllt. Dank so mancher Karrierelektüre könnte man nämlich meinen, dass es bei der Jobsuche darum geht: Um hundertprozentige Erfüllung eines perfekten Traumes. Traumjob eben.
So entsteht bei der Jobsuche bisweilen Traumjob-Stress. Die Erwartungen an den neuen Job und sich selbst steigen ins Unermessliche – alles muss ja schließlich erfüllend sein, viel Geld bringen und um die Ecke liegen. Glücksdruck baut sich auf, Erfolgsstress stellt sich ein.
Traumjob-Sackgasse bei Google
Gibt man bei Google den Suchbegriff „Traumjob“ ein, stolpert man über ein Sammelsurium von Ergebnissen, von denen die wenigsten für die berufliche Positionierung und die Jobsuche hilfreich sind.
Da können Sie zum Beispiel einen kostenpflichtigen E-Mail-Kurs buchen „Projekt: Traumjob (12 Ausgaben als PDF)“ oder in einem kostenfreien Test Ihren Traumjob unter Angabe des Lieblingsschulfachs, Ihrer Kleidung und Ihrer Hobbies finden. Daneben gibt es diverse Ratgeber-Seiten, die Tipps für den 100 Prozent richtigen, den perfekten Job, die Berufung oder eben schlicht den Traumjob anbieten.
Außerdem bei der Traumjob-Suche via Google im Angebot „Traumjob: Jahresgehalt 130.000“, „Traumjob Geheimagent“, „Traumjob Nichtstun“, „Traumjob Kreuzfahrt“, „Der Traumjob, von dem du als Kind nie geträumt hast: Werksstudent“. Spätestens hier beschleicht einen der Verdacht, dass das Suchwort „Traumjob“ bei der Jobsuche nicht wirklich weiterbringt. Jobsuchmaschinen produzieren Ergebnisse gar nicht so klischee-„traumjobbig“ klingen: „Berufskraftfahrer“, „Mediavertrieb“, „Bankkaufmann“, „Vermögensberater“.
Traumjob-Druck und Stress-Symptome
Insgesamt erkenne ich bei vielen – gerade denen, die zwischen zwei Jobs stehen – einen ungeheuren Druck, den wirklich richtigen Job zu finden und nicht „aus Versehen“ den falschen zu ergreifen. Typische Symptome: Sich unsicher anfühlende Bewerbungen, das „Vergeigen“ von Vorstellungsgesprächen, das Zögern bei der Zusage eines Jobs, das Absagen eines Angebotes, weil ja doch noch irgendetwas fehlte.
Bisweilen führt Traumjob-Stress zum Stillstand, zum Nicht-Bewerben oder zu Bewerbungen auf unpassende Stellen, denn da „kann ich mir die Finger ja nicht verbrennen“. Es soll auch Leute geben, die einen passablen Job abgesagt haben, weil noch nicht alles stimmig war.
Ich bin selbst schon dort gewesen: im Traumjob-Stress. „Welche ist die Arbeit, die ich wirklich, wirklich, wirklich will?“ verbunden mit der genauso komplexen Fragestellung „Was kann ich eigentlich wirklich richtig gut?“ setzten mich bei meiner letzten Jobsuche erheblich unter Druck, der sich erst auflöste, als ich die entscheidende Frage änderte.
Wunschjob: Was ist für mich jetzt gerade wirklich wichtig?
„Was ist für mich jetzt gerade wirklich wichtig?“ ist die Frage, die mich zum Wunschjob führte.
Mir gefällt der Terminus „Wunschjob“ viel besser als der Begriff „Traumjob“. Wunschjob bezeichnet für mich die Tätigkeit, die zu meiner aktuellen Situation und meinen wichtigsten Wünschen passt. Das bedeutet eben gerade nicht, dass der Wunschjob absolut perfekt sein muss. Für ihn muss ich nicht mehr 100-prozentig im Vorfeld wissen, wie meine nächste Stelle aussehen soll. Ein Wunschjob erfüllt die wichtigsten Anforderungen von Bewerbern an eine Arbeitsstelle, nicht alle. Das erleichtert die Jobsuche und Positionierung ungemein.
Drei Tipps für Ihre Wunschjob-Suche
Beantworten Sie sich die drei genannten Fragen: Welche konkreten Wünsche habe ich an meinen (nächsten) Job? Was ist für mich jetzt gerade wirklich wichtig? Welche drei Faktoren bestimmen meine Arbeitszufriedenheit im (nächsten) Job?
Reden Sie mit Berufstätigen in ihrem privaten Umfeld, welche Faktoren ihnen an ihrem Job wichtig sind. Das gibt Sicherheit bei der eigenen Positionierung. Fragen Sie dabei immer nach den drei für Sie wichtigsten Faktoren für Ihren Wunschjob.
Suchen Sie die für Sie passende Stelle – gerne auch abseits der ausgetretenen Pfade von Stellenbörsen und Jobportalen. Besonders im verdeckten Stellenmarkt kann sich durch systematische Recherche und Vernetzung, über Kontakte und Empfehlungen der Wunschjob finden lassen. Sogar, wenn Sie sich gerade zwischen zwei Jobs befinden. Ich nenne das Systematisch Kaffeetrinken.
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Eine längere Fassung dieses Beitrags erschien zuerst im LVQ-Karriereblog.
Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‘Systematisch Kaffeetrinken’ und Social Media Enthusiast. Als Geschäftsführer der “LVQ Weiterbildung gGmbH” beschäftigt er sich mit Weiterbildung, ReArbeitswelt, Karriere. Lars Hahn ist zu finden in vielen sozialen Netzwerken und natürlich hier bei Xing.