Gender-Pay-Gap und Frauen in Führungspositionen: Wir sind auf dem Weg, aber noch lange nicht am Ziel
Solange Frauenförderung bedeutet, Frauen für Führungspositionen zu parken, wird sich nichts ändern. Warum Männer in der Pflicht stehen und wie wir mehr Ausgewogenheit herstellen können.
Fangen wir mit der guten Nachricht an: Der Gender-Pay-Gap, also der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, ist laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr kleiner geworden und von 18 auf 16 Prozent gesunken. Natürlich ist dieser Wert immer noch viel zu hoch, aber – und da spricht der Optimist in mir – es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die schlechte Nachricht: Frauen sind laut unserer vor Kurzem veröffentlichten Wechselbereitschaftsstudie deutlich unzufriedener im Job (20 Prozent) als Männer (12 Prozent). Und das noch nicht einmal wegen der schlechteren Bezahlung: Stress, schlechte Führung und nicht zufriedenstellende Aufgaben sind für Arbeitnehmerinnen die ausschlaggebenden Faktoren, sich nach einem neuen Arbeitgeber umzuschauen. Von diesem erwarten Frauen deutlich öfter als Männer mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung. Der Grund dafür wurde nicht explizit abgefragt. Ich vermute allerdings, dass in den meisten Fällen die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine große Rolle spielt.
Eine Situation, die ich aus meinem Alltag bestens nachvollziehen kann: Denn während mein Arbeitgeber in Hamburg sitzt, lebe ich derzeit noch in München. Und auch wenn ich bewusst so viel Homeoffice wie möglich einplane, um Zeit mit meiner Familie verbringen zu können, müssen meine Lebensgefährtin und ich sehr gut organisieren, wer wie und wann einspringt, wenn Pläne sich ändern, da auch sie voll berufstätig ist. Natürlich ist unsere Lebenssituation eher ungewöhnlich.
Dass Frauen überwiegend weiterhin diejenigen sind, die sich um Haushalt, Kinder und die Organisation des gemeinsamen Lebens kümmern, ist allerdings nach wie vor Alltag in den allermeisten Familien.
Wir müssen besser werden
Das Gleichberechtigungsgesetzt gibt es seit 1958. Fast acht Jahre sind seit der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes 2017 vergangen. Seitdem hat sich viel geändert – aber immer noch nicht genug.
Und das gilt – da bin ich ganz ehrlich – in gewissem Maße auch für uns. Denn auch XING hat Nachholbedarf. In Sachen Gehaltstransparenz sind wir bereits gut aufgestellt: Wir haben bei XING ein Tool im Einsatz, das Transparenz bei Gehaltsbändern für verschiedene Rollen schafft und so dabei hilft, einem Pay-Gap entgegenzuwirken.
Und auch auf unserer Plattform spielen unsere Features zum Gehaltsvergleich eine zentrale Rolle. Unser Ziel ist es, den Gender-Pay-Gap nicht nur weiter zu thematisieren, sondern auch weiter zu reduzieren.
Was wir noch besser machen wollen: Mehr Frauen in Führungspositionen bringen. Bislang sind bei XING deutlich mehr Männer als Frauen in leitenden Funktionen beschäftigt. Daran müssen wir etwas ändern, zum Beispiel durch das verstärkte Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle oder die Möglichkeit zum Job-Sharing.
Dabei verfolgen wir zwei unterschiedliche Ansätze parallel: Zum einen schauen wir bei der Besetzung offener Stellen für Führungskräfte aktiv nach passenden Kandidatinnen – und genießen dabei den Luxus, auf unsere eigene Plattform mit rund 22 Millionen Mitgliedern zugreifen zu können. Zum anderen setzen wir auf gezielte Entwicklung von internen Talenten für Managementpositionen. Wir unterstützen und fördern Frauen in unserem Unternehmen dabei, sich auf die künftige Übernahme von Leadership-Rollen vorzubereiten.
Von anderen lernen
Aber es geht noch mehr. Hier lohnt der Blick über den deutschen Tellerrand. Ein Beispiel ist Island, das seit Jahren als eines der Länder mit der geringsten geschlechtsspezifischen Lohnlücke gilt. Hier gibt es gesetzliche Vorgaben zur Entgeltgleichheit, die Unternehmen aktiv nachweisen müssen. Das sorgt für einen echten Kulturwandel: Anstatt dass Frauen um Gleichbezahlung kämpfen müssen, sind vielmehr die Unternehmen in der Pflicht, fair zu bezahlen. Selbst wenn es keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen in Deutschland gibt, wäre eine Selbstverpflichtung von Unternehmen ein starkes Signal.
Ein Beitrag zu mehr Flexibilität im Alltag und Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Kinderbetreuung sind verpflichtende Elternzeiten für Väter, die beispielsweise Norwegen gesetzlich verankert hat – und die verfallen, wenn man sie nicht in Anspruch nimmt.
Auch in Sachen Transparenz in Beförderungsprozessen gibt es beispielhafte Initiativen, zum Beispiel von Tech-Unternehmen wie Google.
Wir schulen und unterstützen unsere Führungskräfte, indem wir den Beförderungsprozess erläutern, einschließlich der erforderlichen Fähigkeiten und Leistungen für den nächsten Karriereschritt.
Ein Blick nach vorn: Wo wollen wir hin?
Unser – mein – Ziel dabei: eine offene Unternehmenskultur zu schaffen, in der die Menschen, die bei uns arbeiten, Vertrauen in die Fairness von Gehalts- und Beförderungsentscheidungen haben. Viele Veränderungen können nicht von heute auf morgen passieren. Was wir uns für die nächsten Jahre vorgenommen haben, ist daher ein klarer Fahrplan für mehr Gleichberechtigung in unserer Arbeitswelt:
Wir wollen den Gender-Pay-Gap reduzieren – sowohl unbewusste Lohnunterschiede in unserer Organisation als auch gesamtgesellschaftlich mit Hilfe unserer Plattform.
Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen sehen – nicht nur als Ausnahme, sondern als Normalität, bei XING und anderswo.
Wir wollen eine Unternehmenskultur fördern, in der Karriere und Familie sich nicht gegenseitig ausschließen und das nicht nur Müttern, sondern auch Vätern ermöglicht, beides harmonisch in Einklang zu bringen.
Ich bin der Meinung, dass vor allem wir Männer in der Pflicht stehen. Es geht nicht darum, Frauen zu fördern, um sie dann für Führungsposten zu parken. Wir müssen stattdessen gezielt Strukturen und Räume schaffen, in denen es möglich ist, Arbeitnehmerinnen schnell und unkompliziert so in Verantwortung zu bringen, dass sie diese mit ihrem Leben vereinbaren können. Das erfordert konsequentes Handeln. Und ich wünsche mir, dass alle von uns, die in der Position sind, Arbeit gestalten zu können, dies im besten und im Sinne der Frauen tun.
Was können wir alle tun, um für mehr Ausgewogenheit in verantwortungsvollen Positionen zu sorgen und was brauchen Frauen dafür an Unterstützung? Ich freue mich über Anregungen!