Homeoffice – oder komm und mach mit mir auf dem Weg nach vorn einen großen Schritt zurück
Ein guter Freund von mir hat vor vielen Jahren einmal auf die Frage, ob man Forstwirt als Ausbildungsberuf erlernen muss, um später Forstwirtschaft zu studieren, Folgendes geantwortet: „Man muss es nicht, es ist aber gut, wenn man es hat, und am Ende brauchst du es sowieso.“ Klare Aussage, klares Statement, vernünftige, durchdachte Argumentation und eine Prise „gesunder“ Menschenverstand mit einem kleinen Schmunzler. Na ja, und die Zeit sowie die Umstände spielen nicht selten auch eine große Rolle.
Ich habe mir aufgrund vieler Gespräche, Veränderungen und Fragen in und aus dem Businessleben erlaubt, für Sie einmal ganz besonders „klare“ Themen in der Berufswelt und deren Werdegang unter die Lupe zu nehmen. Heute: das Homeoffice.
Seit Monaten hören und lesen wir überall, dass einige Unternehmen planen, das Homeoffice zu verändern. Es zu reduzieren oder ganz abzuschaffen. Immerhin gibt es in der Firma genügend Platz, und so fortschrittlich, wie wir noch vor Kurzem waren, sind wir dann doch nicht. Es hat eben alles seine Zeit, das war schon immer so. Der Druck von außen, Pandemie oder Corona genannt, es wird diskutiert, verhandelt, argumentiert und entschieden. Sprengstoff pur eben.
Paradoxa schleichen sich ein, und was vor nicht allzu langer Zeit noch eine hervorragende Idee war, ist jetzt der „Fluch“ für viele Companies. Als Mitglied der Generation X erinnere ich mich, dass Homeoffice oder Heimarbeit nie ein Thema war. Um ehrlich zu sein, es war ein „No-Go“, wie man heute sagt. Denn das Arbeiten zu Hause wurde fast immer als Faulenzen und Beschummeln bezeichnet. Als Corona uns überfiel, waren allerdings viele Firmen offen dafür, ihre Mitarbeiter:innen @Home arbeiten zu lassen. Top-Verbindungen, super Laptops, zwei Monitore und vieles mehr wurden für das mobile Arbeiten angeschafft und eingerichtet. Alles war gut, und das Zeitalter des neuen Arbeitens – „New Work“ – hatte Hochkonjunktur.
Heute ist die Pandemie abgeflacht und stellt keine Gefahr und somit auch keinen Grund für mobiles Arbeiten dar. Einige Unternehmen arbeiten fieberhaft daran, die Kolleg:innen wieder zurück ins Office zu holen. Immerhin gehören sie da hin. Teure Mieten, die bezahlt werden, müssen sich auch lohnen. Große, moderne Büroräume wollen belegt sein. Der Obstkorb fault sonst vor sich hin, und der Tischkicker wurde lange nicht mehr geölt. Es ist ja auch nicht einzusehen, dass die Mitarbeiter:innen es sich zu Hause bequem machen, unproduktiv sind und sich entfremden. Wo bleibt denn da der Teamgedanke? Wir sind alle eine große Familie, und da gehört es doch zum guten Ton, sich regelmäßig zu sehen. So weit, so gut.
Leider gibt es rebellische Personen, die sich an das Homeworking gewöhnt haben, dies als angenehm und eben produktiv empfinden und so gar kein Verlangen danach haben, jeden Tag mit den doch jetzt wieder öfter bestreikten Öffentlichen ins Büro zu fahren. New Work hat sich breitgemacht, und in der Jogginghose, die natürlich niemand zu Hause trägt, arbeitet es sich sicherlich viel bequemer. Und was man so alles erledigen kann in der Pause …
Viele stellen sich also nun die Frage: Warum kann ich nicht so weiterarbeiten wie in den vergangenen Jahren? Und manche Unternehmensvertreter antworten darauf mit Sätzen wie: „Weil hier im Office dein Platz ist. Mobiles Arbeiten war nur aufgrund der Pandemie angesagt, und die ist ja nun vorbei. Also zurück an deinen Arbeitsplatz, der hier schon sehnsüchtig auf dich wartet.“ Ja, aber ich arbeite doch sehr produktiv im Homeoffice, habe mich wunderbar eingerichtet, bin super ausgestattet, und bis dato hat doch alles ganz gut geklappt. Und jetzt kommt meist ein Antwortsatz, den ich leider schon zu oft gehört habe: „Ja, aber das war eine andere Zeit.“
Mittlerweile versuchen Unternehmen, ihr Personal wieder zurückzuholen, manchmal mit Druck. Und das Personal versucht, weiterhin im Homeoffice arbeiten zu dürfen. Sollten nun beide Parteien „recht“ haben, so wäre ein Kompromiss eine gute Lösung. Ein Kompromiss, der selbstverständlich von beiden Seiten erarbeitet wird. Gut vorbereitet, gut argumentiert, gut zugehört. Gepaart mit viel Verständnis, Offenheit und der Bereitschaft beider Seiten, dem anderen entgegenzukommen.
Das geht sicherlich nicht von heute auf morgen, aber mit der Brechstange geht es auch nicht. Mitarbeiter sind das wertvollste Gut eines jeden Unternehmens. Und mit Wertvollem geht man doch sorgfältig um. Oder nicht?
Ich wünsche den Unternehmen sowie den Fürsprechern und aktiven Nutzern des mobilen Arbeitens die Bereitschaft zuzuhören, zu verstehen und eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Bewegen Sie sich aufeinander zu anstatt voneinander weg.
Gutes Gelingen und bitte bleiben Sie gesund.
Herzlichst
Michael H. Hahl