Im Zweifel einfach machen
Wer sich mit dem Thema Bauchgefühl beschäftigt, kommt nicht umhin, auch das Zweifeln in Bezug auf Wahrnehmung, Vernunft und Intuition in den Blick zu nehmen.
Es ist gut, Dinge infrage zu stellen, sie auf Herz und Nieren zu prüfen, um sie dann besser zu machen. Der Zweifel kann beim differenzierten Denken und Abwägen helfen. Viele Menschen haben sich „im Zweifel“ angewöhnt, lieber noch einmal eine Nacht über ein zu lösendes Problem zu schlafen – aber dann loszugehen, dabei die Augen offen zu halten nach Parametern, die signalisieren, ob der eingeschlagene Weg richtig ist und eventuell nochmals neu überdacht werden muss. Doch leider gibt es auch viele Menschen, bei denen Zweifel einen Großteil ihres Daseins ausmachen. Sie zweifeln an sich selbst, an ihren Aufgaben und den eigenen Fähigkeiten, an ihrem Tun, an ihren Wünschen und Träumen. Der Verstand dominiert dann ständig das Bauchgefühl. Und so werden permanent Optionen, Umstände oder Bedingungen geprüft, die erfüllt werden müssen. Indem sie auf den perfekten Zeitpunkt warten, um etwas zu tun, vertagen sie ihr Leben. Denn dieser Zeitpunkt wird niemals kommen, und sie werden auch nie wirklich bereit sein zum Handeln.
Vor diesem Hintergrund hat sich der Business-Experte Hermann Scherer die Mühe gemacht, eine kleine Rechnung aufzustellen, um herauszufinden, wie schädlich Zweifel tatsächlich sind. Für diese Musterberechnung hat er ein durchschnittliches Arbeitsleben von 50 Jahren genommen. Mit nur einer Stunde Zweifel täglich sind das insgesamt 18.250 Stunden des Zweifelns. Würden wir stattdessen etwas arbeiten, dann wären das (bei einem Stundenlohn von lediglich 10 Euro pünktlich zum 65. Geburtstag) 182.500 Euro zusätzlich. Sie wurden nur deshalb verdient, weil mit dem Zweifeln aufgehört und stattdessen etwas getan wurde. Wer sich jeden Tag nur eine Stunde lang in etwas übt und eine bestimmte Sache immer wieder tut, wird sich darin verbessern. Hinzu kommt Selbstwirksamkeitsüberzeugung: Indem jemand selbst etwas tut, ist er wirksam - und diese Stunde hat etwas bewirkt!
Doch was braucht es, um ins Tun zu kommen? Aktion und Entschlossenheit – ohne Selbstzweifel. Jeder Weg kann zum richtigen gemacht werden. „Den ersten Schritt, bei dem noch völlig unbewiesen ist, ob irgendetwas dabei herauskommt, den tun die Erfolgreichen mit Entschlossenheit und mit geringen Zweifeln“, schreibt Hermann Scherer (Newsletter, 19.8.2021). Er kannte auch Zweifel, doch trotz mancher Rückschläge hat er sie nie ernst genommen. Er betrachtete sein Leben als „alternativlos“. Er sah die Bedingungen und Umstände gar nicht und ging einfach weiter. Grundbedingung ist immer eine Art von Selbstermächtigung, dann wächst die „Macht“ mit dem Erfolg. Das Problem dabei ist aber: „Geben Sie einem einigermaßen klugen Menschen Macht, dann wird er damit seine Überzeugung entwickeln, mit der er gut vorankommt. Aber geben Sie einem dummen Menschen Macht, so wird er daraus eine Selbstüberschätzung entwickeln, an der er scheitern wird. Früher oder später.“
Warum die Kunst des Zweifelns auch im Zeitalter der Digitalisierung unverzichtbar ist
Hermann Scherer: Fokus! Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen. Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2016.
Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.