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Netzwerken in seiner unverbindlich verbindlichsten Form. Oder: Das mit dem „Kontakt“ über Social Media ist so eine Sache

Wenn ich morgens ins Büro komme, schalte ich meinen Laptop an und bin in der Regel kurze Zeit später auf den gängigen Seiten XING und LinkedIN. So wie viele von Ihnen sicherlich auch. Beide Plattformen sind heute aus dem Business, gleich welcher Sparte und Hierarchie, kaum wegzudenken und versorgen uns mit Informationen für uns und unser Business. So weit, so gut.

Dass sich diese Seiten nicht nur einer großen Beliebtheit erfreuen, sondern fester Bestandteil unserer täglichen Arbeit und der damit verbundenen Kommunikation sind, zeigen die Mitgliederzahlen. Sie liegen locker in zweistelliger Millionenhöhe und bieten wunderbare und vielseitige Gelegenheiten, wertvolle Business-Kontakte zu knüpfen. Es tummeln sich Alt wie Jung, vom Unternehmer zum Angestellten, vom Vorstand zum Assistenten, alle Berufs- und Hierarchieebenen sind vorhanden. Sie alle nutzen ganz individuell diese modernen Seiten für ihr Business.

Einer der wichtigsten Gründe, weshalb sich die Mitglieder dort bewegen, ist der Wunsch, neue Kontakte zu knüpfen und, weil es sich um Business-Seiten handelt, mit diesen eine geschäftliche Beziehung aufzubauen. „Come together wherever you are“, so lautete der Slogan, als ich immerhin 2004 bei XING, damals noch openBC, Mitglied wurde. Man musste von einem Mitglied empfohlen werden, um in den Genuss einer Mitgliedschaft zu kommen. Heute undenkbar. Schon damals, vor 20 Jahren, war diese Plattform dazu da, Kontakte zu knüpfen, und das war wirklich easy. Eine freundliche Kontaktanfrage, und man konnte sichergehen, dass diese bald auch beantwortet und angenommen wurde. Danach kam es in der Regel zu einem (guten) Austausch und nicht selten zu gemeinsamen Projekten, Aufträgen und manchmal sogar Freundschaften.

Schon damals habe ich meine Klienten im Umgang mit XING beraten, so wie ich dies heute, wenn auch sehr eingeschränkt, immer noch tue. Irgendwann kam noch LinkedIn hinzu, und beide Seiten brachten einen echten Nutzen, Mehrwert und jede Menge guten Austauschs.

Heute hat sich sehr viel verändert. Die Seiten sind moderner, offener, informativer, schneller und leider in manchen Bereichen auch unverbindlicher geworden. Kontakte zu knüpfen ist immer noch recht gut möglich. Mit diesen Kontakten dann in den Austausch zu gehen, um sich einmal persönlich kennenzulernen, ist um ein Vielfaches schwieriger geworden. Diese Aussagen erhalte ich immer wieder von meinen Klienten und Kandidaten, die eine gute Idee oder eine hervorragende Arbeit oftmals nicht vorstellen oder einen fachlichen Austausch nicht durchführen können, weil nach der Kontaktbestätigung nicht selten „Schluss“ ist. Vielleicht noch eine Reaktion wie „Momentan kein Bedarf, keine Zeit, zu viel zu tun“ oder Ähnliches.

Aufgrund der Vielzahl von „Angeboten“, die auch ich tagtäglich erhalte, ist dies nicht verwunderlich. Mir wurden schon Tausende von Leads in einem Monat angeboten, man hat mir versprochen, dass ich ab sofort ausgebucht bin, bis hin zum sechsstelligen Monatseinkommen, dem gesunden Abnehmen und der Unterstützung bei meinen Bewerbungsunterlagen (obwohl ich gar nicht vorhabe, mich zu bewerben) und, und, und. Dass man hier nicht jeden Kontakt „annimmt“, dafür habe ich vollstes Verständnis.

Aber was passiert, wenn die Kontaktanfrage bestätigt wird. Dass danach der Wunsch eines Gesprächs kommt, ist doch so sicher wie das „Amen“ in der Kirche. Immer wieder höre ich, dass Kontaktanfragen angenommen, danach jedoch keine weitere Kommunikation erfolgte. Anfragen, Vorschläge oder Ideen blieben unbeantwortet oder wurden lapidar abgelehnt.

Wie verbindlich ist ein neuer Kontakt auf den Businessplattformen XING oder LinkedIn? Was sind die Gründe, weshalb Kontaktanfragen dort zwar angenommen werden, ein Gesprächswunsch jedoch abgelehnt oder ignoriert wird.

Nun, meiner Meinung nach gibt es mehrere Gründe dafür. Hier sind meine TOP 3 Gründe sowie Ratschläge, wie man damit am besten umgehen kann:

Überwältigung durch Anfragen und Nachrichten

Viele Mitglieder, insbesondere diejenigen in einflussreichen, gehobenen Positionen, erhalten täglich zahlreiche Kontaktanfragen und Nachrichten. Es ist oft schlichtweg eine Frage des Zeitmangels und der Priorisierung, dass einige Nachrichten unbeantwortet bleiben.

Und wie gehen Sie am besten damit um?

Bleiben Sie bei Ihrer Nachricht kurz und prägnant. Formulieren Sie Ihre Botschaft klar und präzise, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sie gelesen wird. Bieten Sie Ihren Wert an, stellen Sie sicher, dass Ihre Nachricht einen klaren Nutzen für den Empfänger hat. Seien Sie spezifisch in Ihrer Anfrage, und machen Sie deutlich, warum das Gespräch für beide Seiten vorteilhaft ist.

Senden Sie eine freundliche Follow-up-Nachricht nach einer angemessenen Zeitspanne (z.B. einer Woche), um Ihr Interesse zu bekunden und an Ihre Anfrage oder Ihren Vorschlag zu erinnern.

Unklare oder unpassende Anfrage

Wenn die Anfrage keinen klaren Zweck hat oder wenn der Empfänger nicht versteht, wie er Ihnen helfen kann, wird die Nachricht oft ignoriert. Auch Anfragen, die als unangemessen oder irrelevant empfunden werden, werden häufig abgelehnt.

Was können Sie hier tun?

Stichwort „Relevanz“. Stellen Sie sicher, dass Ihre Anfrage relevant für die Person ist, an die Sie sich wenden. Recherchieren Sie den Hintergrund und die Interessen des Empfängers, um Ihre Nachricht entsprechend anzupassen. Kommunizieren Sie klar und direkt, was Sie möchten und warum Sie sich an diese Person wenden. Vermeiden Sie vage oder zu allgemeine Anfragen. „Massenanfragen“ erkennt fast jeder sofort an der Formulierung und am spärlichen Inhalt. Personalisieren Sie Ihre Nachricht, indem Sie auf gemeinsame Interessen, Kontakte oder spezifische Inhalte aus dem Profil des Empfängers eingehen.

Mangelnde Beziehung oder Vertrauen

Viele Menschen sind zögerlich, auf Nachrichten von Kontakten zu reagieren, mit denen sie keine bestehende Beziehung oder kein Vertrauen haben. Insbesondere bei Anfragen, die sofort einen geschäftlichen oder beruflichen Vorteil suchen, kann dies abschreckend wirken.

Wie gehen Sie damit um?

Bauen Sie eine „Beziehung“ auf. Investieren Sie Zeit, um diese aufzubauen, bevor Sie eine spezifische Anfrage stellen. Liken und kommentieren Sie Beiträge des Empfängers oder nehmen Sie an Diskussionen teil, um sich bekanntzumachen. Wenn Sie gemeinsame Kontakte haben, erwähnen Sie diese in Ihrer Nachricht, um einen „Vertrauensvorschuss“ zu schaffen. Bleiben Sie vor allem ehrlich und authentisch in Ihrer Kommunikation, und vermeiden Sie es, nur auf Ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein. Authentizität schafft Vertrauen.

Indem Sie diese Strategien anwenden, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Gesprächsanfragen positiv beantwortet werden. Seien Sie geduldig und respektvoll im Umgang mit den Reaktionen (oder dem Fehlen von Reaktionen) und passen Sie Ihre Ansätze entsprechend an.

Ich wünsche Ihnen ein verbindliches, wertschätzendes Netzwerken. Es lohnt sich allemal und bringt Synergien zusammen, aus denen hervorragende und langfristige Geschäftsbeziehungen entstehen können. Ich weiß, wovon ich rede.

Und den Unternehmensvertretern möchte ich das Zitat von Henry Ford mit auf den Weg geben: „Ich prüfe jedes Angebot. Es könnte das Angebot meines Lebens sein.“

Und ein Tipp zur Ehrlichkeit aus meinem neuen Buch „Klartext im Business“, welches ab 20. Juni 2024 im Haufe Verlag erscheint, möchte ich Ihnen auch noch mit auf den Weg geben. „Ich kann mit einem NEIN leben, aber ich möchte es hören. So viel Respekt sollte jeder im Business zeigen.“

In diesem Sinne, Ihnen alles Gute und bitte bleiben Sie gesund.

Herzlichst

Michael H. Hahl

MICHAEL HANS HAHL schreibt über Generation 50+, Veränderungsprozesse, Perspektiven im Unternehmen, Markt-/Kommunikationsstrategie

Herzlich Willkommen, ich bin Michael Hans Hahl, Sparringspartner für Prozesse, Matching, Wege und generationsübergreifendes Arbeiten. Seit fast 20 Jahren berate, coache, trainiere und spreche ich über die Themen Karriere, Personal, Jobchancen. Die Generation 50+ liegt mir dabei besonders am Herzen.

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