"New Work Award"-Gewinner erinnern sich: Von Leidenschaft und Schockzuständen
Wer den New Work Award von XING gewinnt, erlebt nicht nur eine aufregende Preisverleihung. Wir blicken zwei Jahre zurück: Drei Gewinner des NWA 2018, die für ein bahnbrechendes Projekt bei Siemens geehrt wurden, berichten, welche Kraft und Dynamik eine solche Auszeichnung mit sich bringt.
Hamburg, Elbphilharmonie, es ist der 6. März 2018. Hunderte von Besuchern der New Work Experience von XING warten im großen Konzertsaal auf die Verkündung der Gewinner der New Work Awards 2018. Es geht um die Kategorie „New Worker“, also um Menschen, Ideengeber und Vordenker, „die mit ihrem Schaffen sinnbildlich für die neue Arbeitswelt stehen“, wie es in der Ausschreibung lautet. Schließlich verliest Jury-Vorsitzender Thomas Sattelberger das Jury-Urteil: „Sabine Kluge, Robert Harms und Ronny Großjohann, drei Mitarbeiter der Siemens AG, starteten eine Bewegung, die das Unternehmen aus der Mitte heraus verändern sollte. Die drei Querdenker haben es gemeinsam geschafft, eine Fertigung aufzugleisen, die auch auf Selbstorganisation setzt. Durch die entsprechende Kommunikation innerhalb des Unternehmens ist die industrielle Arbeit in Fertigungshallen verschiedener Standorte flexibler, agiler und humaner geworden.“
Jubel, Begeisterung, Beifall.
Im Interview erinnern sich die drei „New Worker 2018“ an die aufregende Preisverleihung und berichten, was der Preis für ihr Projekt – und ihr Leben – bewirkt hat.
Die Ausschreibung für den New Work Award 2019 ist in diesen Tagen gestartet. Sie haben im Frühjahr diesen Jahres das Rennen in der Kategorie New Worker gemacht. Können Sie sich noch an die Momente bei der Preisverleihung erinnern?
Sabine Kluge: Ja, an diese Momente kann ich mich noch sehr gut erinnern: Wir wussten ja nur, dass wir unter weiteren Unternehmen nominiert sind; wer letzten Endes auf die Bühne kommt, war bis zur Verkündung durch Thomas Sattelberger nicht klar. Er hat dann so bewegende Worte für unsere Initiative gefunden, dass ich gleichzeitig einen Klos im Hals und einen Adrenalin-Schock hatte, als ich gemeinsam mit meinen Weggefährten auf die Bühne schreiten sollte. Als wir da oben im Scheinwerferlicht standen, dieses große Publikum vor uns, da war mir erst klar, wie aussergewöhnlich unser Projekt offenbar war – und ich war unheimlich stolz, als mir Herr Sattelberger, der ja selbst ein grosser, mutiger Musterbrecher und Querdenker ist, persönlich gratulierte.
Robert Harms: Um ehrlich zu sein, anfangs habe ich das gar nicht so ernst genommen. Ja, lass uns mal bewerben und schauen was passiert. Aber als wir dann plötzlich vor der großen Bühne standen und in die Menge der interessierten Gesichter geschaut haben und dann tatsächlich als Gewinner verkündet wurden, wurde mir erst bewusst, welche Wirkung das Ganze hatte und eine Mischung aus Freude und Stolz kam auf, die bis heute nachhaltig auf mich wirkt.
Ronny Grossjohann: Ich erinnere mich auch an diesem Moment, eine große Bühne, viele Menschen und ein schöner Abschluss einer interessanten Reise, unser erstes Projekt. Als wir dem Publikum unsere wichtigste Erkenntnis weitergaben, mutig zu sein, um sich selber auf den Weg zu machen, wurde mir sehr klar, dass unsere vermeintlich beendete Reise nur der Anfang einer viel längeren Reise war. Der Beginn des Großprojektes, Menschen zu helfen. Seitdem sind wir unterwegs. Ich werde diesen entscheidenden Moment nicht vergessen können.
Kluge: Wir waren mit dem Projekt ja schon ein bisschen bekannt, da wir sehr viel auch gebloggt hatten, intern wie extern, um Kollegen Mut zu machen, ebenfalls „loszulassen“. Insofern gab es sofort eine Welle von Anerkennung und Sympathie in den sozialen Medien, und, vielleicht genau so wichtig: die notwendige Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger im Headquarter, dieses neue Vorgehen anzuerkennen und auch an anderen Standorten solche Räume zu öffnen.
Harms: Es ist tatsächlich wie eine sich ausbreitende Graswurzel oder eine DNS-Kur. Gestartet in einem einzelnen Fabrikplanungsprojekt, sind die neuen Arbeitsformen Stück für Stück in die unterschiedlichen Fabriksegmente des ganzen Standortes geschwappt und nun arbeiten wir an der konsequenten Verbreitung im globalen Fertigungsnetzwerk mit über 20 Werken, in dem nun nicht mehr jede Fabrik für sich allein kämpft, sondern ein anpassungsfähiger Organismus entsteht, der das große Ganze in den Vordergrund stellt. Auch darüber hinaus haben wir im Laufe des letzten Jahres durch die Arbeiten mit unseren Kollegen immer mehr dazulernen können, worauf es wirklich ankommt, wenn Menschen als Zweck und nicht als Ressource gesehen werden.
Grossjohann: Wir haben im Laufe der Zeit die Chance gehabt, auch mit nicht fertigungsnahen Bereichen zusammenzuarbeiten und festgestellt, dass sich die Arbeitsinhalte der Teams zwar deutlich unterscheiden, aber nicht der Grundsatz sich zu neu organisieren, um eine Form der Zusammenarbeit zu finden. Eine Form, in der jeder für sich einen Raum hat, seinen Wert zu erkennen und nach einem Sinn und Zweck zu streben. Es sind die gleichen Mechanismen, die auf jedes Team wirken, egal aus welchem Bereich. Sie geben den Menschen die Möglichkeit, frei und am Ende auch erfolgreich zu sein – und das für sich selbst, für ihr Team und auch für ihr Unternehmen.
Harms: Ich würde nicht von “Evangelist” sprechen, der Begriff hat für mich eine seltsame Konnotation – so als wüsste man schon alles und kann es predigen. Wir haben im letzten Jahr aber zahlreiche neue Mitstreiter und Freunde gefunden, mit denen wir gemeinsam die Welt der zukünftigen Arbeit entdecken. Nicht nur, dass wir viele Gäste in sog. Learning Journey bei uns haben, auch Meet-Ups, Konferenzen oder einfach nur gemütliche Abendessen haben uns im letzten Jahr viele neue Einblicke und Erkenntnisse gebracht. Es ist einfach schön, Teil dieser stetig wachsenden New-Work-Community zu sein und so den aktuellen Wandel positiv mitzugestalten.
Kluge: Ich unterstütze, wie auch vorher innerhalb von Siemens, Menschen und Unternehmen, die Komplexität unserer Zeit erfolgreich zu meistern. „2.0 erklärt 4.0“ sagte mal einer, und ich glaube, gerade diese Verbindung – langjährige Erfahrung in der alten Arbeitswelt, aber eben auch ein tiefes Verständnis, wie wir heute anders führen, entscheiden und zusammenarbeiten können – schafft Vertrauen.
Und da unterstütze ich in allen Funktionen im Unternehmen – in den Büros, aber bei Bedarf eben auch in den Werkshallen. Inhaltlich heisst das immer: Wir suchen uns Experimentierfelder und Mitstreiter im Unternehmen, in und mit denen wir Muster brechen, beobachten, verstehen die Dynamik und dehnen diese Aktivitäten dann sukzessive weiter aus.
Grossjohann: Passion bleibt Passion, wir haben gemeinsam begonnen, unseren Anteil am Wandel zu leisten und wir gehen weiter gemeinsam diesen Weg. Die Koffer sind gepackt, um zu den Menschen zu reisen, die mit uns die alte Arbeitswelt verändern wollen und unsere Hilfe möchten. Da gibt es schon mal das ganze Paket Sabine, Robert und Ronny. Aber inzwischen sind wir auch noch viel mehr Passionisten geworden, mit denen man rechnen kann, wenn man uns ruft. An der Stelle ein Riesenkompliment an alle anderen, die sich mit uns auf den Weg gemacht haben, die Welt zu verändern.
Harms: Es ist natürlich auf der einen Seite die Anerkennung und Wertschätzung, die so ein Award in sich trägt. Aber noch wichtiger ist es für mich, dass man über diesen Kanal viele neue Menschen kennenlernt, mit denen man auch kontroverse Gespräche über die Ideen rund New Work führen kann. Angefangen bei kulturellen und gesellschaftlichen Fragen bis hin zu Werkzeugen und Methoden. Die Gesamtheit der Impulse ist der eigentliche Wert, den der New Work Award mit sich bringt.
Harms: Das Wichtigste ist und bleibt Authentizität. Die persönliche Geschichte und der resultierende Impact wird vor allem dann Wirkung erzeugen, wenn sie ehrlich und aus dem Herzen erzählt wird.
Kluge: Ich glaube, man muss in der Bewerbung die Liebe und Leidenschaft spüren zu dem, was man tut. Und auch wenn unser Thema auch im Unternehmen von so einem großen wirtschaftlichen wie kulturellem Erfolg gekrönt war: Aus meiner Sicht zählt vielmehr der Mut, Muster zu brechen und die damit einhergehenden Konflikte auszuhalten, und zu zeigen, dass man an seine Idee glaubt. Ich könnte mir vorstellen, dass selbst wenn dann ein Projekt scheitert, es sogar wert wäre, sich zu bewerben, wenn man auch darstellen kann, was man aus dem Scheitern lernen konnte, wie sich auch und gerade dadurch dann vielleicht doch Dinge bewegen, die man so nicht vermutet hätte.
Grossjohann: Dem ist kaum was hinzuzufügen. Seid achtsam in Eurer Bewerbung und lasst alle daran teilhaben, die sich bei Eurem Thema bewährt haben. Ihr werdet sie brauchen, denn wenn Ihr gewinnen solltet, könnte es der Anfang von etwas noch Größerem sein, was an diesem Tag beginnen könnte.
Über den NEW WORK AWARD
Um allen BewerberInnen die Möglichkeit zu geben, sich für den diesjährigen NEW WORK AWARD trotz oder gerade angesichts der bestehenden Herausforderungen zu bewerben, haben wir entschieden die Bewerbungsfrist bis zum 30.06.2020 zu verlängern.
Gleichzeitig entstehen durch die Krise aber auch ganz neue Dimension und Potentiale von New Work. Diese wollen wir jetzt im NEW WORK AWARD verankern und haben ihn deshalb um die Sonderkategorie „NEW WORK CRISIS HERO“ erweitert.
Mehr Infos dazu gibt es hier >>
Über die NWXnow
Spannende Thesen und Meinungen, Ausblicke in die Zukunft der Arbeit und Erfahrungsberichte von Innovatoren, Krisenmanagern und New Work Afficionados gibt es täglich bei der digitalen Formatreihe NWXnow. Wir möchten weiterhin ein Forum für die Diskussion zur Zukunft der Arbeit bieten. Denn wir sind davon überzeugt: Es geht mehr denn je um die Frage, wie wir die Weichen für eine zukünftige Arbeitswelt stellen, in der wir arbeiten wollen. Um Klarheit und Orientierung zu schaffen, sprechen wir dazu regelmäßig mit unterschiedlichten Experten, Vordenkern und Praktikern.
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