Sexuelle Belästigung im Job – Juristin klärt auf: 4 Wege, um Dich als Opfer zu wehren
Was kannst Du tun, wenn Du am Arbeitsplatz belästigt wirst? Wo bekommst Du Unterstützung? Und wofür musst Du Dich wappnen, wenn Du Dich mit aller Kraft wehren willst?
Genau diese Fragen klären wir in der neuen Folge unseres Podcasts Work Exposed mit der Anwältin und Expertin für Antidiskriminierungsrecht Yara Hofbauer. Denn Studien zeigen: Sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch im Job sind keine Randerscheinung, sondern trauriger Arbeitsalltag. Trotzdem reden nur wenige über ihre Erfahrungen – aus Scham, Angst vor Konsequenzen oder weil sie unsicher sind, ob das Erlebte wirklich schon eine Belästigung im rechtlich relevanten Sinn war, erklärt Yara im Gespräch.
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„War das schon Belästigung?“ – Ja, auch kleine Grenzverletzungen zählen
In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde erfasst, welche Formen der sexuellen Belästigung im Arbeitskontext am häufigsten vorkommen:
62 % der Betroffenen berichten von sexualisierten Kommentaren.
44 % erleben unerwünschte Blicke oder Gesten.
26 % haben unerwünschte körperliche Berührungen erfahren.
Und trotzdem zweifeln viele Betroffene: „War das vielleicht einfach nur ein schlechter Scherz?“, „Übertreibe ich?“ – genau diese Unsicherheit hält viele zurück, gegen die Diskrimierung vorzugehen. Denn genau das ist es, sagt Yara Hofbauer:
Sexuelle Belästigung ist eine Form der Diskriminierung. Deswegen ist sie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geregelt; weil sie dazu führt, dass eine Person nicht in derselben Weise arbeiten kann, authentisch sein kann, sich sicher fühlt wie eine Person, die nicht sexuell belästigt wird.Yara Hofbauer, Rechtsanwältin und Expertin für Antidiskriminierungsrecht und Diversity
Diese Gesetze schützen Betroffene und geben ihnen die Möglichkeit, sich gegen die Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Wie das gelingt, was es zu beachten gilt und wofür Du Dich bei einem solchen Prozess wappnen musst, verraten wir Dir in der Folge.
Wie sexuelle Belästigung im Arbeitskontext per Gesetz definiert wird, haben wir in Teil 1 des Podcast-Zweiteilers ausführlich mit Yara besprochen. Hör da unbedingt mal rein: War das schon sexuelle Belästigung? 5 Fragen, die Dir helfen, Deine Situation bei der Arbeit einzuschätzen
4 Möglichkeiten, um Dich gegen sexuellen Machtmissbrauch zur Wehr zu setzen
Viele denken nach einem Übergriff: „Warum habe ich nichts gesagt?“ oder „Warum habe ich nur gelächelt?“. Doch solche Reaktionen sind in Schocksituationen absolut normal und menschlich, betont Yara. Wichtig ist vor allem zu erinnern: Egal, wie Du reagierst in dem Moment – Du bist nicht schuld daran, dass es überhaupt erst zu der Situation gekommen ist. Und Du kannst dagegen vorgehen.
1. Sprich mit einer Vertrauensperson 🗣️
Nicht jede Ansprechperson ist die richtige. Direkt zur Führungskraft zu gehen, klingt zwar logisch, kann aber unter gewissen Umständen strategisch nicht sinnvoll sein. Besser ist es, sich zunächst an Vertrauenspersonen zu wenden, rät Yara.
Betriebsrat oder Gleichstellungsbeauftragte (wenn vorhanden)
Externe Beratungsstellen, z. B. die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Kolleg·innen, die Dich unterstützen können
Gerade in kleineren Betrieben ohne offiziell ernannte Personen sind externe Beratungsstellen oft der sicherste Weg. Sie bieten nicht nur ein offenes Ohr, sondern können auch den Arbeitgeber direkt auffordern, Stellung zu beziehen, und Dich bei den bürokratischen Themen unterstützen.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes: https://www.antidiskriminierungsstelle.de
Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: https://www.hilfetelefon.de
BFF – Frauen gegen Gewalt e. V.: https://www.frauen-gegen-gewalt.de
Hilfe-Portal sexueller Missbrauch: https://www.hilfe-portal-missbrauch.de
2. Sichere Beweise – ohne Detektiv spielen zu müssen 🗂️
Falls Du Dich wehren willst, helfen Beweise. Doch niemand muss eine „perfekte Akte“ führen. Schon kleine Notizen oder Nachrichten können wertvoll sein:
Chatverläufe exportieren statt nur Screenshots machen
Tagebuch führen über Situationen und Gefühle
Freund·innen oder Kolleg·innen einweihen, die Deine Wahrnehmung bestätigen
Das Wichtigste: Dokumentiere für Dich – nicht für andere. Alles Weitere entscheidest Du später.
Was Du dabei außerdem beachten solltest, erfährst Du in der Podcastfolge: 🎧 Spotify | 🎧 Apple Podcast | 🎧 Amazon Music | 🎧 Podimo
3. Mut ist kein Alleingang – Such Dir Rückhalt 🫱🏼🫲🏾
Sich zu wehren, ist schwer. Besonders wenn Dir Druck gemacht wird oder Deine Wahrnehmung infrage gestellt wird. Umso wichtiger: Suche Dir Menschen, die Dir den Rücken stärken.
Freund·innen oder Kolleg·innen, die Dir zuhören
Vertrauenspersonen im Unternehmen
Externe Beratungsstellen, die rechtlich unterstützen
Und: Formuliere Deine Erfahrung als Deine Wahrnehmung („Ich habe mich bedrängt gefühlt“) statt als Tatsachenbehauptung („Er hat mich belästigt“). So schützt Du Dich vor Gegenangriffen wie übler Nachrede.
Bevor ich zu einer Beschwerdestelle gehe, sollte ich mir auch ein Wording überlegen, um später nicht das Thema der üblen Nachrede zu haben. Grundsätzlich gilt hier: keine Tatsachenbehauptungen, nur Meinungen.Yara Hofbauer, Rechtsanwältin und Expertin für Antidiskriminierungsrecht und Diversity
4. Wenn der Arbeitgeber nichts tut – Deine Rechte 🧑🏽⚖️
Manchmal bleibt Unterstützung durch den Arbeitgeber aus. Auch dafür gibt es rechtliche Möglichkeiten:
Beschwerde einreichen: Manche Firmen haben eigene Formulare oder Beschwerdestellen.
Arbeitsrechtliche Schritte: Innerhalb von 2 Monaten kannst Du Ansprüche geltend machen.
Leistungsverweigerungsrecht: Wenn keine Schutzmaßnahmen erfolgen, kannst Du die Arbeit niederlegen – mit weiterem Anspruch auf Gehalt (unbedingt rechtlich beraten lassen).
Fristlose Kündigung: Wenn die Situation unzumutbar ist, kannst Du das Arbeitsverhältnis sofort beenden.
🎧 Im Podcast erfährst Du im Gespräch mit Yara, welche Schritte realistisch sind und wie Du Dich vorbereiten kannst.
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Zeugen und stille Betroffene? Auch dann kannst Du etwas tun
Nicht nur direkt Betroffene leiden – auch Kolleg·innen, die Übergriffe beobachten, fühlen sich oft unsicher. „Ich muss nicht direkt angegriffen worden sein, um von Belästigung zu sprechen. Es geht darum, dass für mich ein Umfeld geschaffen wird, das unangenehm ist, wo ich mich nicht wohl und nicht sicher fühle“, erläutert Yara.
Wenn Du Zeug·in bist, kannst Du helfen:
Solidarität zeigen: Sag der betroffenen Person, dass Du etwas gesehen hast.
Unterstützung anbieten: Frag, ob sie reden möchte.
Selbst melden: Auch Du kannst eine Beschwerde einreichen, wenn Du Dich unwohl fühlst.
Am Ende zählt: Dein Wohlbefinden
Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind Realität – aber sie müssen nicht hingenommen werden. Ob Du Dich für eine Beschwerde entscheidest, rechtliche Schritte gehst oder erst einmal Rückhalt suchst: Es gibt Wege, die Dich stärken – ob laut oder leise.
Ich find es ist absolut legitim zu sagen, ich lasse mir keine einzige Grenzverletzung gefallen und ich möchte jeden Kampf kämpfen. Ich befürchte nur, dass das so die Ressourcen bündelt, dass man dann im Endeffekt nur ausgebrannt ist. Ich glaube persönlich, dass es sinnvoll ist, sich die Kämpfe gut zu überlegen.Yara Hofbauer, Rechtsanwältin und Expertin für Antidiskriminierungsrecht und Diversity
👉 Hör jetzt in unseren Podcast „Work Exposed“ rein, wenn Du mehr erfahren willst
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