So lehrte Dieter Schwarz Aldi das Fürchten
Anfangs hat der Lidl-Gründer den Rivalen kopiert, heute gilt sein Discounter als Vorreiter der Branche. Das sind die Erfolgsgeheimnisse des Ausnahmeunternehmers.
Düsseldorf. Beinahe wäre der Angriff auf Aldi am falschen Namen gescheitert. Doch dem Unternehmer Dieter Schwarz wurde rechtzeitig bewusst, dass es kein Erfolgsrezept gewesen wäre, seine 1973 mit der ersten Filiale in Ludwigshafen gestartete Discounterkette „Schwarzmarkt“ zu nennen.
Er wählte den Namen Lidl, der bereits Bestandteil des väterlichen Unternehmens war. Dass er diesen Namen aus rechtlichen Gründen nicht übernehmen konnte, stoppte Schwarz nicht. Er kaufte kurzerhand dem pensionierten Berufsschullehrer Ludwig Lidl für 1000 D-Mark die Namensrechte ab.
Anfangs noch schaute sich der findige Unternehmer von den Albrecht-Brüdern und ihrem Pionier-Konzept Aldi einiges ab. Doch bald schon entwickelte er eigene Ideen. Heute unterschätzen ihn die Discount-Konkurrenten nicht mehr. Denn der 83-Jährige, zu dessen Konzern unter anderem auch Kaufland gehört, hat einige Erfolgsgeheimnisse, die Aldi heute das Fürchten lehren.
1. Von Aldi lernen und weiterentwickeln
Die größte Stärke von Dieter Schwarz war immer seine Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. Er übernahm vom Vater die Großhandlung für Südfrüchte, aber ruhte sich darauf nicht aus, sondern entwickelte ein eigenes Geschäftsmodell.
Als junger Mann absolvierte er über den American Field Service ein Austauschjahr in den USA. Dort lernte er im Handel das Selbstbedienungsprinzip kennen, das ihn so faszinierte, dass er es in Deutschland umsetzen wollte.
Die Discount-Idee und einige Geschäftsprinzipien übernahm er in der Tat vom Rivalen Aldi. Doch es blieb nicht beim Kopieren. Er testete in den 1970er-Jahren einige unterschiedliche Discounter-Varianten, bis er sein eigenes Konzept fand. Auch in der Folge war er es zusammen mit seinen Managern, der bei der Weiterentwicklung des Discountgedankens vorne war.
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2. Größeres Sortiment und schickere Läden
Während die Albrecht-Brüder zunächst ausschließlich auf Eigenmarken setzten, weitete Schwarz die Discount-Idee von Anfang an auch auf deutsche und internationale Markenartikel aus. Diese verkaufte er günstig und lockte damit ein größeres Publikum in die Läden, die dann auch seine Eigenmarken kauften.
Ein Erfolgsprinzip der Albrecht-Brüder, an dem sie lange festhielten, war ihr sehr begrenztes Sortiment. Maximal 800 verschiedene Artikel bot ein Aldi an. Lidl dagegen kam schon rasch auf 1200 verschiedene Produkte.
Schneller als Aldi ging er auch mit dem Zeitgeist und richtete seine Märkte schicker ein. Auch hier mussten die Konkurrenten mit Milliardenaufwand nachrüsten, um weiter konkurrenzfähig zu bleiben. Lidl war auch der erste Discounter, der ab 1999 Scannerkassen einsetzte.
3. Höhere Produktivität in den Lidl-Filialen
Durch die Aufnahme von Markenartikeln ins Sortiment erweiterte Lidl nicht nur seinen Kundenkreis in die statusbewusste Mittelschicht. Das Unternehmen konnte auch seinen Umsatz im Vergleich zur Verkaufsfläche deutlich steigern.
Diese sogenannte Flächenproduktivität wurde zu einem der zentralen Erfolgsfaktoren. Die jüngste Ausgabe des Retail Real Estate Reports der Hahn-Gruppe beziffert die Flächenproduktivität von Lidl auf 9320 Euro pro Quadratmeter, das ist Spitze in der Branche. Aldi Süd kommt auf 8380 Euro, Aldi Nord nur 6450 Euro.
Lidl ist in den vergangenen Jahren auch deutlich schneller gewachsen als die Rivalen. Dadurch haben sogar die beiden Aldi-Ketten zusammengerechnet heute beim Umsatz nicht mehr die Nase vorn und liegen mit rund 30 Milliarden Euro in Deutschland gleichauf mit Lidl. Das schafft dieser aber mit nur gut 3200 Filialen. Beide Aldi-Zweige haben zusammen knapp 1000 Filialen mehr.
4. Lidl expandierte erfolgreich im Ausland
Ein geschicktes Händchen bewies Dieter Schwarz auch bei der Expansion in neue Märkte. Besser als Aldi konnte sich Lidl häufig an national unterschiedliche Kundenwünsche anpassen. Das zeigte sich beispielsweise in Frankreich, wo Lidl und Aldi Nord fast gleichzeitig starteten, aber Lidl heute einen doppelt so großen Marktanteil hat.
Sehr konsequent hat Lidl auch die Wachstumsmärkte in Osteuropa besetzt. 2002 startete der Discounter in Polen, dann folgten Tschechien und Ungarn. Heute ist Lidl in neun Ländern in Osteuropa und in den drei baltischen Staaten vertreten. Aldi Nord ist nur in Polen, Aldi Süd in Slowenien und Ungarn.
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5. Von der Teilung von Aldi profitiert
Viele der Vorteile, die Lidl gegenüber Aldi hat, haben ihren Ursprung auch in der Tatsache, dass die Brüder Karl und Theo Albrecht ihr Imperium schon 1961 in einen Nord- und einen Süd-Teil getrennt haben. So konnte Lidl immer schon bundesweit Werbung schalten, was für Aldi lange schwierig war.
Auch ergibt sich Sparpotenzial, wenn man beispielsweise eine einheitliche, bundesweit organisierte Logistik betreiben kann oder Konzepte für den Ladenbau nur einmal entwickeln muss.
Profitieren kann Lidl damit auch von den großen Mengen im Einkauf, die dem Unternehmen aus Neckarsulm gute Einkaufspreise bescheren. Produktionsbetriebe für Eigenmarken und ein eigenes Entsorgungsunternehmen der Schwarz-Gruppe verschaffen Lidl und der Schwester Kaufland weitere Wettbewerbsvorteile.
Seit Jahren versuchen Aldi Süd und Aldi Nord, durch eine vorsichtige Annäherung und zunehmend gemeinsamen Einkauf dieses Handicap auszugleichen. Doch die unterschiedlichen Organisationen und nicht zuletzt IT-Systeme machen das sehr schwierig.
6. Straffe Konzernorganisation
Aldi setzte lange auf viele Regionalgesellschaften, die als eigene Unternehmen bilanzierten und starke Geschäftsführer hatten. Dieses Prinzip übertrug man auch auf die Auslandsgesellschaften, die sehr selbstständig wirtschafteten.
Bei Lidl dagegen hat die Zentrale schon lange sehr starken Durchgriff auf alle Unternehmensbereiche. Die Abläufe sind straff organisiert. Das hilft beispielsweise im Einkauf, Synergien zu heben, wenn verschiedene Länder die Sortimentspolitik und die Beschaffung harmonisieren.
Auch hier folgen jetzt die Aldi-Schwestern den Standards, die Lidl gesetzt hat. Aldi Süd hat mittlerweile eine zentrale Einkaufsorganisation mit Sitz in Salzburg, die de facto die neue Konzernzentrale ist. Aldi Nord hat gerade begonnen, die Organisation umzubauen in eine Holding-Struktur, bei der der Vorstandschef Durchgriff auch auf die Auslandsgesellschaften hat.
7. Lange Leine und enge Bindung
Was Dieter Schwarz auch sehr erfolgreich geschafft hat: Er hat rechtzeitig die operative Führung abgegeben, gleichzeitig aber bis heute nicht die Bindung zum Geschäft verloren. Der stets korrekt gekleidete Mann mit den halblangen, weißen Haaren und der randlosen Brille kommt immer noch regelmäßig ins Büro und ist bestens über die Geschäftslage informiert. Er ist ein Zahlenmensch, die Menschenführung hat er früh anderen überlassen.
Doch wenn es aus seiner Sicht notwendig ist, dann greift er ein. Als seine rechte Hand Klaus Gehrig nicht loslassen wollte und einen Machtkampf mit seinem potenziellen Nachfolger Gerd Chrzanowski anzettelte, kehrte Schwarz vorübergehend zurück und warf Gehrig raus. Nachdem sich Chrzanowski als Lidl-Chef bewährt hatte, durfte er anschließend die Leitung der ganzen Schwarz-Gruppe übernehmen.
Dieter Schwarz zeigt sich selten in der Öffentlichkeit, Bilder von ihm existieren so gut wie nicht. In Erscheinung tritt er nur bei seinen seltenen Auftritten als Mäzen, meist für Bildungseinrichtungen. Und bei der Feier zum 50. Geburtstag seiner Discountkette Lidl an diesem Dienstag wird er als stiller Beobachter genießen, wie andere darüber reden, wie Herr Schwarz an den Albrecht-Brüdern vorbeigezogen ist.
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