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Im Juni hat López den Vorstandsvorsitz bei Thyssen-Krupp übernommen. - Foto: Handelsblatt
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Thyssen-Krupp-Chef im Interview: „Viel zu lange wurden Versprechen nicht gehalten“

Seit einem guten halben Jahr leitet Miguel López den kriselnden Industriekonzern. Warum es unbedingt eine Vorstandserweiterung brauchte – und wie López Thyssen-Krupp aus der Misere führen will.

Essen. Seit sieben Monaten ist Miguel López Vorstandsvorsitzender von Thyssen-Krupp, gut ein halbes Jahr, in dem der Manager sich bereits bemüht hat, den Konzern strategisch neu auszurichten. Neben dem Börsengang der Wasserstofftochter Nucera und Verkaufsgesprächen über die Stahlsparte wurde zuletzt der Vorstand erweitert – damit brachte López die Arbeitnehmer gegen sich auf.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt begründet der Thyssen-Krupp-Chef den Schritt und erklärt, wie er den Industriekonzern endgültig aus der Schieflage führen will. Dazu brauche es eine gute Performance, Portfoliomaßnahmen und die grüne Transformation. Bei Letzterer benötige die energieintensive Industrie Unterstützung aus der Politik, sagt López. Er warnt, dass auch in diesem Kontext die steigenden Umfragewerte der AfD ein Risiko für Deutschland darstellen.

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Lesen Sie hier das vollständige Interview

Herr López, Sie sind seit sieben Monaten Vorstandschef von Thyssen-Krupp. Es gab eine ganze Reihe Misstöne. Zuletzt ging es ausgesprochen geräuschvoll zu. Haben Sie die Mannschaft gegen sich aufgebracht?

Wir haben eine Menge angestoßen und sind mit Tempo und Intensität unterwegs. Dass Veränderungen nicht überall auf Anhieb Begeisterung auslösen, ist so. Deshalb ist es wichtig zu erklären, was wir tun und warum.

Auf einer Sitzung des Aufsichtsrats Ende November kam es zum Eklat mit den Arbeitnehmern. Gegen deren Stimmen wurden zwei neue Vorstandsposten beschlossen.

Belange des Aufsichtsratsrats kommentiere ich selbstverständlich nicht. Gehen Sie aber davon aus, dass alle Beteiligten früh über die Gründe für die Entscheidung informiert waren.

Was soll mit der Erweiterung des Vorstands von drei auf fünf Positionen erreicht werden?

Mit der neuen Struktur führen wir im Vorstand eine klare Verantwortlichkeit für unsere fünf Segmente ein. Die ist nun einzelnen Vorstandsmitgliedern zugeordnet, die dafür zuständig sind, dass gesetzte Ziele auch wirklich erreicht werden. Ziele vereinbaren und ankündigen, dann aber nicht liefern – das darf es nicht mehr geben. Denn das schafft Enttäuschung auf allen Seiten, also bei den Investoren, Kunden und letztlich bei den Mitarbeitenden selbst und schränkt den Spielraum für Investitionen und Wachstum ein. Dazu braucht es eine gute Performance.

In der jüngeren Geschichte von Thyssen-Krupp hatte nie ein Aufsichtsratsvorsitzender mit seinem Doppelstimmrecht einen Beschluss durchdrücken müssen. Musste diese Brechstange sein?

Wir brauchen klare Verantwortung. Um diese Logik ging es: ein Geschäft – eine Verantwortung. Die Zahl unserer Führungskräfte haben wir im Übrigen nicht erhöht, denn beide neuen Vorstände waren auch vorher schon im Unternehmen und werden auf ihren bisherigen Positionen nicht ersetzt.

Für den Konzernumbau werden Sie aber die Rückendeckung der Arbeitnehmerbank benötigen. Wie geht es jetzt weiter?

Mir ist absolut wichtig, dass wir gemeinsam Wege finden. Wir haben eine fortwährend gute Zusammenarbeit bei Entscheidungen auf unterschiedlichsten Ebenen. Darauf bauen wir weiter.

Viel zu lange wurden Versprechen nicht gehalten. Jetzt müssen wir endlich liefern.
Miguel López, CEO Thyssen-Krupp

Mit dem Programm Apex will Thyssen-Krupp zwei Milliarden Euro einsparen.

Wir wollen das Ergebnis in dem Umfang verbessern. Da geht es um Disziplin, Konsequenz und intensive Arbeit und um ein segmentspezifisches Vorgehen durchdekliniert vom Verantwortlichen im Vorstand bis in jedes Geschäft. Einsparungen sind ein Hebel neben anderen. In der Tat ist es sehr wichtig, dass wir unsere Ziele erreichen. Bei meinen Gesprächen mit Vertretern vom Kapitalmarkt bekomme ich genau diese Rückmeldung. Viel zu lange wurden Versprechen nicht gehalten. Jetzt müssen wir endlich liefern.

Ihre Vorgänger haben den Absturz des Unternehmens nicht stoppen können. Was macht Sie so sicher, dass Ihnen das nun gelingt?

Wir haben eine Strategie, die funktioniert. Wir setzen an bei Performance, Portfolio und unseren Wachstumschancen durch die grüne Transformation.

Erklären Sie uns das bitte.

Wie wir die Leistungsfähigkeit und Profitabilität unserer Geschäfte verbessern, haben wir schon besprochen. Im Kern geht es ja darum, längst definierte Margenziele nun endlich in den kommenden zwei Jahren zu erreichen. Zugleich setzen wir auf die klimaneutrale Umstellung der Industrie. Heute hat unsere Stahlproduktion einen Anteil von 2,5 Prozent am deutschen CO2-Footprint. Entsprechend groß ist die Bedeutung der Dekarbonisierung beim Stahl. Und zugleich ist die grüne Transformation eine enorme Wachstumschance für viele Technologien und Geschäfte von Thyssen-Krupp.

„Energiepartnerschaft ist von zentraler Bedeutung“

Sich das Portfolio anzuschauen und auf grüne Technologien zu setzen, das haben schon Ihre Vorgänger gemacht.

Wir haben in nur wenigen Monaten eine Vielzahl konkreter Maßnahmen umgesetzt: Nucera ist an der Börse, hat eine bestens gefüllte Auftragspipeline und wächst sehr dynamisch. Auf der Klimakonferenz in Dubai war das Interesse an unseren Technologien für die Dekarbonisierung enorm. Wir haben die neue Unternehmensstruktur auf den Weg gebracht, Apex im Unternehmen verankert und mit unseren Zielen 2024/25 und zur angestrebten kontinuierlichen Dividendenfähigkeit wichtige Signale an den Kapitalmarkt gegeben.

Beim Thema Portfolio sind Sie aber nicht sehr viel weitergekommen.

Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Verselbstständigung der Marinesparte TKMS schneller abschließen können. In einer zentralen Frage sind wir allerdings einen wichtigen Schritt weiter: Inzwischen hat die Bundesregierung konkret zugesagt, sich mit einem möglichen Einstieg bei Marine Systems zu beschäftigen.

Und auch beim Stahl kommt Thyssen-Krupp nicht von der Stelle.

Wir sind in guten Gesprächen über ein Gemeinschaftsunternehmen mit EPH. Der heftige konjunkturelle Gegenwind am Stahlmarkt macht das Thema aber für alle derzeit noch anspruchsvoller.

Sie sprechen von der Holding des tschechischen Unternehmers Daniel Kretinsky, der als möglicher Käufer gilt.

Er ist interessiert, sich an einem Gemeinschaftsunternehmen zu beteiligen. Und für uns ist eine Energiepartnerschaft beim Stahl von ganz zentraler Bedeutung.

Stahl wird aber doch mit Kokskohle geschmolzen und nicht mit Strom. Warum also ein Partner, der sein Geld mit der Verstromung von Braunkohle verdient?

Für die Produktion klimafreundlichen Stahls brauchen wir in Zukunft statt Kohle enorme Mengen Wasserstoff und Strom. Die Erfahrung von EPH im Energiehandel und -management sowie künftig auch die Lieferung von erneuerbarer Energie stehen bei der Anbahnung einer Partnerschaft im Vordergrund.

Allerdings setzt Kretinsky gegenwärtig auf Braunkohle…

Alles ist in Bewegung. EPH baut eigene Kapazitäten bei den grünen Energien massiv aus. Daraus könnten größere Beiträge für den Betrieb unserer Anlagen kommen.

Ist der Schwenk von Kohle auf Strom ein Zeichen dafür, dass Thyssen-Krupp Steel Stahl in Elektroöfen produzieren wird, anstatt weitere Direktreduktionsanlagen zu bauen?

Bisher gibt es keine Entscheidungen. Mit den Fragen zum Bau weiterer DRI-Anlagen werden wir uns 2024 näher befassen.

Wir sollten alles gegen Diskriminierung und Hass tun. Die AfD schadet Deutschland.
Miguel López, CEO Thyssen-Krupp

Hängt dies an der Frage, ob die finanzielle Förderung durch den Staat weitergehen wird?

Heute ist nicht absehbar, dass solche Anlagen ohne Förderung realisiert werden können. Preise und Mengen für die erforderliche grüne Energie sind dafür einfach zu hoch und die Kostenunterschiede zu internationalen Wettbewerbern, die ihre Stahlproduktion nicht umfassend dekarbonisieren, zu groß.

Für die grüne Transformation und künftige Förderungen braucht es Unterstützung aus der Politik. Die AfD verzeichnet in aktuellen Umfragen Höchstwerte. Wie groß ist das Standortrisiko für die Industrie, das daraus entsteht?

Die Entwicklung ist nicht nur für die Industrie, sondern gesamtgesellschaftlich gefährlich. Es geht um die Werte einer freiheitlichen Demokratie und humanen Gesellschaft. Wir sollten alles gegen Diskriminierung und Hass tun. Die AfD schadet Deutschland.

Sie haben einen Job übernommen, an dem viele Manager vor Ihnen gescheitert sind. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass Ihnen der Konzernumbau gelingt?

Das Unternehmen hat zu viele Jahre hinter sich, die für alle im Unternehmen zermürbend waren. Wir müssen die Menschen da abholen, wo sie sind. Wir brauchen Entscheidungsfreude und dürfen keine Zeit verlieren. Dann werden die Ergebnisse besser und es gibt zunehmend Erfolgserlebnisse. Wird das gelingen? Ja, definitiv. Denn wir haben exzellente Mitarbeitende, wir haben einen tollen Kundenstamm und hervorragende Technologien. Und Thyssen-Krupp ist eine global bärenstarke Marke.

Herr López, vielen Dank für das Interview.

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