Überall Unsicherheit – wie Führungskräfte dennoch Sicherheit empfinden und stärken können
In unsicheren Zeiten brauchen Führungskräfte nicht nur Stabilität im Außen, sondern auch innere Sicherheit, um ihre Teams effektiv zu führen.
Mehr Sicherheit bitte – die 2 Sicherheitsquellen und wie wir sie stärken können
Wir leben in einer Zeit der Dauerbelastung. Wirtschaftliche Unsicherheiten, geopolitische Konflikte und gesellschaftliche Spannungen sorgen für ein Gefühl ständiger Alarmbereitschaft. Der jüngste Global Human Capital Trends Report von Deloitte zeigt: 63 % der Menschen empfinden ihren Alltag als „kontinuierlichen Krisenmodus“. Und laut dem Gallup Engagement Index 2024 haben nur noch 13 % der Beschäftigten in Deutschland eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber – ein drastischer Rückgang. Gleichzeitig nehmen psychische Erkrankungen zu, Krankheitstage aufgrund psychischer Diagnosen haben sich laut DAK-Psychoreport in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
63 % der Menschen empfinden ihren Alltag als „kontinuierlichen Krisenmodus“
Führungskräfte stehen inmitten dieser Entwicklung unter besonderem Druck: Sie sollen Orientierung geben, tragfähige Entscheidungen treffen, Teams stabil führen – und gleichzeitig selbst in ihrer Kraft bleiben. Doch wie gelingt das, wenn sich die Welt zunehmend unsicher anfühlt? Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis. Dabei geht es nicht nur um äußere Stabilität, sondern vor allem auch um innere Verankerung. In meiner Arbeit mit Führungskräften nutze ich ein Modell, das zwischen inneren und äußeren Sicherheitsquellen unterscheidet – zwei Dimensionen, die sich gegenseitig bedingen und stärken können.
Wir schöpfen aus inneren und äußeren Sicherheitsquellen
Innere Sicherheitsquellen umfassen das, was wir aus uns selbst heraus entwickeln können. Dazu gehört die Erfahrung von Selbstwirksamkeit – das Gefühl, etwas bewirken zu können. Studien der Harvard University zeigen, dass Menschen mit ausgeprägter Selbstwirksamkeit deutlich weniger Stress erleben. Auch Selbstmitgefühl, emotionale Selbstregulation und eine klare Werteorientierung spielen hier eine zentrale Rolle. Sie geben uns Halt, wenn im Außen vieles wankt. Ebenso wichtig ist das sogenannte Kohärenzgefühl, ein Begriff aus der Salutogenese-Forschung, der beschreibt, wie sinnvoll, verstehbar und handhabbar wir die Welt erleben. Vertrauen – in sich selbst, in andere, in das Leben – sowie Routinen und Rituale sind in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Gerade sie geben Struktur in einem oft unstrukturierten Alltag. Körperliche Verankerungen wie Atmung, Bewegung und Achtsamkeit wirken dabei wie innere Ankerpunkte.
Auf der anderen Seite stehen die äußeren Sicherheitsquellen: das soziale Netz aus Beziehungen, Zugehörigkeit und Unterstützung, das uns trägt – sowohl privat als auch beruflich. Aber auch äußere Rahmenbedingungen wie ein stabiles Lebensumfeld, finanzielle Sicherheit, klare Strukturen und verlässliche Kommunikation spielen eine Rolle. Systeme wie Gesetze, Institutionen und Gesundheitsschutz geben Orientierung. Zugang zu Bildung und Information stärkt Autonomie. Rückzugsorte – in der Natur, zu Hause oder auch digital – bieten Raum zum Regenerieren. Und nicht zuletzt sorgt technische Sicherheit, etwa im Umgang mit Daten oder Systemen, für ein Gefühl von Ordnung.
Auch in der Führung kann Sicherheit immer wieder hergestellt und gestärkt werden
Was bedeutet das nun konkret für Führung? Vor allem dies: Sicherheit ist nicht nur ein Zustand, den wir erwarten dürfen. Sie ist auch ein Ergebnis bewusster Gestaltung – in uns selbst und in unserem Umfeld. Routinen, regelmäßige Check-ins, transparente Kommunikation, klare Erwartungen und psychologische Sicherheit im Team sind keine „Soft Skills“, sondern essenzielle Führungskompetenzen.
Zugleich lohnt sich auch die persönliche Reflexion: Wie sicher fühle ich mich derzeit – innerlich wie äußerlich? In welchen Momenten fühle ich mich innerlich stabil? Welche meiner Ressourcen geben mir Halt? Was kann ich selbst tun, um meine Sicherheit zu stärken? Und: Welche äußeren Faktoren tragen dazu bei – oder fehlen aktuell? Was müsste sich verändern, damit ich mich ein bisschen sicherer fühlen würde? Diese kleinen Schritte sind oft der Beginn großer Veränderungen.
Denn Sicherheit entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Verbindung
Denn Sicherheit entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Verbindung. Sie beginnt in uns selbst – und entfaltet sich durch bewusste, aufrichtige und menschliche Führung. Vielleicht ist es genau das, was wir in diesen Zeiten am meisten brauchen: Führung, die nicht alles weiß, aber Haltung zeigt. Die nicht unverwundbar ist, aber verlässlich. Und die Sicherheit nicht verspricht, sondern möglich macht.