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Von wegen Fachkräftemangel! 5 Impulse für die Bewerbung

Fachkräftemangel allenthalben – ein Paradies für Jobsuchende? Von wegen. Fehleinschätzung oder gar Frust können die Bewerbung auch aktuell zu einer Herausforderung machen. Dieser Beitrag gibt 5 Impulse für die Jobsuche in Zeiten wie diesen.

„Von wegen Fachkräftemangel – das ist doch alles Schwachsinn!“

So derb sprach kürzlich eine gekündigte Führungskraft, als sie bei mir zur Beratung war. Ähnlich äußern sich bei uns viele Bewerber:innen – besonders wenn sie sich gerade zwischen zwei Jobs befinden. Das ist aus ihrer Perspektive absolut verständlich.

Denn wer gerade arbeitslos ist, fühlt selbst keinen Fachkräftemangel. Jobsuche und Bewerbung sind auch in diesen Zeiten für viele Menschen mit Verunsicherung und hohen Anforderungen verbunden. Hohe Forderungen an Bewerbungen, kaum Einladungen, keine Antworten oder fast nur Absagen – trotz Fachkräftemangels sorgt das Bewerben auch bei vielen gut qualifizierten Arbeitssuchenden für Frust.

Manche ambitionierte Bewerber:innen wiederum schätzen ihre Chancen zuerst hoch ein, ob des Fachkräftemangels schnell einen tollen Job zu finden, und sind dann umso mehr irritiert über die Herausforderungen.

Ja, ist denn wirklich Fachkräftemangel?

Dabei gilt tatsächlich: Die akute Lage am Arbeitsmarkt setzt viele Betriebe unter Druck. Ein paar Zahlen dazu:

  • 1,98 Millionen Stellen sind laut IAB-Stellenerhebung zurzeit in Deutschland zu besetzen.

  • Die Fachkräftelücke – also die Zahl der offenen Stellen, für die es rechnerisch bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt – betrug 2022 in Deutschland mehr als 630.000, sagt das KOFA-Institut.

  • 53 Prozent der Betriebe können aktuell nicht alle offenen Stellen besetzen, weil sie kein geeignetes Personal finden, weiß die DIHK.

Arbeitgeber:innen lassen sich immer mehr einfallen, um die Gunst der Jobsuchenden zu gewinnen. Ausgefeilte Recruiting-Strategien, zeitgemäße Bewerbungskanäle über WhatsApp oder Instagram und umfassendes Employer-Branding. Dabei bleibt es längst nicht beim berühmt-berüchtigten NewWork-Kicker oder dem Obstkorb für die Belegschaft.

Candidate-Experience, Augenhöhe und Wertschätzung sind nicht erst seit Kurzem Stichworte in diesem Kontext. Brechen nun also endgültig die rosigen Zeiten für Arbeitnehmer:innen an? Können Bewerber:innen den Spieß nun umdrehen und den Unternehmen eine lange Nase zeigen, nach dem Motto „Ätsch, nun sitzen wir am längeren Hebel!“? Könnte man meinen.

Jobsuche bleibt tricky in Zeiten des Fachkräftemangels: 5 Impulse für die Bewerbung

Dabei gilt, selbst wenn sich in vielen Bereichen des Arbeitsmarktes die Chancen grundsätzlich zugunsten der Bewerber:innen verschoben haben: Die Jobsuche bleibt trotz des vielbeschworenen Fachkräftemangels für die meisten Bewerber:innen tricky. Woran liegt das? Spannenderweise scheinen sowohl herkömmliche Strategien der Personalgewinnung einerseits und der Bewerbung andererseits ins Leere zu gehen. Mismatch ist dabei eines der Stichworte: Die „Königskinder“ kommen einfach nicht zusammen.

In unserer Arbeit mit Jobsuchenden und Gesprächen mit Unternehmen gibt es einige typische Aspekte in diesem Beziehungsgeflecht, aus denen sich meine folgenden fünf Impulse für die Jobsuche in Zeiten des Fachkräftemangels generieren:

💡 Impuls 1: Arbeitslosigkeit fühlt sich nicht an wie Fachkräftemangel – und das ist okay!

Wer den Arbeitgeber wechseln möchte, tut dies oft in einer Situation, die sich nicht gut anfühlt: Man möchte weg von etwas. Noch herausfordernder ist für die meisten Jobsuchenden die Situation „zwischen zwei Jobs“: Du weißt in der Regel nicht, wann das Ziel des neuen Jobs erreicht sein wird. Das „Fehlen“ einer Arbeitsstelle, verbunden mit materiellen Sorgen, zerrt an den Nerven, und Absagen auf Bewerbungen steigern nicht unbedingt das Selbstvertrauen. Auch heute noch empfinden viele Arbeitslosigkeit als Makel. Aber hey, ist doch Fachkräftemangel! Von wegen: Die Phase der Jobsuche ist meistens nicht geprägt von Leichtigkeit und Euphorie.

❗Das Wichtige: Es ist in völlig Ordnung, sich unsicher und unter Druck zu fühlen, denn so geht Jobsuche! Aber: Auch wenn das kein gewünschter Zustand ist, kann er ein wichtiger Antrieb für die Jobsuche sein.

💡 Impuls 2: Jobsuche ist komplex, auch in Zeiten des Fachkräftemangels

Manche Bewerber:innen starten in die Jobsuche in der Hoffnung, man brauche zu Zeiten des Fachkräftemangels nur ein, zwei Bewerbungen zu schreiben und hui – der neue Job ist erreicht. In Ausnahmefällen mag dies auch zutreffen. Für gewöhnlich läuft die Jobsuche so aber nicht ab. Berufseinsteiger:innen, Menschen, die einen Quereinstieg versuchen, und Lebenserfahrene gleichermaßen landen auch in Zeiten des Fachkräftemangels nur mit Anstrengung und Strategie den neuen Job – wenn es denn auch ein nachhaltig passender sein soll.

❗Trotz der geänderten Situation auf dem Arbeitsmarkt sind eine ausgereifte Recherchestrategie (auch im verdeckten Stellenmarkt), optimierte Bewerbungsunterlagen, Vernetzungsaktivitäten und eine gute Gesprächsvorbereitung immer noch wichtig, um ans Ziel zu gelangen.

💡 Impuls 3: Böse Falle „Fachkräftemangel“ – Achtung vor dem falschen Job!

In letzter Zeit begegnen uns häufiger Bewerber:innen, die in der Probezeit ihren letzten Job gekündigt haben. Das Phänomen dahinter ist, dass man sich zu schnell auf einen gemeinsamen Weg einigt, ohne eingehend zu prüfen, ob man wirklich zueinander passt. Blind Signing nennt das XING-Insider Bernd Slaghuis. Wer blind unterschrieben hat, wird dann schlimmstenfalls nach ein paar Monaten feststellen, dass dieser Arbeitgeber nun wirklich nicht passt. Meist stellt sich das in den ersten Monaten heraus. Alternativ auch erst nach ein, zwei Jahren. Bisweilen werden Bewerber:innen auch mit den üblichen „newworkigen“ Versprechen oder üppigen Rahmenbedingungen geblendet.

❗Darum ist es lohnenswert, vielleicht sogar notwendig, spätestens vor der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag einen Kulturcheck bei XING oder kununu durchzuführen oder gar einen Schnupper-Probearbeitstag einzulegen.

💡 Impuls 4: Augenhöhe in Zeiten des Fachkräftemangels? Besser beiderseits

Der Fachkräftemangel hat wirklich zu Veränderungen bei vielen Arbeitgebern geführt: Immer mehr Unternehmen bemühen sich, Bewerber:innen auf Augenhöhe zu begegnen, die sogenannte Candidate-Journey zu verbessern, entspannte, wertschätzende Jobinterviews zu führen und ein herzliches Onboarding in den ersten Tagen und Wochen des neuen Jobs zu gewährleisten. Auch das lässt sich übrigens mittlerweile in den Bewerber-Erfahrungen bei kununu nachlesen.

Wenn man mit Personalverantwortlichen spricht, hört man immer häufiger die Geschichten von Jobsuchenden, die ihren vermeintlichen, durch den Fachkräftemangel bedingten Marktvorteil ausspielen, von wegen: „Jetzt zeigen wir den bösen Arbeitgebern endlich mal, wer hier das Sagen hat!“. Das böse Erwachen folgt dann prompt: Wer als Kandidat:in überzieht, hat eher keine Chance auf Einstellung und kann sich nicht wundern, wenn die Jobsuche nicht funktioniert. Dass man einander auf Augenhöhe und wertschätzend begegnet – nun, davon bin ich eigentlich ausgegangen.

❗Dennmal ehrlich: Wer möchte schon mit jemandem zusammenarbeiten, der sich als Bewerber:in arrogant oder wie der letzte Ar*** verhalten hat?

💡 Impuls 5: Der Wettbewerb ist nicht vorbei; sei stets eine eine Nasenlänge voraus

Auch in Zeiten des Fachkräftemangels ist das längst nicht passé: Mehrere, teils viele Bewerbungen auf eine Stelle. Der Wettbewerb unter Bewerber:innen ist nicht vorbei. Besonders Stellen bei namhaften und/oder beliebten Unternehmen sind nach wie vor gefragt. Auch bei bestimmten Bewerbergruppen wie der Generation 50 plus, in ausgewählten Branchen wie dem Kulturbereich oder bei den begehrten Teilzeitstellen ist der Wettbewerb mit anderen Jobsuchenden immer noch oft eine Herausforderung.

❗Und auf einmal ist „dieses besondere Etwas“ vielleicht entscheidend: So gibt die erste Praxiserfahrung der Berufseinsteigerin vielleicht den Ausschlag. Oder dem Quereinsteiger dient die aktuelle Weiterbildung zum „Digital-Change-Manager“ als Update für den Arbeitsmarkt, über das er an seinen neuen Job kommt.

Fazit: Engagierte Arbeitssuche nützt auch in Zeiten des Fachkräftemangels

Der Fachkräftemangel verschiebt die Koordinaten am Arbeitsmarkt. Viele Unternehmen müssen sich anstrengen, die passenden Kandidat*innen für die zu besetzenden Stellen zu finden. Die Phase der Jobsuche bleibt dennoch für viele Bewerber:innen eine Zeit der Herausforderungen. Es lohnt sich deshalb, die Arbeitssuche mit Engagement, Geduld und gutem Netzwerk anzugehen.

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___________________ Wer schreibt hier? Lars Hahn ist Diplom-Pädagoge und Geschäftsführer der LVQ Weiterbildung und Beratung GmbH, die Weiterbildungsangebote u.a. zu Digital- und Online-Themen durchführt, die größenteils auch durch den Bildungsgutschein der Agenturen für Arbeit finanziert werden. Er engagiert sich in verschiedenen Netzwerken unter anderem bei Weiterbildung im Revier e.V., im Weiterbildungsforum Oberhausen-Mülheim und im Netzwerk Weiterbildung und schreibt hier bei XING als Insider für Weiterbildung. 👉 Lars Hahn jetzt folgen und keine Inhalte mehr verpassen!

Lars Hahn schreibt über Weiterbildung, Digitalisierung, Arbeitsmarkt

Als Trendschnüffler, Karriereberater und Leiter der LVQ Weiterbildung gGmbH schreibe ich über die Veränderung unserer Arbeitswelt durch die Digitalisierung und darüber, wie Sie sich per Weiterbildung und andere Wege fit für Ihre berufliche Zukunft machen.

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