Warum halbherziges New Work völlig kontraproduktiv wirkt
Welche Arbeitsformen fallen in die Kategorie New Work? Bedeutsam sind alle Konzepte, die dem Mitarbeitenden eine möglichst flexible Lebensgestaltung ermöglichen. Hierzu gehören Homeoffice, Coworking-Spaces, Gleitzeit oder Sabbaticals. Eine strikte fachliche Trennung von Arbeitsgruppen wird ersetzt durch gemischte Teams. Klingt doch absolut sinnvoll – warum sollten Manager und Unternehmen ihren Mitarbeitern nicht eine möglichst flexible Lebensgestaltung ermöglichen wollen?
New Work: Welche Arbeitsformen gibt es?
Lass uns doch zuerst klären, welche Arbeitsformen aktuell unter New Work fallen.
Arbeiten in Coworking-Spaces: Sie sind als alternativer Raum zwischen Büro und Wohnung gedacht und fördern die Zusammenarbeit aller.
Desk-Sharing: Diese neue Arbeitsform sieht den Verzicht auf fest zugeteilte Arbeitsplätze vor: Damit sorgst du für zunehmende Flexibilität während der Arbeitszeit. Gleitzeiten werden die Regel. Jeder kann selbst entscheiden, ob er oder sie ins Büro geht oder im Homeoffice arbeitet.
Fluide Teams: Hinter dem Begriff des fluiden („fließenden“) Teams verbirgt sich das Aufbrechen starrer Teamgrenzen. Stattdessen arbeitet man in verschiedenen Konstellationen und kommt so mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt. Das fördert Lernbereitschaft und Sozialkompetenzen.
Virtuelle Teams: Die Digitalisierung in New Work macht es möglich: Virtuelle Teams können über die ganze Welt verteilt sein, sie arbeiten also ortsunabhängig und sind zum Beispiel einfach über Cloudlösungen miteinander vernetzt. Als selbstständiger Unternehmer ist es heutzutage nicht mehr ungewöhnlich, mit Geschäftspartnern zu arbeiten, die am anderen Ende der Welt sitzen oder gar im Urlaub vom Strand aus Kontakte pflegen. Das eröffnet dir die Möglichkeit, unabhängig von deinem Standort mit genau den Menschen zu arbeiten, die für dich die beste Wahl sind.
Immer noch völlig logisch, dass diese Arbeitsformen deinen Mitarbeiten das (Arbeits-)Leben erleichtert. Wenn du sagst, das haben wir schön längst alles umgesetzt – wunderbar! Doch vieler meiner Kandidaten erzählen mir ganz andere Geschichten.
Was sind die Vor- und Nachteile neuer Arbeitsformen
Die Vorteile
Bessere Work-Life-Balance durch flexible Arbeitszeiten,
höhere Familienfreundlichkeit durch bessere Vereinbarkeit von Karriere und Familie, zum Beispiel durch flexible Arbeitszeiten,
Zeitersparnis, zum Beispiel durch Homeoffice,
bessere Netzwerk- und Kooperationsmöglichkeiten durch flexible Auswahl des Arbeitsplatzes und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit,
mehr Motivation, Kreativität, Innovation und Produktivität durch flache Hierarchien und Entscheidungsfreiheit,
mehr Selbstbestimmung durch Anpassung der Arbeit an den individuellen Lebensstil,
höhere Produktivität durch weniger Ablenkung, wie etwa im Großraumbüro.
Die Nachteile
Beim Arbeiten im Homeoffice kommen soziale Kontakte oft zu kurz.
Die Einführung von New-Work-Konzepten verursacht zusätzliche Kosten und setzt bei allen Beteiligten eine hohe Bereitschaft zur Umstellung und Flexibilität voraus.
Der fließende Übergang zwischen Freizeit und Arbeitszeit kann Selbstausbeutung unterstützen.
Bestimmte Persönlichkeitstypen können sich durch die Anforderungen von New Work im Sinne von mehr Eigenverantwortung überfordert fühlen.
Der Realitätscheck
Eine höhere Anzahl von Mitarbeitern wollen freier, flexibler und selbstbestimmter arbeiten, egal welcher Generation sie angehören. Das sagen diverse Studien schon seit Jahren, da sind wir sicherlich gleicher Meinung.
Es macht auch aus Unternehmenssicht Sinn, seinen Mitarbeitern den Wunsch nach freiem, flexiblem und selbstbestimmtem Arbeiten nachzukommen. Die Vorteile habe ich oben angeführt.
Doch wer glaubt, dass folgende Punkte etwas mit New Work zu tun haben, irrt:
Meetings oder Jour-fixe-Termine vor 9 Uhr,
Anwesenheitspflicht im Büro am Montag oder Freitag,
vier Tage Homeoffice im Monat,
Genehmigungspflicht von Homeoffice,
Genehmigungspflicht von Gleitzeit,
nur ein einziges Jahreszielgespräch mit den Mitarbeitern,
eine Gehaltserhöhung um 3,5 %,
dein·e Vorgesetzte·r muss ständig genau wissen, woran du aktuell arbeitest,
dein·e Vorgesetzte·r glaubt, stets ungefragt die einzige Lösung zu haben,
jedes Projekt wird einfach zugeteilt, ohne dass du nach deiner Einschätzung dazu gefragt wurdest,
zum Thema Arbeitszeit und -volumen wird völlig über deinen Kopf hinweg entschieden etc.
Nein, diese Beispiele haben absolut nichts mit New Work zu tun, wie mir Kandidaten in unseren Sessions mitteilen, wenn es um ihre Kündigungsgründe und die Wechselmotivation geht. Diese Liste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, ist ein Resümee aus diesen Gesprächen. Deine Mitarbeiter kündigen unter anderem aus den genannten Gründen ihren Job. Sie sehen einfach keinen Sinn mehr darin, sich wie 1990 behandeln zu lassen.
Wenn du auf deiner Website kundtust, dass jeder Mitarbeiter beispielsweise von überall aus arbeiten kann, dann darf das im Arbeitsalltag auch der Realität entsprechen. Andernfalls werden diese Formen von Bevormundung und Fremdbestimmung über kurz oder lang mit Kündigung belohnt.
Ja, deine Mitarbeiter kündigen – und vor allem die guten, die diese Diskrepanz zwischen Sein und Schein nicht mehr ertragen können und wollen.