Zukunft machen: Ist “Zuhören” das Management-Tool der Stunde?
Ich brauche eine Pause: von meinem Küchentisch, dem Filterkaffee und den ewig gleichen Gesprächen meiner Nachbarn auf dem Balkon. Darum werde ich für ein paar Wochen in ein Ferienhaus in Portugal „umziehen“. Kein Problem, sollte man meinen. Wir arbeiten derzeit ohnehin alle remote. Als ich einen guten Freund fragte, ob er mitkommen wolle, bekam ich eine erstaunliche Antwort: „Das geht bei uns nicht.“ Seine Chefin sei nicht zu erweichen. Nach drei Monaten Homeoffice waren die drei Wochen Arbeiten aus der Ferne nicht drin. Mich hat diese Reaktion zum Nachdenken gebracht. Es wäre so einfach gewesen, einen Mitarbeiter richtig glücklich zu machen, zu motivieren und ans Unternehmen zu binden. Chance verpasst.
Was für meinen Freund die Remote-Arbeit ist, ist für andere die flexible Arbeitszeit, das Selbstmanagement-Training oder der ergonomische Bürostuhl. Wie wir diese individuellen Bedürfnisse erkennen? Nachfragen und zuhören. Nur so können wir herausfinden, was die Mitarbeitenden brauchen, um einen guten Job machen zu können.
Sicher: Hinhören kann anstrengend sein. Bei einem ehrlichen Austausch dringen auch Themen an die Oberfläche, die unbequem sind. Wenn Mitarbeitende Dinge einfordern, für die es noch keine Regularien gibt, braucht es auch ein wenig Mut. Es könnte sich trotzdem lohnen. „Choose courage over comfort“, schreibt die US-Autorin Brené Brown in ihrem Bestseller „Dare to lead – Führung wagen“, und vielleicht ist genau das ein guter Anfang. Trauen wir uns, neuen Ideen eine Chance zu geben. Sie könnten ja gut sein.
Bleibt gesund,
Henrietta Reese
Redakteurin XING News
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Editorial 27. Mai
Experimentieren Sie schon – oder arbeiten Sie noch
Sind Sie zum Arbeiten auch wieder zurück ins Büro gekehrt? Ich selbst war vergangene Woche zum ersten Mal wieder an meinem regulären Arbeitsplatz. Es fühlte sich an wie Geburtstag und Weihnachten zugleich. Mit einem Mitarbeiter ging ich zu Mittag essen, mit einer Kollegin plauderte ich zum ersten Mal seit über zwei Monaten ein wenig auf dem Flur - natürlich immer mit dem nötigen Sicherheitsabstand zwischen uns. Noch sind die XING Großraumbüros vergleichsweise leer, aber ich ging gut gelaunt wie lange nicht mehr nach Hause. Auf dem Rückweg kam mir dann der Gedanke: Was, wenn das Arbeiten im Büro künftig nicht mehr Normalzustand, sondern ein Bonus sein wird wie früher der Dienstwagen?
Viele Techkonzerne aus dem Silicon Valley sind bereits vorgeprescht: Twitter, Facebook, Google, Shopify - bei allen darf künftig entweder ganz oder bis Jahresende aus dem Homeoffice gearbeitet werden. Facebookchef Mark Zuckerberg sagte in einem Interview, er gehe davon aus, dass Homeoffice mittelfristig zur Regel werde. Für Unternehmen, die auf Wissensarbeiter angewiesen sind, kann das viele Vorteile mitsichbringen. Sie könnten Talente künftig problemlos weltweit rekrutierten. Zugleich gäbe es wohl aber auch Nachteile zu bedenken: Das Wir-Gefühl und der Zusammenhalt könnten verloren gehen, wenn wir uns nicht mehr regelmäßig persönlich begegnen. Arbeiten bekäme womöglich einen ganz anderen Stellenwert in unserem Leben.
Viele Unternehmen loten deshalb noch aus, wie sie Arbeit nach Corona organisieren wollen. Noch befinden wir uns damit mitten im größten globalen Experiment, das es mit der modernen Arbeit je gegeben hat. Die ganzen Ausmaße dieses Großversuchs werden wir erst in ein paar Jahren richtig verstehen können.
Bleiben Sie gesund,
Ihre Astrid Maier
(Chefredakteurin XING News)