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Stressiges Stadtleben im Tausch gegen harte Arbeit auf dem Bauernhof? © Thomas Neubauer

Beruf oder Berufung? Vom Hörsaal in den Kuhstall

Madeleine Becker arbeitet auf einem Bauernhof und hat über 40 000 Follower auf Instagram. Für das Leben auf dem Land hat die selbst ernannte „Kuhschelfachkraft“ ihr altes Leben in der Stadt aufgegeben. Hier erzählt sie, warum sie das glücklich macht.

Ein Interview von Anna Weyer

Du bist studierte Historikerin und lebst jetzt Dein Leben auf einem Bauernhof in Kärnten. Hattest Du manchmal das Gefühl, Deine Ausbildung wegzuschmeißen?

Madeleine Becker: Was ich während meines Studiums gelernt habe, das nimmt mir niemand mehr weg. Dementsprechend habe ich auch nicht das Gefühl, etwas wegzuwerfen. Dass ich auf einen Bauernhof gezogen bin, ist für mich zudem keine Einbahnstraße. Es wäre vermutlich nicht so einfach, wieder als Historikerin einzusteigen, aber es ist kein Ding der Unmöglichkeit.

Dass ich auf einen Bauernhof gezogen bin, ist für mich keine Einbahnstraße.
Madeleine Becker

Wie ist Dein Umfeld mit deinem Karriereschwenk ungegangen?

Madeleine Becker: Es gab schon viel Kritik. Mein Papa war beispielsweise am Anfang sehr, sehr skeptisch. Er sagte in etwa: „Du hast du so lange studiert und Du hast so viel im Kopf und jetzt stehst Du im Kuhstall.“ Aber ich bin erfolgreich mit meinem Beruf als Bauernhofbetreiberin und Influencerin. Mittlerweile ist er mein größter Fan. Und er hatte ja auch keine andere Wahl, als meinen Entschluss zu akzeptieren.

In Deinem Buch „Erstmal für immer: Vom Hörsaal in den Kuhstall“ beschreibst Du Dein altes Stadtleben in Jena als relativ trist. Warum warst du nicht glücklich?

Madeleine Becker: Trist ist der falsche Ausdruck dafür. Es war stressig, wie Stadtleben nun mal so ist, wenn man auf zehn Hochzeiten gleichzeitig tanzt. Aber es war nicht so, dass ich per se das Stadtleben gehasst habe. Die Begeisterung für das Leben hier hat schlussendlich überwogen.

Was ist an Deinem jetzigen Leben besser?

Madeleine Becker: Jeder Tag ist anders, auch wenn ich das manchmal verfluche. Morgens und abends steht Stallarbeit an, aber alles dazwischen variiert, sodass man nie vorhersagen kann, was kommt. Man muss also wahnsinnig flexibel sein und durch die körperliche Arbeit fällt man abends ganz anders ins Bett – erschöpft, aber gleichzeitig zufrieden. Für mich ist das eine gute Kombination aus körperlicher Arbeit auf dem Bauernhof und dem Schreiben meines Blogs.

Wann machst Du Feierabend?

Madeleine Becker: Ich versuche, um neun das Handy wegzulegen. Das funktioniert aber selten. Ich möchte abends auf Instagram noch etwas posten, komme aber nicht immer dazu, es am Tag schon vorzubereiten. Wenn wir hier Action am Hof haben, zieht sich das gern in die Länge. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Tag um 6 Uhr anfängt und erst abends um 9 oder 10 Uhr endet.

Wann wusstest Du, dass ein Leben auf dem Bauernhof Dein Traumberuf ist?

Madeleine Becker: Diese utopische Vorstellung vom Leben auf einem kleinen Hof mit Gemüsegarten und Hühnern hatte ich irgendwie schon immer. Und dann bin ich im Urlaub hier gelandet. Es hat alles so gut gepasst, das war schon kitschig. Jedes Mal, wenn ich wieder zurück nach Jena fahren musste, war ich in Gedanken schon bei meinem nächsten Besuch auf dem Bauernhof. Das war schon ein sehr eindeutiges Zeichen dafür, dass der Bauernhof der richtige Ort für mich sein könnte.

Wenn man nicht mit Leidenschaft dahinter steht, scheitert man.
Madeleine Becker

Ist das noch ein Beruf oder schon Berufung für Dich?

Madeleine Becker: Berufung. Wir sind ein kleiner Betrieb, an dem man nicht das große Geld verdient. Wir stehen sieben Tage in der Woche morgens und abends im Stall, an Silvester, an Neujahr, an Heiligabend, an unserem Geburtstag, immer. Wenn man nicht mit Leidenschaft dahinter steht, scheitert man.

Mit welchen Herausforderungen muss man umgehen können, wenn man so radikal wie Du den eigenen Weg geht?

Madeleine Becker: Für mich war anfangs das Dorfleben eine echte Herausforderung. Gerade als Deutsche hier in Österreich hat man nicht den besten Stand. Rückblickend sind auch einige Freundschaften in die Brüche gegangen, wobei das im Endeffekt wohl auch keine wirklichen Freunde waren. Ich war nicht mehr so häufig verfügbar wie davor, weil ich eben meinen eigenen Weg gegangen bin. Damit kommt nicht jeder zurecht.

Was rätst Du anderen, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind und ihren eigenen Weg noch nicht gefunden haben?

Madeleine Becker: Einfach ausprobieren, auch auf die Gefahr hin, dass man scheitert. Ich möchte mir nicht mit 90 Jahren die Frage stellen „was wäre gewesen, wenn…?“. Ich stelle mir immer das Schlimmste vor, was passieren könnte. Und es stellt sich immer wieder heraus, dass alles meist gar nicht so schlimm ist.

Siehst Du Dich selbst als Sprachrohr für junge Menschen in der Landwirtschaft?

Madeleine Becker: Mich als Sprachrohr zu bezeichnen, würde ich mir nicht rausnehmen. Ich habe diesen Beruf schließlich nicht gelernt. Außerdem ist jeder landwirtschaftliche Betrieb derartig individuell, dass man unmöglich für alle sprechen kann.

Die Zeiten, in denen sich alle diese unrealistischen, auf Hochglanz polierten Instagram-Profile angesehen haben, sind vorbei.
Madeleine Becker

Unter deinem Profil „frau_freudig“ hast du 41,9 Tsd. Follower auf Instagram. Was finden die Menschen an Dir so interessant?

Madeleine Becker: Ich bin von Grund auf ehrlich. Ich erzähle, wenn es nicht so gut läuft oder wenn ich einfach völlig am Boden bin und nicht mehr weiß, wohin mit mir. Die Zeiten, in denen sich alle diese unrealistischen, auf Hochglanz polierten Instagram-Profile angesehen haben, sind vorbei.

Kannst Du Dir vorstellen, irgendwann etwas anderes zu machen?

Madeleine Becker: Nein. Momentan ist es sehr gut so, wie es ist. Auch wenn man natürlich niemals etwas ausschließen sollte.

Hast Du auch schon einmal geträumt, Deinem Leben eine neue Richtung zu geben? Erzähle uns Deine Geschichte in den Kommentaren oder an redaktion@xing.com

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Zur Interviewpartnerin:

Madeleine Becker, geboren 1992 in Speyer, Rheinland-Pfalz, zog mit sechs Jahren in die Nähe von Köln. Später studierte sie Geschichte, Politik- und Kommunikationswissenschaften in Jena. Seit 2019 lebt und arbeitet die selbsternannte „Kuhschelfachkraft“ auf einem Bauernhof in Mörtschach in Österreich. Seitdem unterhält sie ihre stetig wachsende Followerschaft auf Instagram mit Fotos und Storys vom Hof.

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