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Alles zur Zukunft der Arbeit

Bleibt menschlich: So gelingt der Onboarding-Prozess auch in Krisenzeiten!

© Getty Images / A-Basler

Die Corona-Krise stellt nicht nur unser gesellschaftliches Leben auf den Kopf, sondern auch unsere Arbeitswelt - für viele Unternehmen bedeuten die aktuellen Einschränkungen eine massive digitale Umstrukturierung ihrer HR-Prozesse. Aber was heißt das eigentlich und welche Vorteile können in Krisenzeiten durch digitales Onboarding entstehen?

Wir haben mit Gregor Kalchthaler, Co-Founder von Intraprenör, gesprochen. Seine, als Start-up gegründete Unternehmensberatung in Berlin, entwickelt Transformations- und Lernprogramme und unterstützt Unternehmen im Wandel. 2018 wurde Intraprenör für die innovativen Ansätze mit dem New Work Award ausgezeichnet, 2019 als Personalberatung des Jahres. Im Gespräch erzählt uns der Gründer über die aktuellen Herausforderungen rund um das On- und Offboarding neuer Mitarbeiter und wie er herausgefunden hat, dass Empathie und Kreativität der Schlüssel für einen positiven Umgang mit der Krise sein können.

Bei Intraprenör gab es das „Digitale Onboarding“ auch schon vor Corona – warum macht Ihr das eigentlich virtuell?

Gregor Kalchthaler: Wir haben festgestellt, dass es innerhalb des Onboardings ein ganzes Set von Informationen gibt, das eigentlich immer Standard ist, egal für wen. Alle erhalten im ersten Schritt ähnlichen Input, aber was am Ende das gelungene Onboarding für den Menschen ausmacht, ist immer auch, dass er oder sie das Gefühl hat, individuell wahrgenommen zu werden. Die ganze Phase ist für beide Seiten total interessant und relevant. Wir nutzen ein selbstentwickeltes Onboarding Template über den Projektmanager Asana. Das enthält gibt’s rund 60 Aufgaben, die bei bestimmten Personen im Unternehmen liegen. Wir nennen diese Person den oder die „Buddy“, die dann auch das Onboarding für die neue Kollegin, den neuen Kollegen, leitet. Hinzu kommen zahlreiche Aufgaben für die Neuen. Diese Aufgaben sind spielerisch gestaltet wie z.B. „Finde heraus, wer René und Nadine sind.“ Wenn jemand neu anfängt, werden mehrere solcher Challenges verteilt, die sich wirklich nur um den persönlichen Kontakt drehen.

Worin liegt der Vorteil, der durch einen digitalen Onboarding-Prozess entstehen kann?

Gregor Kalchthaler: Ein gut durchstrukturiertes Onboarding bedeutet eine gute, positive Experience. Denn die neue Person hat von Anfang das Gefühl, etwas erreicht zu haben und nun selber den nächsten Schritt zu gehen. Was wir innerhalb des Onboardings leider oft erleben, ist, dass viel Zeit mit Warten verbracht wird, zum Beispiel auf das Notebook und weitere Devices. Das ist nicht nur frustrierend für die neuen Kollegen, sondern auch aus Arbeitgebersicht total kontraproduktiv, weil ich als Unternehmer doch das Ziel habe, die neue Person so schnell wie möglich in die Wertschöpfung einzugliedern und deshalb auch sicherstellen sollte, dass ein schneller Start möglich ist. Onboarding ist eine Phase, die einen festen Zeitrahmen und Struktur benötigt und keine zweistündige Aktion sein kann. Gerade wenn viele Leute gleichzeitig den Onboarding-Prozess durchlaufen, sollten die zuständigen Personen in der Organisation wissen, wer sich gerade an welchem Schritt seiner Onboarding-Phase befindet und an welchen Stellen ggf. noch Hilfe benötigt wird. Das Onboarding ist für uns auch immer eine Testphase, um von Anfang an zu schauen, ob es zwischen uns und der neuen Person passt. Daher haben wir bereits ganz am Anfang Feedback-Gespräche mit den Buddies integriert, die natürlich auch digital stattfinden können.

Nun haben wir schon einiges über die verschiedenen Steps innerhalb des Onboardings bei Intraprenör erfahren. Wie sieht es mit dem inhaltlichen Aufbau des Onboardings aus, gibt es da einen festen Fahrplan, der bei jedem neuen Mitarbeiter eingesetzt wird oder wird der Onboarding-Prozess je nach Position individuell gestaltet?

Gregor Kalchthaler: Ähnlich einer Employee Journey, die sich meist auf das gesamte Erlebnis eines Mitarbeiters bezieht, haben wir eine Onboarding Journey kreiert und jeden Step innerhalb des Onboardings analysiert, um herauszufinden, welche Parts automatisiert werden können und welche individuell gestaltet werden sollten. Es gibt auf jeden Fall einen sehr großen Teil, der standardisiert werden kann, wie z.B. das Einrichten von E-Mail Accounts. Bei Intraprenör nimmt die Unternehmenskultur eine sehr wichtige Funktion ein. Wir haben fünf verschiedene Werte, die für alle Personen im Unternehmen relevant sind. Und trotzdem hat jeder einzelne damit eine ganz individuelle Auseinandersetzung. Wir haben daher begonnen, Fragen von Personen, die bei uns angefangen haben, zu sammeln. Und zwar die Fragen, die diese Personen sich stellen würden, wenn sie mit den Werten in Berührung kommen. D. h. neue Bewerber profitieren von dem, was wir aus den Erfahrungen mit früheren Bewerbern aufgebaut haben. Und natürlich gibt es dann für jeden Job und jede Position ganz individuelle Anteile, wie z.B. die Crew mit der zusammengearbeitet werden muss. Dazu zählen natürlich auch die fachlichen Anforderungen an den jeweiligen Job. Hier muss wieder der zuständige Buddy schauen, welche Informationen der neue Mitarbeiter über seinen zukünftigen Job benötigt und von wem er alle relevanten Auskünfte erhält. Wir teilen unseren neuen Mitarbeitern schon innerhalb des Onboardings mit, bei welchen Themen es komplexer wird, bei denen es jetzt nicht ausreichen wird sich einen Tag einzulesen, Bereiche, in die man erst einmal hineinwachsen muss, um Abläufe und Entscheidungen wirklich zu verstehen und mitwirken zu können. Und wir sagen diesen Personen dann auch ganz offen:

Hey, das scheint vielleicht gerade gar nicht so einfach, aber das wird mit der Zeit. Nimm einfach mal in den nächsten vier Wochen an den Weeklys teil, so kommst du langsam rein und irgendwann hältst du deine eigenen Weeklys.
Gregor Kalchthaler

Wir befinden uns in Krisenzeiten und nun müssen auch Unternehmen, die zuvor kein digitales Onboarding genutzt haben, auf digital umschalten – welche Herausforderungen siehst du?

Gregor Kalchthaler: Selbst wenn man für diese Challenge gewappnet ist, d. h. Prozesse digital steuern kann über Homeoffice und Video Calls, gibt es trotzdem wahnsinnig viel, was man nicht steuern kann. Insofern ist die aktuelle Situation auch für gut vorbereitete Unternehmen und HR-Akteure ein Sprung ins kalte Wasser. Ich denke, es ist unglaublich schwierig für neue Mitarbeiter die Kollegen nicht live sehen zu können. Vielleicht nicht im ersten Moment, aber nach ein paar Wochen. Und auch umgekehrt ist allein die Suche nach neuen Mitarbeitern schon nicht einfach: Wenn wir jemanden vor der Einstellung nicht ein einziges Mal getroffen haben, stellt das immer auch eine enorme Herausforderung dar. Internationale Recruiter sind da natürlich besser dran gewöhnt - aber für die neue Person ist es wirklich ein großer Stretch, die fehlende Nähe zu den neuen Kollegen aufzubauen. Ich bin ein großer Fan von Trial and Error. Was Unternehmen gerade lernen können, ist tatsächlich das Lernen. Angenommen es fangen nächste Woche zwei neue Mitarbeiter an und die Personen, die jetzt das Onboarding auf die Beine stellen sollen, haben erst in einigen Wochen Kapazitäten für die Erarbeitung eines Konzepts, dann muss man da eben ohne durch. Natürlich wird es dann Dinge geben, von denen man erst hinterher weiß, dass sie nicht so gut funktioniert haben. Aber beim nächsten Mal macht man es besser. Betrachten wir auch einmal die Perspektive derer, die gerade neu irgendwo anfangen: Ich glaube jeder, der in der Krise gerade die Möglichkeit hat, in einem Team anzufangen,ist darüber sehr glücklich. Und das ganz unabhängig davon, ob der Onboarding-Prozess nun eine hervorragende Experience geboten hat oder nicht. Da kann man als Arbeitgeber auch ganz ehrlich kommunizieren: „Wir können Dir gerade kein optimales Onboarding garantieren, aber wir geben unser Bestes und gemeinsamen kriegen wir das hin.“

Habt Ihr aktuell Kunden, die besonders mit dieser ungewohnten Situation zu kämpfen haben?

Gregor Kalchthaler: Unser Kunden-Portfolio ist sehr vielseitig, von Startups bis hin zu nationalen und internationalen Konzernen und es ist erstaunlich, wie unterschiedlich sich die Corona-Krise in den verschiedenen Unternehmen auswirkt. Es gibt Unternehmen, in denen der Onboarding-Prozess und das Einstellen von neuen Mitarbeitern unbedingt weiterlaufen muss, wo dann auch diverse Prozesse dranhängen, wie z.B. IT-Organisation, Arbeitsplätze und Devices, die nun im Homeoffice eingerichtet werden müssen. Das sind prozessuale Vorgänge, die aktuell weniger bürokratisch organisiert werden und wo auch in Sachen Datenschutz an der ein oder anderen Stelle vielleicht mal ein Auge zugedrückt wird. Es gibt aber auch Kunden, die aufgrund der Krise nicht alle Mitarbeiter halten können - da geht es dann nicht mehr nur ums Onboarding oder um Kurzarbeit, sondern auf einmal auch um digitales Offboarding, was die Unternehmen noch einmal vor eine ganz andere Herausforderung stellt. Da wird schnell deutlich, wer in den letzten Jahren nicht nur in Digitalisierung, sondern auch in gute HR-Produkte und Tools investiert hat. Ich denke, dass viele Verantwortliche in den Unternehmen gerade auch zu Schritten gezwungen sind, die auch den Menschen im Einzelnen sehr weh tun und es besteht ein höchstmögliches Interesse daran, dass dieser Trennungsprozess für beide Seiten okay ist.

Welche Tipps kannst du Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mitgeben?

Gregor Kalchthaler: Bleibt menschlich, auch wenn wir uns innerhalb der HR-Prozesse digital bewegen! Innerhalb des Onboarding-Prozesses sollten jetzt keine Bots, Formulare oder Schriftverkehr vorgezogen werden - es geht um maximale Empathie für die Bewerber und neuen Mitarbeiter. Versetzt Euch in die Lage dieser Menschen, die zu Hause sitzen und mit einem neuen Team zusammenarbeiten müssen, das sie noch nicht persönlich kennen. Diese Menschen sind nun Teil von Video Calls in denen ggf. Insider-Witze fallen, die sie nicht verstehen - es ist wirklich wichtig, dass die Personalverantwortlichen und auch die Zuständigen aus den jeweiligen Teams proaktiv auf die Gefühlswelt der neuen Mitarbeiter eingehen und Unterstützung anbieten. Es sollte möglichst nicht passieren, dass ein neuer Mitarbeiter sich meldet, weil ihm seit fünf Tagen gewisse Zugänge fehlen. Genauso liegt es jetzt an den zuständigen HR-Bereichen, die Führungskräfte hierfür zu stärken und vorzubereiten. Kündigt Euren Führungskräften an, dass jemand Neues anfängt und bittet um proaktive Kontaktaufnahme, damit eine gute Experience für alle Beteiligten geschaffen werden kann. Selbst, wenn es einfach nur - ganz oldschool - ein Anruf per Telefon ist.

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