GENDER EQUALITY – weil Kompetenz keine Frage des Geschlechts ist
Jeder Mensch, der mit Gerechtigkeitssinn ausgestattet ist, sollte eigentlich ein Gespür für die Gleichbehandlung seiner Mitmenschen haben. Nur sind Vorstellungen und der Begriff von Gleichheit geprägt von historisch überkommenen Werten, sozialen Faktoren, festgefahrenen Strukturen, Religion u.a.
Um eine solche Kruste aufzubrechen, braucht es Richtlinien, die das Miteinander regeln. Zum ersten Mal tauchte die Forderung nach Gleichberechtigung während der französischen Revolution 1789 in der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ auf. Darin ging es zunächst nur um die Ebenbürtigkeit der sozialen Stände, bis zwei Jahre später mit der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ nachgebessert wurde. Bis zur Gleichberechtigung der Frau staatlicherseits, die sich im Wahlrecht dokumentierte, vergingen in Deutschland noch 130 Jahre.
Die Umwandlung vermeintlich hanebüchener Ansprüche in neue Selbstverständlichkeiten geht zähflüssig voran. Die Emanzipation der Frau hat entwicklungsgeschichtlich betrachtet gerade erst begonnen. Seit 1957 steht im Deutschen Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Das führte aber in der Praxis nicht automatisch zur Auflösung der Unterschiede. Erst nach 1969 wurden verheiratete Frauen als geschäftsfähig angesehen. Die Chance, ohne Zustimmung des Ehemannes arbeiten zu dürfen, bekamen sie nach Abschaffung des entsprechenden Paragraphen 1977. Die heutige Diskussion um gleichberechtigte Führungsansprüche im beruflichen Alltag wird auf der Basis dieser bisher errungenen Erfolge ausgetragen.
Das Ringen um die Gleichstellung der Geschlechter (Gender Equality) ist ein Prozess mit dem Ziel, die Gleichberechtigung auch tatsächlich in allen Ebenen der Gesellschaft umzusetzen. Flankiert wird diese Entwicklung von rechtlichen Eckpfeilern wie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Während im häuslichen Bereich eher mit Anreizen (Partnerschaftsbonus beim Elterngeld) gearbeitet wird, kann der berufliche Alltag über Verordnungen wie die Geschlechterquote modelliert werden. Vorstands- und Aufsichtsratsposten von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen müssen seit 2016 zu 30 Prozent von Frauen besetzt werden.
Es gibt neben dem Gender Pay Gap (20% in Deutschland, unbereinigt), der gläsernen Decke zum Weg in Führungspositionen, der Unterscheidung von typisch weiblichen oder männlichen Berufen, der unzureichenden Förderung von Mädchen für MINT-Fächer, der ungenügenden Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren auch noch vielfältige Mängel im Mindset der Mitmenschen, die eine wirkliche Gleichberechtigung verhindern oder zumindest verzögern. Dazu gehören scheinbare Kleinigkeiten, die sich selbst in den Jahresreport 2020 der „Initiative Chefsache“ einschleichen, deren Schirmherrin Angela Merkel ist und dessen Netzwerk sich „der Chancengleichheit von Frauen und Männern persönlich verpflichtet fühlt“.
Bei einer Umfrage zu den Lehren der Corona-Krise heißt es: „60% der Väter sehen die stärkere Unterstützung im eigenen Haushalt als einen Hauptgrund, über flexible Arbeitszeiten nachzudenken.“ So lange Männer den Haushalt der Familie nur „unterstützen“ und nicht selbstverantwortlich und paritätisch führen, ist der Gedanke der Gleichberechtigung nicht zuende gedacht