Interview mit Josef Pröll zu den Vorteilen in einer Genossenschaft
Die Einkaufs- und Marketingorganisation FirstOptiker hat sich bei ihrer Gründung vor 42 Jahren bewusst für die Gesellschaftsform der Genossenschaft entschlossen. Eine Genossenschaft hat – im Vergleich anderen Rechtsformen – für deren Mitglieder weitreichende Vorteile. Dipl.-Ing. Josef Pröll, Obmann des Raiffeisen Revisionsverbands für Niederösterreich und Wien wurde in einem Interview zu den Stärken der Rechtsform einer Genossenschaft befragt.
Welche Unterschiede bietet die Rechtsform der Genossenschaft gegenüber anderen Rechtsformen?
Pröll: „Ich bin ja mit quasi der Genossenschaftsidee aufgewachsen. Und für mich ist es vor allem das klare Wissen, dass man gemeinsam in der Genossenschaft flexibel, transparent und effizient etwas gemeinsam schaffen kann. Eine Genossenschaft ist das ideale rechtliche Konstrukt. Denn es gibt in einer Genossenschaft demokratische Prozesse, auf die man sich zu 100 Prozent verlassen kann. Dies ist in vielen anderen Gesellschaftsformen weder direkt noch transparent möglich. All dies macht die Rechtsform der Genossenschaft wirklich sehr attraktiv.“
Was sind die obersten Ziele und wesentlichsten Merkmale einer Genossenschaft?
Pröll: „Da ist zunächst das selbstbestimmte Handeln der Mitglieder in einer Genossenschaft anzuführen. Diese demokratische Mitbestimmung ist ein wesentlicher Eckpunkt. Erwähnenswert ist zudem das Identitätsprinzip der Genossenschaftsmitglieder, das sich in keiner anderen Gesellschaftsform so positiv zeigt wie in einer Genossenschaft. So kann man in einer Genossenschaft etwa Mitglied und Kunde zugleich sein.“
Welche Vorteile haben aus Ihrer Sicht die Genossenschafterinnen und Genossenschafter gegenüber jenen Personen die in anderen Rechtsformen Mitglieder sind?
Pröll: „Neben dem bereits erwähnten Identitätsprinzip ist die Tatsache, dass Genossenschaftsmitglieder mit Ihrer Stimme in der Generalversammlung sehr viel Macht haben und mitbestimmen können. Insbesondere was die Wahl von Vorstandmitgliedern, Aufsichtsrat betrifft. In diesen Organen können die Genossenschaftsmitglieder direkt demokratischen Einfluss nehmen. Das stärkt im Endeffekt den wirtschaftlichen Nutzen der Genossenschaft für all deren Mitglieder. Diese direkte Mitbestimmung jedes einzelnen Mitglieds stärkt das Verantwortungsbewusstsein der handelnden Personen in einer Genossenschaft. Zu guter Letzt kann man sich als Mitglied einer Genossenschaft auch auf eine funktionierende externe Revision und Prüfung des Unternehmens verlassen. Diese Kontrollfunktion gibt es zum Beispiel in anderen Rechtsformen de facto nicht und verleiht den Mitgliedern einer Genossenschaft große Sicherheit.“
Können Überschüsse und Gewinne in einer Genossenschaft aufgeteilt werden?
Pröll: „Tatsächlich gibt es in einer Genossenschaft im Rahmen einer Anteilsverzinsung auch die Möglichkeit einer Art Ausschüttung – allerdings transparent an jedes der einzelnen Mitglieder. Jedoch hat die Genossenschaft ja als vorrangige Ziele gemeinsam am Markt stärker zu sein und nachhaltig zu wirtschaften. Eine Maximierung der Ausschüttung ist demnach überhaupt nicht das Ziel einer Genossenschaft. Primär geht es in einer Genossenschaft darum, dass die Genossenschaftsmitglieder verlässlich einen ökonomischen Vorteil und eine Stärkung der gemeinsamen Interessen und der Marktmacht aller Mitglieder lukrieren. Ginge es um eine Gewinnmaximierung, dann sollte man lieber eine andere Gesellschaftsform als eine Genossenschaft ins Auge fassen.
Welchen juristischen und faktischen Einfluss haben die Mitglieder in einer Genossenschaft?
Pröll: „In Vergleich zu anderen Rechtsformen haben Genossenschaftsmitglieder deutlich mehr Rechte, da jeder Einzelne – insbesondere in der Generalversammlung – ein Stimmrecht innehat. Diese Generalversammlung ist das oberste Organ der Genossenschaft und viele Menschen können sich gar nicht vorstellen, dass damit von den Mitgliedern mehrheitlich und demokratisch der Vorstand und der Aufsichtsrat bestimmt und Statuten geändert werden können. Tatsächlich wird in einer Genossenschaft alles gemeinsam entschieden. Das stellt ein Unterscheidungsmerkmal zu allen anderen Rechtsformen dar. Dieses Unterscheidungsmerkmal ist so groß, dass viele Menschen dies gar nicht glauben können, wenn sie es nicht bereits selbst erlebt haben. Die Mitglieder können eigentlich den gesamten Kurs einer Genossenschaft ändern. Somit muss sich der Vorstand einer Genossenschaft immer anstrengen, da er ja auch demokratisch abgewählt werden kann. Somit kann ich nur für Genossenschaften werben.“
Welche Bereiche werden von externen Revisoren des Raiffeisenverbandes bei einer Genossenschaft, wie bei den FirstOptikern, jährlich geprüft?
Pröll: „Der wichtigste Punkt ist wohl der wirtschaftliche Jahresabschluss. Nahezu genauso wichtig ist jedoch die sogenannte Gebarungsprüfung durch unsere Revisoren. Dabei werden die Zweckmäßigkeit und der Ablauf wirtschaftlicher Entscheidungen des Vorstandes unter die Lupe genommen. Als dritten wesentlichen Punkt prüft die Revision ob die Entscheidungen des Vorstandes auch tatsächlich den Statuten der Genossenschaft entsprechen. Also ob der Zweck der Genossenschaft im jeweils vergangenen Jahr erfüllt wurde. Eine vergleichbare Art der Revision gibt es bei keiner anderen Gesellschaftsform.“
Welchen Sinn und welche Aufgaben hat die Generalversammlung einer Genossenschaft?
Pröll: „Die Generalversammlung ist das Non plus ultra um die Ausrichtung einer Genossenschaft zu prägen. Dort werden wie bereits ausgeführt der Vorstand und der Aufsichtsrat gewählt und gegebenenfalls Punkte der Statuten geändert. Sogar die Höhe des Mitgliedsbeitrages wird dort demokratisch von allen beschlossen. Durch diese Basisdemokratie können die Genossenschaftsmitglieder etwas bestimmen, an das sich der Vorstand in Folge halten muss. Am Ende des Tages können die Mitglieder in der Generalversammlung den Kurs einer Genossenschaft bestimmen. In einer Genossenschaft funktioniert das demokratische Prinzip wirklich.“
Ist das Genossenschaftsprinzip im digitalen Zeitalter eigentlich noch zeitgemäß?
Pröll: „Ja selbstverständlich. Die Genossenschaft ist immer dann die beste Rechtsform, wenn eine Gruppe Gleichgesinnter gemeinsam und demokratisch, mit der größtmöglichen Sicherheit, am Markt etwas bewegen will. Genossenschaften sind zudem enorm krisenfest.“
Macht es aus Ihrer Erfahrung für Augenoptiker und Hörakustiker Sinn der Genossenschaft der FirstOptiker beizutreten?
Pröll: „Ja das macht sicherlich Sinn, denn in der Genossenschaft können die einzelnen Mitglieder ökonomische Ziele erreichen, die sie alleine nicht erreichen könnten. Sie können Interessen bündeln und transparent wirtschaftliche Vorteile am Markt generieren. Zudem können die Mitglieder einer Genossenschaft auch wie bereits ausgeführt demokratisch mitbestimmen.“
Was raten Sie den FirstOptiker hinsichtlich einer optimalen Unterstützung für ihre Genossenschafterinnen und Genossenschafter?
Pröll: „Der wichtigste Punkt ist aus meiner Sicht die kontinuierliche Kommunikation zu den Mitgliedern hinsichtlich des ökonomischen Nutzens der FirstOptiker und deren aktuellen Themen und Ereignisse.“
Weitere Informationen im optikum, Magazin für Augenoptik und Optometrie.