NWX – New Work News

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Alles zur Zukunft der Arbeit

Kinderbetreuung 4.0 – auf dem Weg zu mehr Vereinbarkeit

Dieses Mal sprachen wir mit Sabine Wildemann und Felix Kosel von KidsCirle.io. Die beiden GründerInnen sind wahre Pioniere in der digitalen Kinderbetreuung. Ein Gespräch über Eltern, Kinder, digitale Betreuung – und betriebliches Familienbewusstsein.

Was ist KidsCircle.io – wann und wie kamt ihr zu dieser Idee?

KidsCircle.io bietet digitale Betreuung für Kinder im Alter von 4 bis 11 Jahren. Unsere Betreuung funktioniert wie eine Video-Konferenz, nur mit viel mehr Spaß. Bei uns treffen sich bis zu vier Kinder und werden von einem online-erfahrenen Kids-Coach liebevoll betreut. Die Coaches animieren die Kinder zum Basteln, Tanzen, Experimentieren, Zaubern und vielem mehr und haben vor allem Zeit für Gespräche.

Bei uns geht es um Spaß, Interaktion und Kindseindürfen. Ursprünglich wollten wir mit KidsCircle.io zusätzliche und flexibel buchbare Betreuungsangebote in Wohnortnähe schaffen, die Eltern an zahlreichen Standorten einer Stadt unterstützen. Die Pandemie war für unser digitales Betreuungsangebot ganz klar Innovationsauslöser, denn wir waren gezwungen, unsere eigentliche Idee komplett neu zu denken und nach neuen Ansätzen zu suchen, wie wir dringend notwendige Betreuungsangebote realisieren können.

Wir begleiten nun seit acht Monaten Eltern und Unternehmen auf dem Weg zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und freuen uns jeden Tag über glückliche Eltern und Kinder.

Welche Rolle spielte die Corona-Krise bei der (weiteren)Entwicklung der Geschäftsidee?

Für ein junges Start-up wie unseres ist die Pandemie eine große Herausforderung, die zunächst natürlich Unsicherheit mit sich gebracht hat. Wir hatten unseren Markteintritt zum ersten April 2020 vorbereitet und wollten an 15 Standorten in Berlin starten. All unsere Partner und Kids-Coaches standen in den Startlöchern, doch dann mussten wir Mitte März die Reißleine ziehen. Das war ein drastischer Schritt für uns alle. Nachdem wir dann alles “on hold" gesetzt hatten, haben wir eine Woche etwas orientierungslos das Weltgeschehen verfolgt und uns entschlossen, die aufkommende Energie in einem kreativen Prozess zu bündeln. Das war sehr spannend und inspirierend. Herausgekommen ist die digitale Kinderbetreuung.

Was waren die größten Herausforderungen, aber auch die größten Motivatoren?

Wie bei allen Start-ups zählten auch bei uns die limitierten Ressourcen zu Beginn zu einer der großen Herausforderungen. Parallel haben wir noch an einem Accelerator teilgenommen und hatten somit einiges auf dem Stundenkonto. Dazu kommt in unserem Fall, dass wir einen jungen, 3 Milliarden Euro großen Markt in Deutschland bedienen, der entwickelt werden muss. Das bedeutet Pionierarbeit und sehr viel Kommunikation. Die größte Motivation ziehen wir aus dem positiven Feedback der Eltern und Kinder. Es ist ein gutes und sinnstiftendes Gefühl, ein wertvolles und nutzbringendes Angebot geschaffen zu haben.

Viele HR/People Manager*Innen und Betriebsrät*Innen haben erkannt, dass für Mitarbeitende mit Kindern Lösungen geschaffen werden müssen, die mehr Vereinbarkeit in Beruf und Familie fördern. In unseren Gesprächen treffen wir auch immer häufiger auf Arbeitgeber, die über die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen hinaus ihre Verantwortung im Bereich Mitarbeitergesundheit sehen und wahrnehmen wollen. Das tun sie vor allem, indem sie den Mitarbeitenden Zugang zu flexiblen Mitarbeiter-Benefits ermöglichen; aus unserer Sicht eine Entwicklung in die richtige Richtung.

Wie genau muss ich mir die digitale Kinderbetreuung vorstellen?

In Anlehnung an die Villa Kunterbunt haben wir damals unser virtuelles KidsCircle-Haus mit verschiedenen Themenzimmern entwickelt. Die Kinder können aus fünf Zimmern eines auswählen oder auf unsere Entdeckertour durch drei Zimmer des Hauses gehen. Aktuell stehen den Kindern das Bastel- und Malzimmer, das Tanz- und Bewegungszimmer, ein Theaterzimmer, das beliebte Zauberei- und Experimentezimmer und das Spiel-, Vorlese- und Plauderzimmer zur Verfügung.

Eltern können täglich zwischen ein und zwei Stunden Betreuung online buchen und erhalten über einen Link den Zugang zur virtuellen Zimmertür. Nach dem Anklopfen werden die Kinder von unserem Kids-Coach hineingelassen, herzlich begrüßt und die Betreuung startet. Für Eltern und Kinder, die zum ersten Mal teilnehmen, bieten wir natürlich vorab eine Einführung von 10 Minuten an, um sich mit allem vertraut zu machen. Die Kinder und der Kids-Coach können einander sehen, hören und natürlich auch miteinander interagieren. Je nach Zimmer animiert der Kids-Coach die Kinder zum Basteln, zeigt ihnen kleine Zaubertricks oder denkt sich mit ihnen gemeinsam tolle Geschichten aus. Ganz häufig wird viel geplaudert und Kuscheltiere spielen natürlich eine zentrale Rolle bei uns (lacht).

Was versteht ihr unter flexibler Kinderbetreuung?

Eine gute Planung ist ja meist ganz schön, mit Kindern wird es dann oft doch ganz anders. Deshalb steht bei uns neben dem für uns wichtigsten Wert Vertrauen die Flexibilität ganz oben. Zunächst bieten wir ein sehr breites Zeitfenster an, d.h. Eltern können die Betreuungen täglich von 8 bis 20 Uhr nutzen, sodass sie bei uns auch am Wochenende oder zu Randzeiten nach der KiTa/Schule Unterstützung erhalten. Dazu kann jedes Betreuungsangebot bis zu drei Stunden vorher gebucht werden. Damit gewährleisten wir, dass auch kurzfristige Betreuungsbedarfe abgedeckt werden. Über unsere Hotline und den Kundenchat versuchen wir zusätzlich spontane Anfragen zu bedienen.

Wir treffen mit unserer großen Beweglichkeit den Zeitgeist, denn wir sehen alle, wie Arbeits- und auch Lebensmodelle zunehmend flexiblere Formen annehmen und viele Unternehmen neben Home-Office inzwischen auch mobiles Arbeiten anbieten. Immer öfter hören wir auch von Papa-Tagen innerhalb der “normalen Arbeitswoche”. Das ist großartig!

Wie haben Eltern die Idee von KidsCircle.io aufgenommen?

Die ersten Kinder durften wir am 31.3.20 in unserem KidsCircle-Haus begrüßen. Das war ein besonderer Tag. Uns war sehr bewusst, dass wir mit unserem Angebot Neuland betreten und deshalb lag unser Augenmerk von Anfang an darauf, liebevolle Betreuungsräume mit viel Zeit für die Kinder zu schaffen. Andererseits war uns wichtig, in einen engen Austausch mit den Eltern zu kommen. Wir haben viel beobachtet, kommuniziert und versucht zu erfassen, ob diese neue Form der Kinderbetreuung den Kindern guttut und wie sie damit umgehen. Dazu gehörten auch viele Tests, die wir durchgeführt haben; z.B. mit Gruppengrößen, Altersgruppen, Inhalten oder auch der Länge der Betreuungen.

Das Feedback der Eltern ist sehr positiv und wir lesen immer wieder von Kindern, die nach der Betreuung pfeifend durch die Wohnung laufen und abends beim Abendbrot einen kleinen Zaubertrick vorführen. Es gibt auch Eltern, die unsicher sind, da sie kein genaues Bild von dieser neuen Form der Betreuung haben. Aufgrund der digitalen Umgebung vermuten einige, dass sie ihr Kind vor dem Bildschirm “parken” würden. Wir raten daher allen, es einfach Mal zu probieren und zu erleben, wie viel Interaktion bei uns entsteht.

Wie nehmen die Kinder die digitale Betreuung auf?

Im Allgemeinen können wir feststellen, dass die meisten unserer kleinen Gäste keine Scheu haben. Sie sind neugierig und lassen sich offen auf die neue Umgebung ein. Kinder im Alter von vier und fünf Jahren benötigen meist zwei Betreuungen, bis sie die einzelnen Elemente erfasst haben: z.B. die Kids-Coaches, andere Kinder, natürlich die Technik, ihre eigenen Utensilien zum Basteln usw. Ab der dritten Betreuung sind sie selbstständig dabei und die Eltern können entweder nebenan arbeiten oder sich anderen Dingen widmen. Ältere Kinder finden sich meist, vermutlich aufgrund bereits erworbener Digitalkompetenz, bereits in der ersten Betreuung in die neue Umgebung ein.

Ein sehr schönes Beispiel ist das eines achtjährigen Jungen aus Offenburg, der sehr regelmäßig bei uns ist. Er ist großer Minecraft-Fan und hat in den Betreuungen die Gelegenheit, zusammen mit den Kids-Coaches in seine Welt einzutauchen. Sie erfinden gemeinsam neue Spiel-Charaktere, überlegen sich Namen und Kostüme, basteln die Figuren und denken sich Erweiterungen aus. Es freut uns sehr zu sehen, wie sich dadurch auch sein Horizont erweitert und wir ihm in seiner für ihn wichtigen Welt begegnen können. Weiter haben wir kleine Stammgäste, die den Kids-Coaches etwas beibringen, zum Beispiel ganz besondere Origami-Vögel falten. Oder solche, die sich nach einer Stunde Plaudern über die vergangene Woche wünschen, dass der Kids-Coach zum fünften Geburtstag nach Finnland einfliegt. Es ist schön zu sehen, wie über den digitalen Kanal Vertrauen und Wärme entsteht.

Wer betreut die Kinder?

In der Grundkonzeption von KidsCircle.io haben wir uns auch mit der Problematik des Fachkräfteengpasses an Pädagog*Innen in Deutschland auseinandergesetzt. Wir setzen daher in unserer Coach-Auswahl bewusst auf Menschen, die nicht zwangsläufig über einen pädagogischen Hintergrund verfügen, dafür aber eine mehrjährige Erfahrung in der

Betreuung von Kindern nachweisen. So haben wir von Artisten, Erlebnispädagog*Innen, Tanzlehrer*Innen, Theaterpädagog*Innen bis zu Museumspädagog*Innen, Klinik-Clowns oder Honorarkräften aus Schulhorten ein breit gefächertes Angebot an tollen Menschen an Bord, die Kindern eine gute Zeit schenken möchten. Und da die Qualität der Arbeit unserer Betreuungspersonen unser A & O ist, umfasst unser Bewerbungsprozess fünf Stufen.

Dazu hat jeder der Kids-Coaches ein erweitertes Führungszeugnis und eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, in der die gesundheitliche Eignung zur Ausübung als Betreuungsperson bestätigt wird. Bisher können Eltern auswählen, ob sie die Betreuung in deutscher oder in englischer Sprache wünschen. Spanisch ist bei uns auf Anfrage auch schon möglich.

Wovon profitieren Unternehmen, wenn sie die digitale Kinderbetreuung ihren Mitarbeitenden mit Kindern anbieten?

Wir sind überzeugt, dass im Zuge der Veränderung hin zu hybriden Arbeitsmodellen betriebliches Familienbewusstsein zukünftig ein zentraler Faktor in der Positionierung von Unternehmen sein wird. Mit der digitalen Kinderbetreuung haben Arbeitgeber ein innovatives und niedrigschwelliges Mitarbeiter-Benefit an der Hand, das durch Stressreduzierung die Gesundheit der Mitarbeitenden fördert, ihre Produktivität erhöht und vor allem für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und Berufsleben sorgt. Damit haben Unternehmen einen weiteren und vor allem flexiblen Baustein, um ihre Mitarbeitenden mit Kindern langfristig zu binden.

Neues starten: Wie habt ihr euch motiviert? Welche Learnings würdet ihr angehenden Gründer*innen mitgeben?

Felix Kosel: Ich finde die Herausforderung, Lösungen für ein Problem und somit einen Mehrwert zu schaffen immer wieder motivierend. Sich in die Perspektive anderer zu versetzen und aus deren Blickwinkeln zu schauen bereitet mir große Freude. Was auch gleich mein Tipp für andere GründerInnen ist. Zudem war ich schon immer jemand, der keine Scheu vor Neuem und viel Spaß am “Einfach-mal-machen” und am Umsetzen seiner Ideen und Träume hat.

Sabine Wildemann: Mich motiviert, mit KidsCircle.io ein innovatives Angebot in einen neuen Markt zu bringen, das einerseits einen relevanten Beitrag zur Lösung des gesellschaftlichen Betreuungsproblems leistet und andererseits international skalierbar ist. Meine wichtigsten Lessons learned der letzten zwei Jahre sind:

  1. Fokus setzen und halten
  2. So früh wie möglich mit potentiellen Kunden in den Austausch kommen
  3. Oft iterieren
Sabine Wildemann
Der Dialog mit den Kunden - und das möglichst früh im Projekt - ist Sabine Wildemann besonders wichtig.
Felix Kosel
Felix Kosel motiviert es, Lösungen für ein Problem und somit einen Mehrwert zu schaffen.
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