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"New Work beginnt bei jedem selbst"

Frische Ideen, Austausch mit Innovatoren und New Workern, die Neues probiert und aus Fehlern gelernt haben – das steht im Mittelpunkt der kommenden NEW WORK SESSIONS. Elly Oldenbourg ist eine der zahlreichen prominenten, mutigen und neugierigen SpeakerInnen, die am 6. November bei den NEW WORK SESSIONS in Wien sprechen.

Unsere Gesellschaft setzt Arbeit ja meistens mit Erwerbstätigkeit gleich. In diesem Sinne ist Arbeit für mich – und wahrscheinlich für fast alle Menschen – nur ein Bereich des Lebens. Und der ist mir zwar wichtig, aber nicht die Essenz für mein Wohlbefinden. Zu wirken und zu gestalten, einen Beitrag zu leisten in meinem eigenen Leben und in der Welt, das ist für mich wiederrum sehr wichtig.

In der Tat, ich bin sehr umtriebig, wirke viel, probiere viel aus. Kurz: Ich mache viel. Allerdings empfinde ich dieses „viel“ für mich als Reichhaltigkeit. Ich kultiviere ein reichhaltiges Leben in der Verschiedenheit meiner Tätigkeiten und meiner Beiträge. Der rote Faden über all meine Rollen hinweg ist mein authentisches Ich. Meine Fähigkeiten kommen viel stärker zum Ausdruck, nicht obwohl, sondern weil ich verschiedene Rollen kraftvoll besetze und gern die „Hüte wechsle“. Was ich dabei aber nie wechsle, ist mein Selbst. Insofern empfinde ich diese Diversität durchaus auch als „Zeit für mich“.

Gleichzeitig habe ich aber auch gelernt, Bedürfnisse zu schärfen und genau zu spüren, was ich brauche und orientiere mich immer weniger daran, dass das Maximum auch das Optimum ist. Das nimmt mir Druck und schenkt mir mehr Leichtigkeit. Dadurch lasse ich trotz meiner verschiedenen Wirkungsfelder deutlich mehr Ruhephasen zu, als noch vor ein paar Jahren.

Das bedeutet übrigens nicht, dass diese Art zu leben und zu arbeiten für mich die Definition von New Work ist. Das ist Typfrage. Alleine Mutter zu sein, ist schon ein Kraftakt an sich, der in der Gesellschaft und wirtschaftlich immer noch viel zu wenig honoriert wird.

Ich arbeite drei Tage die Woche in Teilzeit bei Google, das sind 60 Prozent einer Vollzeitstelle. Das habe ich nach meiner Elternzeit gezielt so gewählt – obwohl mein „Corporate Ego“ und viele aus meinem Umfeld mir davon abrieten. Seit zweieinhalb Jahren gehe ich also drei Tage die Woche meinem Job als Industry Manager nach, der mir großen Spaß macht. In den restlichen vier Tagen der Woche ziehe ich meine anderen Hüte auf, wie meine Selbständigkeit, ehrenamtliches Engagement, als Mama, Freundin, Tochter, und das mit mehr Ruhe und weniger Zeitdruck. Durch dieses Modell habe ich ein ganz neues Verhältnis zu mir, meiner Zeit und meinen Handlungsräumen bekommen – und setzte mich intern bei Google auch dafür ein, dass alternative Arbeitsmodelle einen anderen „Geschmack“ bekommen.

Elly Oldenbourg spricht am 6.11 auf der NWS in Wien darüber, wie sie New Work in der Praxis lebt. - © Privat
Elly Oldenbourg spricht am 6.11 auf der NWS in Wien darüber, wie sie New Work in der Praxis lebt. - © Privat

Nachdem mir klar war, dass ich vorerst nur noch drei Tage angestellt arbeiten möchte, habe ich mit sehr vielen Kollegen gesprochen und mir die unterschiedlichsten Möglichkeiten angeschaut. Bei Google in Deutschland hatte bis dato niemand das Jobsharing-Angebot genutzt. Relativ schnell habe ich dann eine aufgeschlossene Kollegin gefunden, die das Modell ebenfalls ausprobieren wollte. Die Chemie passte und unser gemeinsames Wertesystem stimmte überein. Trotzdem war das zu Beginn kein Durchmarsch. Wir hatten viele Gespräche mit der HR-Abteilung und mit unserem Chef, in welcher Art das Jobsharing-Modell funktionieren kann. Und: Wir mussten uns auch selbst erst einmal einspielen, wofür uns Google eine Testphase gewährt hat. Schnell wurden die vielen Vorteile des Jobsharings deutlich – und zwar nicht nur uns. Mittlerweile gibt es fünf Positionen bei Google in der DACH-Region, die im Jobsharing ausgeführt werden. In Zeiten von zunehmender Automatisierung und AI wird meiner Ansicht nach der zwischenmenschliche Faktor immer mehr an Bedeutung gewinnen. Jobsharing ist dafür eine fantastische Schule.

Ja. Mittlerweile läuft mir dieses Modell immer öfter über den Weg, was aber auch selektive Wahrnehmung sein mag. Beispielsweise die wunderbaren CHAN. Das sind Christiane Haasis und Angela Nelissen, die bei Unilever das Jobsharing-Modell erfolgreich auf Vice-President-Level fahren. Auch Beiersdorf oder Bosch sind Vorzeigekandidaten. Und der neuausgerufene Vorstand von SAP arbeitet im Grunde auch im Jobshare, mit dem Duo Jennifer Morgan und Christian Klein. SAP schreibt generell jede Management-Stelle optional als Tandem aus. Das empfinde ich als einen fantastischen Schritt der Offenheit mit hoher Signalwirkung.

Es ist klar, dass die strukturellen Veränderungen für Neues Arbeiten in den Unternehmen und der Politik stattfinden müssen Meiner Ansicht nach ist aber ein mindestens genauso wichtiger Anteil, auf sich selbst zu schauen: Welches Paradigma in Bezug auf Arbeit und Erwerbstätigkeit habe ich? Wie möchte ich meiner Zeit Wert geben? Diese Frage kann ich nicht auf ein Unternehmen abwälzen, sondern beginnt bei jedem selbst. Wie ich das mache, wird Teil meines Impulsvortrags sein, also möchte ich nicht zu viel verraten (lacht).

Unternehmen sollten sich meiner Ansicht nach stärker überlegen, in welche Richtung sie die Gesellschaft mitgestalten wollen. Denn mit der Gesellschaft wandelt sich die Arbeitswelt und vice versa. Unternehmen, die aufgeschlossen für alternative Arbeitsmodelle sind und mit einer Vorbildfunktion voranschreiten, haben in meinen Augen auch eine größere Chance, in Zukunft gute Leute zu finden.

Darüber habe ich keinen fundierten Überblick, ich bin ja New-Work-Expertin in der Praxis, nicht in der Theorie. Ich denke aber, dass wir in Europa weiter sind, was die sozialen Elemente von New Work angeht, alleine weil das Sozialsystem und unser Verständnis für Gemeinwohl typischerweise ein anderes ist. Was uns die Amerikaner sicherlich voraushaben, ist diese „Let’s-Try“-Mentalität. US-Unternehmen sind neuen Prozessen, Systemen und Herangehensweisen oft aufgeschlossener gegenüber als insbesondere deutsche Unternehmen, die oft mit einem Bürokratie-Dschungel ringen. Dieses Mindset, einfach mal auszuprobieren und auch das mögliche Scheitern als Ergebnis zuzulassen, ist glaube ich sehr hilfreich. Egal ob in kleinen, mittelständischen Unternehmen oder Konzernen. Es geht darum, sich alternativen Arbeitsmodellen zu öffnen und vom „Warum?“ zum „Warum nicht?“ zu gelangen.

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Event-Info: Unternehmerische Sinnhaftigkeit und individuelle Ansprüche ans Arbeitsleben rücken immer stärker in den Fokus und werden so zum Antreiber der kulturellen Transformation. Frische Ideen, Austausch mit Innovatoren und New Workern, die Neues probiert und aus Fehlern gelernt haben – das steht im Mittelpunkt der NEW WORK SESSIONS, einem Event der ein Event der NEW WORK SE (früher XING SE), die am 6. November in Wien stattfinden. Gemeinsam mit den Partnern DNA Das Neue Arbeiten, kununu und Bene lädt XING Österreich dazu ein zu diskutieren und Impulse mitzunehmen. Mehr Informationen und Tickets finden Sie unter diesem Link.

NWX – New Work News schreibt über Alles zur Zukunft der Arbeit

Alles zur Zukunft der Arbeit: Auf dieser News-Seite finden alle New Work-Interessierten multimedialen Content rund um das Thema. Neben Experten-Interviews, Debatten, Studien, Tipps und Best Practices, erwarten die Leser auch Video- und Podcastformate. Und natürlich ein Überblick unserer gesamten New Work Events, die mehrmals im Jahr im gesamten deutschsprachigen Raum stattfinden. Weitere spannende Inhalte zum Thema New Work finden Sie auf: nwx.new-work.se

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