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Personalbereiche müssen bei New Work selbst Vorreiter sein

Bereits zum vierten Mal findet am 10. Juni 2020 die NEW WORK EXPERIENCE (NWX20) statt. Das von XING initiierte Event ist die größte Austauschplattform zur Zukunft der Arbeit im deutschsprachigen Raum und baut der New Work Bewegung die große Bühne, damit sich immer mehr Menschen und Unternehmen auf den Weg machen. In den nächsten Wochen werden wir die spannenden Vordenker und Visionäre vorstellen, die auf der NWX ihre Erfahrungen, Meinungen und Ansätze zum Thema Neues Arbeiten mit uns teilen.

Corinna Vogt ist Head of Talent, Learning & Recruiting, Human Resources bei der ING Deutschland – und verrät uns heute, wieso das Personalwesen noch nicht auf New Work eingestellt sind.

Frau Vogt, Sie sprechen oft von der Notwendigkeit einer „agilen Bank“. Warum ist Agilität heute für eine Organisation in dem Umfeld von New Work so wichtig?

Corinna Vogt: Agilität ist die Voraussetzung, um in einer digitalen Welt erfolgreich zu sein. Nur so kann man gut und vor allem schnell auf veränderte Kundenerwartungen reagieren und mit komplexen Strukturen umgehen. Die Kunden sind es heute gewöhnt, etwas mit drei Klicks im Internet zu bestellen. Dieser Geschwindigkeit müssen sich Unternehmen anpassen. Mit Agilität verbinden wir, dass nicht mehr in langen, hierarchischen Abstimmungsschlaufen gearbeitet wird, sondern dass jeder einzelne Mitarbeiter seine Kenntnisse einbringt, Verantwortung übernimmt und in diesem agilen Framework, wie man neudeutsch sagt, mit am Erfolg arbeitet. Agilität beschleunigt die Arbeitsweisen und Entscheidungsprozesse, gibt mehr Raum, Know-how einzubringen und Innovationen voranzutreiben. Das ist die Intention dahinter.

Auf welche bevorstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt müssen sich Unternehmen einstellen?

Eines der ganz großen Themen ist der demografische Wandel, mit allem, was dazu gehört – welche Fachkräfte sind verfügbar, wie sieht die Altersentwicklung aus, kultureller Hintergrund von Mitarbeitern, Digitalisierung von Arbeitsprozessen. Ein zweites Feld ist das Wissen über die Erwartungen der Arbeitnehmer. Es ist doch einfach so, dass die Mitarbeiter, die wir gerne haben wollen und die, die schon bei uns sind, auf bestimmte Dinge Wert legen. Die zwei wichtigsten Faktoren sind laut Studien Work-Life-Balance und die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Letztere erschöpft sich nicht mehr wie früher nur in der Frage, welche Seminare ich besuchen kann. Die Bewerber wollen auch wissen, mit welchen Kollegen sie zusammenarbeiten werden, welches Wissen die einbringen, auf welches Know-how man im Team aufbauen kann und wie gemeinsame Ideen entwickelt und umgesetzt werden können.

Die Ansprüche der Bewerber an einen Arbeitgeber wachsen ja zunehmend. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Erwartungen der jüngeren Generation gegenüber denen älterer Kandidaten?

Diese Entwicklung ist einem steten Wandel unterworfen und ich würde das nicht unbedingt am Alter festmachen. Es geht häufig darum, Arbeit und Privatleben gut miteinander zu verbinden. Ich glaube, viele sind bereit, nach wie vor gerne und viel zu arbeiten. Aber es muss einfach gut eingebettet sein. Da können wir so unterschiedliche Dinge daran festmachen wie die Möglichkeit mobil zu arbeiten, flexibler zu arbeiten, von zu Hause aus zu arbeiten – und dabei alle erdenklichen Unterstützungsangebote zu bekommen. Das ganze muss natürlich in einem geordneten Rahmen stattfinden und garantieren, dass von niemandem erwartet wird, dass er oder sie 20 Stunden am Tag für den Job da ist.

Die ING zählt über Jahre in Folge zu Deutschlands besten Arbeitgebern. Wie schafft es ein Unternehmen, attraktiv für Top-Talente zu werden?

Ganz am Anfang und zugrunde liegt eine Haltung, die im Management verankert sein muss: nämlich, dass das Unternehmen nur mit seinen Mitarbeitern erfolgreich sein kann. Wenn es unseren Mitarbeitern gut geht, dann sind sie motiviert, dann verhalten sie sich toll gegenüber den Kunden, identifizieren sich mit uns und kümmern sich – und damit sind wir auch als Unternehmen erfolgreich. Das ist für mich die DNA für solche Modelle. Und auf dieser Grundlage ist es dann eigentlich relativ leicht, mit dem Management darüber zu sprechen, was es braucht, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen.

Haben mittelständische Betriebe beim Employer Branding die gleichen Chancen wie große Konzerne?

Ich finde immer wichtig, dass man beim Employer Branding nicht den Leuten ein X für ein U verkauft, sondern im Gegenteil, dass man wirklich guckt, was macht uns eigentlich aus. Worin sind wir gut, wodurch unterscheiden wir uns von anderen Arbeitgebern. Und da ist es dann egal, wie klein oder wie groß man ist. Ja klar, in großen Konzernen gibt es ganz andere Budget-Töpfe, um solche Nebenleistungen wie Kita-Plätze zu finanzieren. Aber ein mittelständisches Unternehmen hat die Möglichkeit zu sagen, Mensch, was gibt es denn bei uns am Standort für Anbieter, mit denen man vielleicht einen Kooperationsvertrag schließen kann. Was macht das Arbeiten in unserer Firma aus, worauf sind wir stolz, warum kommen wir gerne zur Arbeit.

Und darauf würde ich immer gucken: Was wünschen sich unsere Mitarbeiter und die, die wir gerne hätten? Darauf sollte man sich konzentrieren, das umzusetzen und dann damit auf der eigenen Homepage zu werben.

Welche veränderte Rolle spielt der Personalbereich künftig unter den Voraussetzungen von New Work?

Ich würde damit beginnen, dass es für ein Unternehmen, das sich mit New Work befasst, essenziell ist, dass der Personalbereich alles an sich selbst ausprobiert und anwendet. So haben wir das bei uns gemacht im Zuge der agilen Transformation des Unternehmens. Es war für die Kollegen eine ganz wichtige Erfahrung, zu lernen, was es heißt, ihre Arbeit in einem crossfunktionalen Team im Sprint zu planen, sich jeden Morgen vor das Squad zu stellen, Zettelchen zu kleben, auch mal zu sagen ‚sorry, habe ich nicht geschafft‘, obwohl ich es mir vorgenommen habe. Diese Erfahrung hilft uns, wenn wir Mitarbeiter rekrutieren wollen, die ein agiles Mindset haben. Dazu müssen wir einschätzen können, wie jemand von der Persönlichkeit her strukturiert sein muss, damit er sich wohl fühlt und erfolgreich sein kann in einem solchen agilen Umfeld.

Eine andere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Produkte und Services des Personalbereichs zu New Work passen. Wir haben beispielsweise unsere Angebote in der Personalentwicklung umgestellt: die Mitarbeiter übernehmen selbst viel mehr Verantwortung für ihre eigene Entwicklung Zum einen können unsere Mitarbeiter mit einem Online-Tool ihr eigenes Stärken-Profil entwickeln. Darüber hinaus stellen wir den Mitarbeitern ein individuelles Weiterbildungs-Budget zur Verfügung. Neben der Weiterbildung, die sie hier verpflichtend brauchen, um ihren Job gut zu machen, gibt es 500 Euro on top, die sie für ihre eigene Weiterbildung verwenden können. Wir glauben daran, dass jeder selbst am besten weiß, wohin er sich beruflich entwickeln möchte. Unterstützt von diesem Budget kann er das dann auch umsetzen.

Ihr Programm „Smart Mover“ wurde Ende 2018 ins Leben gerufen. Dabei werden offene Stellen im IT-Bereich mit In-house-Personal besetzt. Ist das eine wirksame Lösung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?

Das Programm ist ein Puzzlestein zwischen vielen anderen Maßnahmen. Meine Haltung ist: Wenn der Arbeitsmarkt so ist wie er ist, nämlich leer, muss man halt als Unternehmen kreativ werden. Klar schauen wir auch, wie man mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten kann oder wo man auf dem internationalen Arbeitsmarkt Fachkräfte findet. Aber wir können auch einfach mal naheliegend im internen Arbeitsmarkt nochmal genauer hinschauen, ob es da nicht auch Mitarbeiter gibt, die für bestimmte Funktionen in der IT mit einer begleitenden Weiterbildung geeignet sind.

Wir haben die Stellen ausgeschrieben, allen das Modell erklärt und gesagt, wir suchen versteckte IT-Talente unter den Kollegen. Beworben haben sich Kollegen, die bisher in der operativen Kundenbetreuung gearbeitet haben, in der Buchhaltung, in Finanzen, im Trainingsbereich, überall. Da bekamen wir Informationen über berufliche Entwicklungswege, die wir bisher überhaupt nicht hatten. Plötzlich stellte sich heraus, dass es Mitarbeiter gibt, die nach dem Abi angefangen haben, Physik oder Luft- und Raumfahrttechnik zu studieren, aber abbrechen mussten, weil vielleicht ein Kind unterwegs war und sie Geld verdienen mussten. Sie haben dann ihren Weg gemacht, haben gearbeitet, waren glücklich und zufrieden. Aber da blieb oft noch der Traum: Eigentlich würde ich gerne in einem IT-Job arbeiten. Nun schließen wir die Lücke zwischen ihrer bisherigen Tätigkeit und einer Stelle in unserem IT-Bereich durch ein knapp einjähriges Qualifizierungs-Programm, on and off the Job.

Haben Sie noch drei Top-Tipps für HR-Abteilungen in petto?

  • Ganz wichtig ist, dass die Personalbereiche bei New Work selbst Vorreiter sind. Wenn man etwas begleiten will, dann sollte man sich vorher intensiv damit auseinandergesetzt haben und auch nach Möglichkeiten suchen, das für sich selbst auszuprobieren. Sonst weiß man einfach nicht, wovon man redet.

  • Nicht jeder Trend, der unter New Work kursiert, passt für jedes Geschäftsmodell. Es ist eine wichtige Rolle von HR, mit dem Business-Management zusammen zu entscheiden, was der richtige Weg ist, um für die schnelle digitale Welt gerüstet zu sein.

  • Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass der HR-Bereich für sich klar hat, welche Rolle er in dem Veränderungsprozess einnimmt und sich Leute ins Boot holt, um das gemeinsam anzugehen. Oft höre ich, dass Personal-Bereiche die komplette Verantwortung für diesen Aufbruch in New Work übernehmen. Ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor bei uns im Unternehmen war, dass HR das ganze nicht selbst gestalten, strukturieren und vorantreiben musste, sondern zu einem crossfunktionalen Projektteam gehörte, das die agile Transformation gesteuert hat.

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Event-Info: Mehr spannende, visionäre und mutige Geschichten und Erfahrungen rund um New Work kannst Du bei der NWX am 10. Juni 2020 live erleben. Sicher Dir jetzt ein Ticket – und werde Teil der New Work Bewegung.

Alle sind eingeladen, ihre Erfahrungen und Kenntnisse zu teilen, um die Diskussionen rund um das neue Arbeiten voranzutreiben und die Arbeitswelt der Zukunft mitzugestalten. Denn New Work ist nur dann der Schlüssel für eine bessere Arbeitswelt, wenn es Ideen, Veränderungen und Tools mit sich bringt, die tatsächlich helfen, funktionieren und angewendet werden können. New Work – make it work! Auf der NWX20.

NWX – New Work News schreibt über Alles zur Zukunft der Arbeit

Alles zur Zukunft der Arbeit: Auf dieser News-Seite finden alle New Work-Interessierten multimedialen Content rund um das Thema. Neben Experten-Interviews, Debatten, Studien, Tipps und Best Practices, erwarten die Leser auch Video- und Podcastformate. Und natürlich ein Überblick unserer gesamten New Work Events, die mehrmals im Jahr im gesamten deutschsprachigen Raum stattfinden. Weitere spannende Inhalte zum Thema New Work finden Sie auf: nwx.new-work.se

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