Remote in der Geschäftsführung starten ist viel zu kompliziert? Unsinn!
Seit gut einem halben Jahr arbeiten viele von uns im Homeoffice und in Krisenzeiten ist es besonders für neue Kollegen schwer, sich remote fachlich und menschlich in komplexe Themen einzuarbeiten. Die Onboardingprozesse haben sich in Zeiten der Corona-Pandemie verändert und damit das Onboarding digital erfolgreich funktionieren kann, müssen alle Akteure an einem Strang ziehen und sich gemeinsam auf neue, innovative Prozesse einlassen.
Dass das funktioniert, hat eine unserer ehemaligen Kolleginnen gezeigt: Karile hat ihren neuen Job als Teil der Geschäftsführung der HABA Digitalwerkstatt mitten in der Corona-Pandemie gestartet und mit uns darüber gesprochen, wie sie diese Herausforderung, neben Homeschooling, Kinderbetreuung und Familienleben, gemeistert hat und wie wichtig dabei eine geregelte Struktur für alle Beteiligten ist.
Karile: Die HABA Digitalwerkstatt bietet Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren die Möglichkeit, den Umgang mit digitalen Technologien kreativ kennenzulernen – und zwar vor Ort in einer unserer zehn Digitalwerkstätten. Die Corona-Pandemie hat die Arbeit an unseren Standorten natürlich sehr beeinflusst und der Wiedereröffnungsprozess richtet sich nach den offiziellen Regelungen der jeweiligen Bundesländer. In Hamburg dürfen sich derzeit maximal fünfzehn Kinder in der Digitalwerkstatt kreativ austoben – dazu gehört auch, dass wir ein Hygienekonzept auf die Beine stellen mussten, um den Kindern und auch Mitarbeitenden bestmöglichen Schutz zu ermöglichen. Unser Team verfolgt das Ziel, den neuen Herausforderungen offen, agil und kreativ zu begegnen und dafür mussten wir gewohnte Prozesse neu denken.
Karile: Als ich in den neuen Job begonnen habe, befand sich unser Unternehmen bereits mitten in einer Phase des Umdenkens, denn unsere Standorte mussten wir im März aufgrund des Lockdowns schließen. Gemeinsam mit meiner Co-Geschäftsführerin und den Teams haben wir schon im März daran gearbeitet, Angebote aus unserem Präsenzunterricht in den Digitalwerkstätten online weiter auszubauen. Mein offizieller erster Arbeitstag war dann der 1. April und da mich meine Kolleg*innenzu diesem Zeitpunkt schon kennengelernt hatten, war es ein fast ganz normaler Arbeitstag.
Karile: Das Onboarding und die fachliche Einarbeitung haben remote sehr gut funktioniert - es gibt ein offizielles digitales Onboarding für neue Mitarbeitende, das durch alle wichtigen Themen leitet und aufzeigt, wie die Abläufe in den jeweiligen Standorten geregelt sind. Unsere Teams waren vor der Pandemie längst Homeoffice erprobt und waren somit digital kompetent aufgestellt. Daher war der Switch zu Remote Work auch keine große Herausforderung und wir konnten uns direkt auf unser Geschäftsmodell fokussieren. Wir haben uns vielfach in Video-Calls ausgetauscht und waren alle mit geballter Power dabei, Angebote für die Kinder außerhalb der Digitalwerkstättenzu schaffen, damit diese weiterhin anhand unserer Tools kreativ sein und unser Sortiment nutzen können.
Karile: Es klappt nicht immer alles auf Anhieb. Wir bewegen uns in außergewöhnlichen Zeiten, die ein ständiges Umdenken und innovative Ideen erfordern. In der englischen Sprache würden wir sagen: We need to over-communicate – ein gewisses Maß an Überkommunikation ist wichtig, denn es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, alle Mitarbeitenden in allen Themen abzuholen und kontinuierlich up-to-date zu halten. Das ist auf jeden Fall etwas, woran wir täglich arbeiten, um unsere Kommunikationsstrukturen weiterhin zu optimieren.
Karile: Auch das ist definitiv eine Herausforderung (lacht) – aber auch hier ist der beste Ansatz, sich dieser Challenge zu stellen, neu zu denken und sich darauf einzulassen. In meiner Familie war von Anfang an klar, dass hier nichts ohne Struktur laufen wird. Dementsprechend spielen ein geregelter Tagesablauf und feste Rituale eine große Rolle, denn diese sind nicht nur für unser Arbeitsleben wichtig, sondern vor allem auch für unsere Kinder. Mein Kalender ist täglich für das gemeinsame Mittag- und Abendessen blockiert und wir haben uns sehr genau überlegt, wie wir unsere Tochter beschäftigen, während sich unser Sohn mit digitalem Schulunterricht und Hausaufgaben befasst. Es ist spannend mitzuerleben, wie selbst unsere Kinder neben klassischen Spielen auch neue, sinnvolle digitale Spielideen entdecken, annehmen und erleben. Wir sind sehr positiv überrascht, wie gut das funktioniert und wie toll auch die Kinder mit der Situation umgehen.
Karile: Meine Kolleg*innen haben schon geschmunzelt, denn sie kennen mittlerweile jede Ecke unserer Wohnung. In unseren Video-Calls ist bei mir immer für wechselnde Hintergründe gesorgt, weil ich wirklich jeden Raum zum Arbeiten nutze – und arbeiten besteht remote nun mal aus sehr viel Telefonie. Wenn die Kinder z.B. gerade im Wohnzimmer gespannt einem Hörbuch auf Lautstärke 10 lauschen, suche ich mir einfach einen ruhigeren Ort. Für uns funktioniert das so sehr gut und ich denke, da muss jeder für sich ausprobieren, was am besten harmoniert.
Karile: Hier fällt mir sofort wieder das Thema „over-communicate“ ein: Es ist wichtig, in sich zu kehren und zu überlegen „Wie würdest Du gerade kommunizieren, wenn wir nicht im Homeoffice wären“ – wenn man das im Hinterkopf behält und versucht alle Mitarbeitenden mit allen für sie relevanten Informationen auf dem Laufenden zu halten, dann ist ein wichtiger Schritt in Richtung guter Kommunikationsstruktur getan. Darüber hinaus sehe ich einen großen Nutzen für alle Beteiligten darin, sich in Calls wirklich sichtbar zu machen – wir können das persönliche Gegenüber remote natürlich nicht hundertprozentig ersetzen, aber sich zu sehen bedeutet immer auch ein Gesicht mit Emotionen vor sich zu haben und entsprechend reagieren und auf Themen eingehen zu können. Bei komplexen Themen kann es außerdem sinnvoll sein, anstelle von Meetings mit großen Personengruppen lieber zwei, drei kürzere Calls mit weniger Personen zu halten – meine persönliche Erfahrung ist, dass das durchaus effektiv sein kann.
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Das Interview führte Daniela Schönbrunn-Muths.