NWX – New Work News

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Alles zur Zukunft der Arbeit

So schaffen es Unternehmen, ein motivierendes und kreatives Arbeitsumfeld zu gestalten

Bereits vor der neuen Realität durch Corona deutete sich ein Wandel an, der jetzt umso drängender wird für Unternehmen. Ihre auf Kennzahlen verengte Rationalität scheiterte zunehmend an der Flüchtigkeit, Mehrdeutigkeit und Komplexität der vernetzten Arbeitswelt, als Kunden und junge Talente begannen nach Integrität und Sinn zu fragen. Mit der Krise ist ein Weitermachen-wie-bisher endgültig fahrlässig – so tiefgreifend sind unsere Bedürfnisse durchgeschüttelt worden. Jan Teunen hilft Unternehmen dabei, ihr kulturelles Kapital zu entwickeln.

Teunen ist Experte für Transformationsprozesse und Unternehmenskultur und unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung eines kreativen und motivierenden Arbeitsumfeldes. Im Interview verrät er uns wie Unternehmen es schaffen, ein kreatives Umfeld für Mitarbeiter zu schaffen – sehr künstlerisch, philisophisch und ein bisschen poetisch.*

Büros sollten zu Gewächshäusern für Kreativität werden!
Jan Teunen

Herr Teunen, ist Wirtschaft, sind Unternehmen rational?

Teunen: Leider handeln die meisten Unternehmen vorwiegend rational, obwohl sie eigentlich viel mehr sind, als nur von wirtschaftlicher Rationalität getriebene Instanzen. So gehört zum Wesen eines Unternehmens die Mitgestaltung von Gesellschaft. Und hier findet gerade ein Umdenken statt. Wir erleben einen Wandel vom rationalen zum ganzheitlichen Denken. Unternehmen erweitern ihre Produkt- und Marktorientierung um eine Gesellschaftsorientierung. Und das ist etwas Schönes. Wirtschaft ist die stärkste Kraft in der Gesellschaft – und wenn man etwas verändern möchte, muss man das mit dieser Kraft machen.

Tun das Unternehmen von sich aus?

Teunen: Nicht direkt. Der Markt, Kunden und Mitarbeiter zwingen sie gewissermaßen dazu. Heute fragen junge Bewerber nicht zuerst nach dem Gehalt, sondern wollen wissen: „Wer ist mein Arbeitgeber? Wer sind die Menschen, die hier arbeiten? Und wie lässt sich meine Arbeit mit meinem Privatleben in Einklang bringen?“. Darauf müssen Verantwortliche heute eine Antwort haben, wenn sie weiterhin gute Leute an Bord haben möchten. Sie müssen die Umstände im Unternehmen verändern. Das ist ihnen bewusst. Und dabei unterstütze ich sie.

Sie nennen sich Cultural Capital Producer – was tun Sie genau?

Teunen: Wir unterstützen Unternehmen dabei, sich weiter zu kultivieren, indem wir uns mit den Werten, mit dem Wissen und mit dem Wirken des Unternehmens intensiv auseinandersetzen. Wir entwickeln Konzepte, die Unternehmen dabei helfen, ein kreatives, inspirierendes und motivierendes Arbeitsumfeld und einen wertschätzenden Umgang in der Arbeitsgemeinschaft zu schaffen. Das geht natürlich noch etwas tiefer. Wir helfen Unternehmen dabei, zu ihrem wahren Kern vorzudringen und ganzheitlich zu denken. Das ist ein Transformationsprozess bei dem Entscheider sich die fünf Wirkungselemente des „geordneten Hauses“ ins Bewusstsein rufen – und auf Herz und Nieren prüfen. Dazu gehören:

  • Wirtschaftlichkeit
  • Schutz
  • Zusammengenhörigkeit
  • Kulturpflege und
  • Identitätsstiftung.

Viele Unternehmen haben bei einem oder mehreren dieser Elemente Defizite. Beispielsweise kann nicht von Zusammengehörigkeit die Rede sein, wenn Abteilungen nicht kooperieren oder bei Problemen mit dem Finger auf die anderen zeigen. Wir beleuchten gemeinsam mit unseren Kunden diese fünf Wirkungselemente, identifizieren die Problemzonen und entwerfen ein Konzept zur Restauration des „geordneten Hauses“.

Was macht die Kultur eines Unternehmens aus?

Teunen: Der Terminus „Unternehmenskultur“ ist für sich erst einmal bedeutungslos. Jedes Unternehmen hat eine Unternehmenskultur, der Begriff ist so dehnbar wie ein Gummiband. Unternehmen lassen sich nur nach Art und Maß ihrer Kultur unterscheiden. Die Parameter dafür sind Werte, Ansichten, Zielsetzungen und Gewohnheiten. Aber welche sind das? Es gibt konstruktive und destruktive Unternehmenskulturen.

Haben Sie ein Beispiel?

Teunen: Ein ehemaliger Kunde von mir ist die Drogeriemarktkette dm. dm hat eine konstruktive Kultur und ist damit auch sehr erfolgreich. Der damalige Wettbewerber Schlecker hatte im Vergleich eher eine destruktive Kultur – und ist vom Markt verschwunden. Da sieht man auch, was eine Kultur heute macht mit Wirtschaft. Wirtschaftskraft entsteht heute vorwiegend aus kultureller, moralischer und ästhetischer Kraft. Eine konstruktive Unternehmenskultur kann nur entstehen, wenn es den Menschen gelingt, ein Gleichgewicht herbeizuführen zwischen wirtschaftlicher und ethischer Verantwortung. Das ist die eigentliche Übung. Und dafür müssen Unternehmen die richtigen Umstände schaffen.

Umstände, die Mitarbeitende motivieren?

Teunen: Die Menschen müssen sich selbst motivieren können. Um die Motivation ist es ja miserabel bestellt in Deutschland, wie der Gallup Engagement Index jährlich zeigt: Nur 15 Prozent der Beschäftigten sind mit Herz und Selle bei der Arbeit, knapp 70 Prozent machen Dienst nach Vorschrift. An diesen Zahlen kann man ablesen, dass in den Unternehmen etwas nicht stimmt. Ich sage nicht, dass die Unternehmen in einer Krise sind, aber sie stecken fest in einem Dilemma und das bedeutet: Weitermachen, wie bisher, geht nicht. Man muss ausbrechen aus diesem Dilemma und das gelingt durch Transformation. Das ist auch das, was den New-Work-Ansatz ausmacht.

Wie gelingt es Verantwortlichen, kreative Atmosphären oder Umstände zu schaffen, in denen sich die Belegschaft selbst motivieren kann?

Teunen: Wir haben ja das große Geschenk der Digitalisierung, wodurch alles, was Routinearbeit ist in Büros wegfällt, bzw. von intelligenten Maschinen geöst wird. Wir Menschen sind Schöpfer, wir müssen kreativ tätig sein. Und das ist das schöne an der Digitalisierung. Was für Menschen in Büros übrigbleibt bei der Arbeit, ist die gewollte Co-Kreation. Aber um die herbeizuführen, braucht es ein gewisses Maß an Kreativität und eine hohe Motivation. Als Unternehmer hat man die Pflicht, Umstände zu schaffen, damit Menschen sich motivieren können. Und diese Umstände, das weiß man aus der Hirnforschung, sind gegeben, wenn Qualität sowohl im Umfeld, als auch im Umgang vorhanden ist – wobei das Umfeld den Umgang miteinander beeinflusst.

Es gilt also, das richtige Umfeld zu schaffen.

Teunen: Genau, beim Umfeld muss man ansetzen. Früher haben wir Menschen in der Natur gelebt. Die Natur hat eine wunderbare Qualität, die eine funktionale und eine poetische Beziehung ermöglicht. Das Büro mit seiner Architektur und seiner Inneneinrichtung ist für die meisten Menschen zu einer zweiten Natur geworden. Ein Ort, in dem wir uns einen Großteil der Tageszeit aufhalten. Diese zweite Natur kann eine sehr schöne sein – vorausgesetzt, sie hat Ähnlichkeiten mit der ersten, wahren Natur.

Diese Qualität ist leider sehr rar: Die meisten Büros werden dominiert von der wirtschaftlichen Rationalität und dort kann eigentlich keine Kreativität entstehen, weil diese Büros negativen Stress verursachen. Prozesse werden in hohem Tempo durchgepresst und die Menschen werden krank, verlieren an Motivation, Kreativität und Mitmenschlichkeit. Und darum sollten Büros zu Gewächshäusern für Kreativität werden. Man muss sie mit Schönheit fluten. Denn der menschliche Geist braucht Schönheit als Gegengewicht zu negativen Informationen. Wenn der Arbeitsplatz dafür die Umstände bietet, nehmen Stress und Aggressionen ab. Die Menschen erkennen einen Sinn in Ihrem Schaffen.

Sind deutsche Unternehmen schon weit in der Neugestaltung ihrer Arbeitsplätze?

Teunen: Nein. Ein Kunde sagte einmal so schön: Das meiste ist noch nicht getan – wunderbare Zukunft. So schätze ich auch die Unternehmen hierzulande ein. Wo man hinschaut, kann man noch anfassen und kreieren. Nach wie vor arbeiten die meisten Menschen in Büros, die aussehen, als ob sie gerade Opfer einer Naturkatastrophe geworden sind. Es ist verheerend, welcher Mittelmäßigkeit man begegnet, wenn man durch die Unternehmenswelt geht. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Begriff von New Work sehr breit gefächert ist und viele Unternehmen sich nichts Konkretes darunter vorstellen können. Es hat was mit Digitalisierung zu tun, mit Agilität, mit Arbeitsplatzgestaltung und mit einer neuen Generation und deren Lebensgefühl. Worum es aber eigentlich geht, bleibt vielen verborgen. Es geht um ein Mehr an Menschlichkeit.

Sehen Sie ein Hauptproblem, das sich wie ein Muster durch die Unternehmenslandschaft zieht?

Teunen: Ich sehe zwei Hauptprobleme. Eines ist das Phänomen, dass viele Entscheider nicht zu Ende denken. Das meiste Geld und die meiste Zeit gehen bekanntlich verloren, weil Dinge nicht zu Ende gedacht werden. Das Ergebnis: Man kopiert andere Unternehmen, statt eine für die eigene Identität zugeschnittene Lösung zu erarbeiten. Viele New-Work-Arbeitsräume sehen gleich aus. Das zeigt, dass Unternehmen die eigene Identität vernachlässigen. Ein Mineralwasserunternehmen muss anders aussehen als ein Schraubenhersteller. Identität befriedigt eine große Sehnsucht der Mitarbeiter, die Sehnsucht nach Verbundenheit. Das Büro, der Arbeitsplatz soll ein Ort des Glücks werden. Geborgenheit und Berücksichtigung individueller Wünsche macht Glück aus.

Und hier komme ich zum zweiten Hauptproblem: Die fehlende Menschlichkeit. Wir haben eine Krise des Humanen. Und diese Krise kann man mit New Work bewältigen, in dem man die Arbeitsumgebungen verändert, indem man Regelwerke einführt, die das Miteinander in der Arbeitsgemeinschaft klärt. Wir müssen den Mangel an Menschlichkeit ausmerzen. Es fehlt an Sinnstiftung, Sinnerfahrung, Schöpfertum, Leidenschaft, Geist, Begeisterung – und an dem, was Menschen in der Tiefe ihrer Seele nährt: Es fehlt an Poesie und Schönheit. Wenn Verantwortliche das erkennen, wissen sie, was sie dagegen machen können.

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Mehr zum Thema kreative Arbeitsumfelder und von Jan Teunen gibt's am 19. Oktober bei der NWXnow. Hier beantwortet Jan Teunen, warum die erschreckende Unzufriedenheit deutscher Arbeitnehmer, aber auch Mobbing, Burnout und andere psychische Belastungen auf Räume zurückgehen. Die meisten Büros empfindet er als Naturkatastrophe, weil sie die natürliche Veranlagung der Mitarbeiter beschneiden. Er beleuchtet, warum Arbeitsplätze insbesondere jetzt Freiheit und Geborgenheit bieten müssen, und wie das funktioniert.

Über die NWXnow

Mit unserer neuen digitalen Formatreihe NWXnow, die in diesem Jahr an die Stelle unserer physischen Events NEW WORK EXPERIENCE & NEW WORK SESSIONS getreten ist, haben wir auch ein neues Format für unser bisheriges Partner-Event NEW WORK SESSIONS ORGATEC gestaltet, das in diesem Jahr nicht wie geplant im Rahmen der Fachmesse ORGATEC stattfinden konnte. Gemeinsam mit XING, dem IBA (Industrieverband Büro und Arbeitswelt) und der Koelnmesse haben wir ein zweiwöchiges NWXnow ORGATEC SPECIAL aufgesetzt. Es widmet sich der alles verändernden Situation, die unsere Arbeit, unsere Räume und Begegnungen neu definiert.

Unter dem Themendach „Das neue Miteinander: Menschen. Räume. Interaktion.“ sprechen im Zuge dieses Specials hochkarätige und inspirierende Gäste mit dem Moderator und Kabarettisten Florian Schroeder über eine Arbeitswelt, die neue Formen, Regeln und Rituale entwickelt. Das Digital-Special wird auf den Seiten der NWXnow und dem IBA Forum zu sehen sein – und ist selbst eine dieser neuen Interaktionsformen, die entstehen.

Sei täglich auf nwx-now.com mit dabei!

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*Das Interview wurde zuerst im Rahmen der NWX20 veröffentlicht.

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Alles zur Zukunft der Arbeit: Auf dieser News-Seite finden alle New Work-Interessierten multimedialen Content rund um das Thema. Neben Experten-Interviews, Debatten, Studien, Tipps und Best Practices, erwarten die Leser auch Video- und Podcastformate. Und natürlich ein Überblick unserer gesamten New Work Events, die mehrmals im Jahr im gesamten deutschsprachigen Raum stattfinden. Weitere spannende Inhalte zum Thema New Work finden Sie auf: nwx.new-work.se
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