So wird New Work messbar
Das NEW WORK ARBEITGEBERSIEGEL zeichnet solche Unternehmen aus, die besonders mitarbeiterorientiert agieren und die „New Work“ in ihrem Unternehmen bereits leben. Wir haben mit Professor Dr. Tobias Dauth von der Handelshochschule Leipzig (HHL) gesprochen. Er liefert die wissenschaftliche Grundlage für das Siegel – und die Faktoren, die New Work messbar machen.
Warum ist New Work für Unternehmen wichtig?
Prof Dr. Tobias Dauth: New Work ist wichtig, weil dieses Phänomen die Zukunft der Arbeit mitbestimmt. Wir wissen: Die Arbeitswelt befindet sich in einem fundamentalen, sozialen und technologiegetriebenen Wandel. Einerseits beobachten wir bei Mitarbeitern beispielsweise den Wunsch nach einer Flexibilisierung von Arbeit. Zugleich wirkt der digitale Wandel als „Enabler“ – etwa durch digitalisierte Arbeitsabläufe – und als „Treiber“ durch die Verbreitung agiler Arbeitsprozesse).
New Work beeinflusst nicht nur, wann und wo wir zukünftig arbeiten können. New Work betrifft auch die Art und Weise der Zusammenarbeit von uns allen und steht damit auch für die veränderten Erwartungen der Menschen hinsichtlich Beteiligung und Sinnstiftung durch die Arbeit.Prof. Dr. Tobias Dauth
Sie sind tief in das Thema New Work eingestiegen. Woher kommt Ihre Begeisterung dafür?
Prof Dr. Tobias Dauth: In meiner Forschung beschäftige ich mich schon seit längerer Zeit mit einzelnen Facetten von New Work. Veröffentlichungen von mir und meinen Co-Autoren untersuchen beispielsweise die Rolle von Führungskräften bei der digitalen Transformation von Unternehmen, den Zusammenhang zwischen internationaler Erfahrung von Führungskräften und deren Vergütung, oder die Verbindung von internationaler Erfahrung und dem Karrierefortschritt von Managern.
Neben meiner Tätigkeit an der HHL bin ich auch am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) engagiert. Dort habe ich von 2015 bis 2019 Forschungsprojekte bearbeitet, deren inhaltliche Schwerpunkte in den Kontext von New Work gehören: Ein Projekt mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) beleuchtete etwa die Geschlechterdiversität und Gleichstellung in der internationalen Hochschullandschaft, ein Projekt mit der kununu GmbH und XING E-Recruiting widmete sich dem Thema „Employer Branding“ und ein Projekt mit der kununu engage GmbH hatte das Ziel, Unternehmenskultur im internationalen Kontext messbar zu machen.
Die aktuelle Kooperation mit der New Work SE reiht sich in den Kontext meiner wissenschaftlichen Arbeit ein und verbindet zudem die einzelnen Untersuchungsstränge seiner bisherigen Projekte. Schließlich geht es um die möglichst umfassende Analyse und Operationalisierung des Phänomens New Work. Die vorangegangenen Projekte von mir haben Teilbereiche von New Work (z.B. Diversität & Gleichstellung, Vergütung, Karriereperspektiven, Arbeitgeberattraktivität) berührt.
Prof Dr. Tobias Dauth: Ich bin davon überzeugt, dass Wissenschaft einen guten Kontakt zur Wirtschaft braucht (und umgekehrt). Gemeinsam mit der New Work SE haben wir ein Arbeitgebersiegel entwickelt, das Unternehmen bei der Messung und Umsetzung von New Work helfen soll. Wir haben eine wissenschaftliche Analyse des Phänomens New Work zugrunde gelegt und einen konzeptionellen Rahmen geschaffen, der nun die Grundlage für das ARBEITGEBERSIEGEL bildet. Die Arbeit an dieser Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis ist sehr wichtig.
Nach welchen Kriterien wird das NEW WORK ARBEITGEBERSIEGEL vergeben?
Prof Dr. Tobias Dauth: Für das NEW WORK ARBEITGEBERSIEGEL und die damit verbundene Messung von New Work werden zwei Perspektiven genutzt. Neben dem Feedback der Arbeitnehmer fließen Angaben der Arbeitgeber in die Bewertung ein.
Sowohl die Angaben der Arbeitnehmer als auch die Informationen der Arbeitgeber erstrecken sich über drei New Work Dimensionen „Individuelle Entfaltung“, „Transparenz und Wertschätzung“, „Führung und Organisation“ Kurzum: Arbeitnehmer und Arbeitgeber bewerten den Status-Quo eines Unternehmens in diesen drei Dimensionen.
Wie sind Sie bei der Recherche und der methodischen Entwicklung vorgegangen?
Prof Dr. Tobias Dauth: Die einzelnen Dimensionen wurden im Rahmen einer Literaturanalyse identifiziert: Hierbei wurde die existierende Literatur zu New Work gesichtet und die jeweiligen Dimensionen von New Work konsolidiert und schließlich in einen konzeptionellen Rahmen überführt, der das Ziel verfolgt, das Phänomen New Work möglichst umfassend zu beschreiben.
Anschließend wurden für die Dimensionen spezifische Kriterien identifiziert, anhand derer New Work tatsächlich erfasst und beschrieben werden kann. Auch hier haben wir uns an wissenschaftlichen Arbeiten orientiert und beispielsweise analysiert, wie in existierenden Studien „Führung“ in Unternehmen operationalisiert wird. Als Resultat dieser Analyse wurden für jede New Work Dimension je drei Kriterien identifiziert, die schließlich als Grundlage für die Identifikation von Items (also ganz konkreten Indizien für New Work) dienten. Jedes Kriterium wurde dann in konkrete New-Work-Items überführt, die sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern bewertet werden können. Die Summe aller Antworten, bzw. Bewertungen bildet schließlich die Grundlage für die Vergabe von New Work Scores für die einzelnen Kriterien und Dimensionen.
Wie machen Sie New Work messbar?
Prof Dr. Tobias Dauth: Es fließen zahlreiche Datenpunkte in die Bewertung ein: Die Meinungen der Mitarbeiter werden auf Basis von Daten aus Unternehmensbewertungen und dem Kulturkompass, beides von der Plattform kununu, ausgewertet. Die Arbeitgeberdaten stammen aus einer Selbstauskunft der Unternehmen, bei der sie unseren Fragebogen beantworten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber bewerten dabei New Work entlang der bereits genannten Dimensionen „Individuelle Entfaltung“, „Transparenz und Wertschätzung“ sowie„Führung und Organisation“
Wie starr oder wie veränderbar sind ihre Fragen in der Zukunft?
Prof Dr. Tobias Dauth: Unter Wissenschaftlern und Praktikern herrscht keineswegs Einigkeit über die Definition von New Work. Das zeigt, wie facettenreich das Phänomen ist und legt die Vermutung nahe, dass sich unser Verständnis von New Work in der Zukunft ändern, bzw. weiterentwickeln wird. Unser Projekt zielt darauf ab, Unternehmen bei der Umsetzung von New Work zu unterstützen. Das setzt voraus, dass wir das Phänomen New Work kontinuierlich beobachten und gegebenenfalls die Dimensionen und Kriterien, welche für die Implementierung von New Work relevant sind, anzupassen. Um es aber klar zu sagen: Unsere Fragen stützen sich auf aktuelle Veröffentlichungen rund um das Thema New Work – wir sind damit also up to date.
Wie gut geeignet sind aus Ihrer Sicht die Daten der Bewertungsplattform kununu, um die Beschäftigtenperspektive abzubilden?
Prof Dr. Tobias Dauth: kununu erlaubt grundsätzlich allen Mitarbeitern eines Unternehmens, regelmäßig Feedback zu geben und ihren Arbeitgeber einzuschätzen. Daraus ergeben sich für uns mehrere Vorteile: Zum einen ist der Zugang zur Plattform unkompliziert und für alle Nutzer gleich. Zudem stehen uns bei kununu Daten zu Unternehmen über einen relativ langen Betrachtungszeitraum zur Verfügung. Letztlich ist es doch wichtig, dass Mitarbeiter bei der Nutzung von kununu eigenständig und „ungefiltert“ Feedback geben können. Und wenn sich aus diesen Stimmen der Mitarbeiter ein positives Bild eines Unternehmens zeichnet, ist das ein Indiz für New Work.
Prof Dr. Tobias Dauth: Wir stellen den Unternehmen einen Fragebogen in elektronischer Form zur Verfügung. Wichtig ist: Die Angaben im Fragebogen müssen auch mit Quellen aus den Unternehmen „belegt“ werden. So können wir besser nachvollziehen, wie weit die Kandidaten bei der Umsetzung von New Work tatsächlich sind und ob die Daten von Arbeitgebern und Beschäftigten konsistent sind. Nebenbei bemerkt: In allen Kriterien müssen die Unternehmen punkten, um das Siegel zu bekommen. Es kann also beispielsweise nicht mit einem sehr guten Abschneiden im Bereich „Führung und Organisation“ eine ganz schlechte Leistung in der Kategorie „Transparenz und Wertschätzung“ kompensiert werden.
Warum braucht es das NEW WORK ARBEITGEBERSIEGEL überhaupt?
Prof Dr. Tobias Dauth: New Work beschreibt zahlreiche Facetten einer neuen Arbeitswelt. Schließlich existiert nicht „der eine“ New-Work-Ansatz, den Unternehmen implementieren müssen, um eine erfolgreiche Transformation von Arbeit zu vollziehen.
Für Unternehmen ist es also wichtig, die Dimensionen von New Work zu erfassen und messbar zu machen. Nur so wird eine interne und externe Positionsbestimmung ermöglicht. Und nur durch eine Messung von New Work können Veränderungen aufgezeigt und Erfolge erfasst werden. Eine wiederkehrende Messung von New Work ist ferner die Grundlage zur Identifikation von Stellschrauben in Unternehmen, die für eine Implementierung von New Work relevant sind.
Was entgegnet ihr Personen, die Arbeitgebersiegel als billige „Marketing-Nummer“ von Unternehmen kritisieren?
Prof Dr. Tobias Dauth: Wie oben beschrieben gibt das Siegel Orientierung für Jobsuchende. Jedes Unternehmen kann entscheiden, ob es sich für ein Arbeitgebersiegel qualifizieren möchte, und mit uns in Kontakt treten, um unsere Vorgehensweise nachzuvollziehen. Dabei wird jedes Unternehmen auch am besten selbst bewerten können, ob es mit einem Siegel bisher gute Erfahrungen gemacht hat, bzw, ob es ein hilfreiches Instrument ist, um Employer Branding zu betreiben. Wir haben einen Qualitätsanspruch und den vertreten wir auch gegenüber Unternehmen.
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Service-Info: Weitere Informationen unter arbeitgebersiegel.new-work.se