Der Rahmen unserer Gesellschaft: Stabile Ökosysteme
Der Weltbiodiversitätsrat (IPBS) warnte 2019, dass in den nächsten Jahrzehnten etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten aussterben könnten. Schätzungsweise 150 Arten sterben täglich aus – jede von ihnen ist unwiederbringlich verloren. Auch treten viele Effekte verzögert auf, denn eine Art stirbt nicht von heute auf morgen aus. Deshalb ist rasches Handeln notwendig. Die langfristigen Folgen des Artenverlusts lassen sich heute noch gar nicht absehen. Die im September 2020 veröffentlichte Global Biodiversity Outlook 5 (GBO) bestätigt ebenfalls, dass die Weltgemeinschaft ihre 2010 gesetzten Ziele zum Erhalt der biologischen Vielfalt verfehlt. Belegt wird aber auch, dass ein Drittel der von den Ländern selbst festgelegten nationalen Biodiversitätsziele erreicht oder übertroffen wurden. Allerdings sind diese Ziele weniger ehrgeizig als die UN-Ziele.
Die Klimaziele können nur erreicht werden, wenn auch der Biodiversitätsverlust gestoppt wird.
Dass Artenverlust und Klimawandel zusammenhängen, ist vielen Menschen nicht bewusst. Möglicherweise liegt es auch daran, dass im Vergleich zur Klimakrise das Thema in der Öffentlichkeit und in der Politik wenig präsent ist und als weniger bedrohlich wahrgenommen wird. Etwa ein Viertel aller Emissionen kommen nicht aus Schornsteinen oder Auspuffen, sondern aus der Zerstörung von Lebensräumen (etwa wenn Co2 durch Rodung von Wäldern freigesetzt wird). Auch wenn es Aufgabe der Politik ist, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und für Transparenz und Planungssicherheit sorgen, so ist es schließlich doch der Privatsektor, der eine biodiversitätsverträgliche Wirtschaft umsetzen muss. Zudem können Unternehmen oft schneller und zielgerichteter agieren als die Politik.
Der NABU engagiert sich deshalb schon lange gemeinsam mit Unternehmen für mehr Umwelt- und Naturschutz. Gemeinsam mit der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) hat er eine Studie zur Bedeutung der Biodiversität (intakte Ökosysteme, Artenvielfalt und genetische Vielfalt) und den Auswirkungen und Chancen von wirtschaftlichen Aktivitäten veröffentlicht.
Die wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen der Studie :
Der monetäre Wert der Biodiversität ist mindestens doppelt so groß wie das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Nur ein kleiner Teil der Biodiversität lässt sich wirklich als Geldwert ausdrücken, denn Werte wie geistige Ruhe, Wohlergehen oder Freude lassen sich nur schwer quantifizieren und können individuell und kulturell unterschiedlich wahrgenommen werden.
Land- und Forstwirtschaft, Infrastrukturausbau, Rohstoffabbau und der Industriesektor sind insgesamt für etwa 60 Prozent der weltweiten Biodiversitätsverluste verantwortlich.
Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Harmonisierung von wirtschaftlicher Wertschöpfung, die die Biodiversität erhält und auch wiederherstellt.
Unternehmen spielen eine entscheidende Rolle beim Schutz der biologischen Vielfalt.
Biodiversität benötigt gut vernetzte Schutzgebiete, aber auch ein integriertes Landnutzungsmanagement, das charakterisiert ist durch vielfältige Strukturen und einem Anteil von zehn Prozent Platz für die Natur, beispielsweise für Bäume, Hecken oder Blühflächen aus lokalem Saatgut, durch eine große Vielfalt an Kulturpflanzen sowie verringerte Pestizid- und Nährstoffeinträge. Ein solches biodiversitätsfreundliches Handeln ist für den Küchenhersteller Häcker in Rödinghausen selbstverständlich. „Wir wollen den kommenden Generationen eine gesunde und lebenswerte Welt hinterlassen“, sagt Horst Finkemeier, Inhaber des Unternehmens. Der Standort liegt mitten in der Natur, wo es etwa 70 unterschiedliche Baum- und Pflanzenarten gibt.
Inzwischen haben Mitarbeiter und Führungskräfte des Unternehmens über 1.300 junge Bäume und Sträucher gepflanzt am Häcker Wiehenstadion in Rödinghausen - auf dem Gelände westlich der Sportarena, wo ein neues Biotop für Menschen, Tiere und Insekten entstand. Die Eichen, Buchen und verschiedenen Wildobstsorten stammen aus einer Kunden-Baumpatenschaftsaktion, das auf seiner Hausmesse und auf sozialen Medien rund 900 Baumpatenschaften initiiert und damit auch die Kosten dafür übernommen hat. Das Beispiel ist auch deshalb erwähnenswert, weil hier sämtliche Nachhaltigkeitsaktivitäten interdisziplinär und Hierarchien übergreifend organisiert sind.
Die Deutsche Gütegemeinschaft Möbel (DGM) hat das Unternehmen vor einigen Wochen als „Klimaneutraler Hersteller“ rezertifiziert. Im vergangenen Herbst hatte sich das Rödinghauser Unternehmen dem DGM-Klimapakt für die Möbelindustrie angeschlossen. Wie im vergangenen Jahr hat Häcker Küchen eine detaillierte CO2-Bilanz aufgestellt. Darin hat der Küchenmöbelhersteller die eigenen Emissionen erfassen lassen, die heute schon im Unternehmen positiven Einsparungen gegengerechnet und das verbleibende Delta durch den Erwerb von Klimaschutzzertifikaten ausgeglichen. Diese fördern wichtige Klimaschutzprojekte auf der ganzen Welt, beispielsweise bei der Gewinnung erneuerbarer Energien oder bei der Aufforstung.
Ziel der Durchführung der CFP Studie vom Institut "Fokus Zukunft" war es, durch die quantitative Bestimmung der THG Emissionen im Verlauf des Lebensweges, von der Wiege bis zum Kunden, den potentiellen Beitrag zur Erderwärmung zu berechnen (Global Warming Potential, GWP), angegeben in CO2e (CO2─Äquivalente) und bezogen auf einen Zeitraum von 100 Jahren (GWP100). Berücksichtigt wurden neben CO2 auch andere Klimagase, die ebenso wie Kohlenstoffdioxid Einfluss auf das Weltklima haben. Diese Emissionen wurden im Zuge der Treibhausgasbilanzierung des Unternehmens im Jahr 2020 durch den Zukauf von anerkannten Klimaschutzzertifikaten kompensiert. Deshalb ging die Verarbeitung/ Produktion/ Konstruktion mit 0 in das Gesamtergebnis ein.
Lernen lässt sich immer nur von konkreten Beispielen – deshalb macht es Sinn, in der Nachhaltigkeitskommunikation gleichermaßen in die Breite und Tiefe zu gehen und solche auszuwählen, von denen auch andere lernen können.
Was Unternehmen konkret tun können, um zum notwendigen Wandel beizutragen
Sie müssen das, was sie sagen, auch (kontinuierlich) tun.
Daten über ihren ökologischen Fußabdruck sollten gesammelt und offengelegt werden.
Sie sollten sich zu freiwilligen Biodiversitätsstandards verpflichten unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette.
Kreislauforientiertes Wirtschaften (Wiederverwendbarkeit und biologische Abbaubarkeit von Endprodukten) ist heute unabdingbar.
Das Engagement in Naturschutzprojekten sollte Teil des Nachhaltigkeitsmanagements sein.
Regelmäßige Aufklärungsarbeit (z. B. Kunden über die Effekte der Produkte auf die Biodiversität aufklären, Nachhaltigkeitskampagnen) ist ein wichtiger Teil der Unternehmenskommunikation.
Weiterführende Informationen:
Aus Tradition verantwortungsvoll. Nachhaltigkeitsbericht 2019/2020. Hg. von Häcker Küchen GmbH & Co. KG. Rödinghausen 2019.
Lars Breder: Retten statt reden. Was Unternehmen tun, die aus Tradition verantwortungsvoll sind. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Gisela Rehm: Nachhaltigkeit braucht Markenkraft. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020, S. 223-235.
Josef H. Reichholf: Ende der Artenvielfalt? Gefährdung und Vernichtung von Biodiversität. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2008.