Führungskräfte wünschen sich bei ihren Mitarbeitern oft Eigenschaften, die sie selbst vermissen lassen

Wir alle kennen diesen Wunsch, vielleicht hast du ihn auch selbst: Die Mitarbeiter oder Kandidaten im Vorstellungsgespräch müssen diese und jene Eigenschaften zwingend mitbringen, beispielsweise eine hohe Motivation. Doch wer sich motivierte Mitarbeiter wünscht, muss selbst motiviert sein und dies auch ausstrahlen – genau darin liegt die Herausforderung.

So müsst ihr sein

Im Workshop bekomme ich oft zu hören, wie Mitarbeiter sein sollten, was sie alles mitbringen und schon getan haben müssten. Lassen wir mal den fachlichen Teil weg und widmen uns nur den Charaktereigenschaften. Die Leute müssen:

  • topmotiviert sein,

  • achtsam mit ihren Kollegen und Kunden umgehen,

  • authentisch in Gesprächssituationen wirken,

  • analytisch arbeiten,

  • kundenorientiert agieren,

  • innovativ denken etc.

Dies ist nur ein Auszug von Eigenschaften, welche Mitarbeiter oder Kandidaten mitzubringen haben. Kennen Sie jemanden, der tatsächlich all diese Eigenschaften in sich vereint? Ich nicht, und wahrscheinlich gibt es diese Person auch nicht.

Spannend finde ich in solchen Diskussionen, dass sich oft gerade jene Führungskräfte Mitarbeiter mit all diesen Eigenschaften wünschen, die sie selbst nur bedingt mitbringen. Dies wird nach längeren Gesprächen klar. Oder wie lässt es sich begründen, dass jemand im Vorstellungsgespräch „topmotiviert“ sein soll, während die interviewende Führungskraft unvorbereitet, überarbeitet und sichtlich genervt einen unmotivierten Eindruck macht? Warum soll ein Bewerber vor Motivation sprühen, wo er doch schon einen Job hat und nicht zwingend einen neuen sucht, aber offen für eine Veränderung ist?

„You go first“, liebe Führungskraft! Wünsche dir nichts von den Mitarbeitern oder Bewerbern, was du selbst nur bedingt bist bzw. liefern kannst.

So seid ihr

Die Vielfalt an Eigenschaften kann keine Person erfüllen, und das ist auch gut so. Nicht jeder Berater muss alles können – es gibt Experten, und es gibt Generalisten. Es gibt Verkäufer, und es gibt Consultants. Wichtig ist, dass jede Person gemäß ihren Eigenschaften, Vorlieben und auch Stärken eingesetzt wird. Da muss nicht jeder alles können.

Da kann es für den Vertriebler eher hinderlich sein, analytisch zu denken, während es für den Berater sehr wichtig sein kann.

Bitte fordere nicht die bekannte „eierlegende Wollmilchsau“, sondern setze deine Mitarbeiter gemäß ihren Stärken ein. Sollten diese nicht sofort offensichtlich sein, frage die Menschen einfach danach.

Was kannst du ändern?

Jetzt reicht es nicht, zu sagen, ab heute bin ich analytisch, und dann war’s das. Die Wahrheit der Veränderung liegt tiefer. Doch unmöglich ist es nicht.

Wichtig ist: Du musst dich ändern und nicht die anderen.

Folgende Phase musst du durchlaufen, damit du dein Verhalten und somit deine Eigenschaften in der Interaktion mit Menschen veränderst:

  • Einsicht: Du beginnst zu verstehen, dass die Situation nicht so bleiben kann, wie sie ist ‒ es wird Zeit, sich ihr zu stellen.

  • Akzeptanz: Die Akzeptanz markiert den Wendepunkt im Prozess der Veränderung. Die Andersartigkeit der neuen Situation wird angenommen. Wir sehen die Notwendigkeit ein, dass alte Gewohnheiten oder Verhaltensweisen aufgegeben werden müssen, um mit dem neuen Szenario klarzukommen.

  • Ausprobieren: Wir beginnen auszuprobieren und uns an die neue Situation heranzutasten, um sicherer zu werden. Irrtümer und Rückschläge sind dabei natürlich nicht ausgeschlossen

  • Erkenntnis: In der Phase der Erkenntnis lernen und verstehen wir die bisherigen Schritte der Veränderung. Es wird klar, warum der Wandel notwendig ist und wie die Zukunft aussehen kann.

  • Integration: Neue Verhaltensmuster werden langfristig integriert. Das Gefühl einer erweiterten Kompetenz bzw. einer Bereicherung entsteht und wächst weiter. Dadurch wird die Veränderung auch in unserer Wahrnehmung nochmals gefestigt.

Du kannst diesen Prozess an einem Beispiel für dich in den nächsten 6 Wochen testen. Folgendes Szenario: Du hattest Stress mit deinem Kunden, der Funktionen im Projekt fordert, die nicht vereinbart waren – die Situation eskalierte. Wie hättest du agieren können, um die Situation „kundenorientierter“ zu bewältigen? Welche anderen Verhaltensmuster als „Streit und Eskalation“ hätten dir zur Verfügung gestanden?

Probiere es einfach mal aus und werde die Führungskraft, die du dir früher gewünscht hättest.

Frank Rechsteiner schreibt über Transformation, Recruiting, Mindsets

Frank Rechsteiner ist Inhaber der Hype Group, die auf Executive - Recruiting und Strategieberatung für IT-Unternehmen spezialisiert ist. Als Recruiting Experte, Blogger, YouTuber und Autor gebe ich regelmäßig Recruiting Impulse. Alle weiteren Infos finden Sie unter - https://frankrechsteiner.de/

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