Gutes Geschäft: Warum wir auch eine Hygiene des Geistes brauchen
Die lateinische Redewendung Pecunia non olet („Geld stinkt nicht“) legt ebenfalls davon Zeugnis ab: Der Ausspruch geht auf den römischen Kaiser Vespasian zurück, der damit seine Steuer auf menschlichen Urin verteidigte, den römische Bürger kauften, um damit Leder zu gerben und Kleider zu waschen. Vespasians Sohn empfand darüber Ekel – doch der Kaiser hielt ihm eine Münze unter die Nase und fragte, ob sie schlecht rieche. Der Sohn verneinte, und Vespasian erklärte ihm, dass sie mit Urin verdient worden sei.
Geld stinkt nicht. Das zeichnet auch manches Geschäft der Gegenwart aus, das von einem besonderen „Drang“ angetrieben ist: dem Wunsch, Markt und Konsumenten mit diversen Auffrischungen wie „wäscht jetzt noch weißer“ oder „wirkt selbst bei hartnäckigen Flecken, Küchenschmiere, Schimmel und Moderflecken“ zu beherrschen.
Domestos, international auch unter den Namen „Domex“, „Glorix“ und „Klinex“ angeboten, gehört nach Ansicht der Werbeindustrie zu den „Top-Marken in Deutschland“ – sowohl bei den flüssigen WC-Reinigern als auch bei den Hygienereinigern. Der Grundstein dieser Produktpalette wurde 1929 in Großbritannien gelegt. Seit 1961 gehört Domestos zum Unilever-Konzern und steht seitdem nach Ansicht des Unternehmens als „unangefochtener Hygieneexperte für verlässliche und kraftvolle Hygiene und absolute Sicherheit für die ganze Familie“. Es gehört zur Verkaufsförderung, vor allem auf Urängste vor krankmachenden Keimen zu setzen: So beugt auch der Domestos TURBO FRESH nicht nur Kalkablagerungen vor, sondern entfernt Schmutz, der zur Entstehung von Bakterien führen kann. Das soll sich auch im Namen Domestos ausdrücken, der sich zusammensetzt aus dem lateinischen Wort „Domus“ (Zuhause) und dem Griechischen Wort „Osteon“ (Knochen). Der Konzern Unilever, der mit 400 Marken (u. a. Knorr, Rama, Pfanni, Becel, Bertolli, Langnese, Axe, Rexona, Dove, Domestos, Coral und Viss) in über 14 Kategorien von Haushaltsreinigern, Körperpflegeprodukten und Lebensmitteln weltweit zu den größten Anbietern von Verbrauchsgütern gehört, erklärt auf seiner Website: Somit bedeutet Domestos wörtlich „Das Rückgrat des Hauses“.
Doch damit ist es nicht getan, denn Marken brauchen neben klaren Botschaften eben auch eine nachhaltige Substanz. Fehlt beides, laufen sie Gefahr, in gesättigten Märkten nicht zum Kunden durchzudringen, weil solchen Ansätzen die Kontinuität fehlt und Sinnvermittlung dort simuliert wird, wo nichts ist außer einer werblichen Botschaft und dem Preis. Bewusste und kritische Konsumenten haben den Eindruck, dass diese Unternehmen nur eine Imagepolitur betreiben, indem sie lediglich ein Trendthema besetzen. „Im Endeffekt kann man den Verbrauchern nur raten, von den Produkten und Marken solcher Konzerne schlichtweg die Finger zu lassen. Sie tragen derartige Globalplayer erheblich zu Raubbau der Natur bei und auch ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kunden lässt erheblich zu wünschen übrig“, heißt es bei Foodwatch. „Kaufen sie gesunde Produkte bei lokalen Unternehmern um die Ecke fördern sie nicht nur ihre Gesundheit, sondern stärken auch kleine Unternehmer und Bauern die oft ebenso abhängig von Konzernen sind und stärken ganz nebenbei die Demokratie hier und in anderen Ländern.“
Es gibt für Claudia Silber, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der memo AG, zwei zuverlässige Wege, Greenwashing zu erkennen: „Einerseits die Aussagen einer Marke/eines Unternehmens auf ihre Wahrhaftigkeit hin überprüfen und dies durch Recherche und unabhängige Aussagen zu verifizieren oder eben als unwahr oder verschleiernd zu identifizieren.“ Aber auch Bauchgefühl und Intuition sind für sie probate Mittel. „Mittlerweile sollten viele Konsumenten für Greenwashing sensibilisiert sein und es gewohnt sein, nicht immer alle Aussagen für bare Münze zu nehmen.“ Auch das Unternehmen, für das sie tätig ist, ein Versandhandel mit Produkten für Büro, Schule, Haushalt und Freizeit, die gezielt nach ökologischen und sozialen Kriterien ausgewählt sind, wirbt für seine Produkte. Aber es werden genauso auch Rückschritte und Maßnahmen kommuniziert (z.B. im Nachhaltigkeitsbericht), die noch nicht so gut gelungen sind. „Wir kommunizieren also wahrhaftig und offen. Diese Vorgehensweise ist für uns ein kleiner Teil an der Nachhaltigkeit, die wir ganzheitlich betrachten und umsetzen. Das ist meiner Ansicht nach der richtige Weg, um auch in Zukunft auf Basis von Vertrauen für und mit den Konsumenten zu kommunizieren“, sagt Silber. Die Domestos-Debatte ist für sie kein „profanes Putzthema", sondern ein Anstoß im besten Wortsinn. Und ein Aufhänger, "über welche Aussagen wir in Zukunft zweimal nachdenken sollten“, denn viele Verbraucher fallen auf Greenwashing noch immer herein. Sie schätzt die ehrlichen Bemühungen um Nachhaltigkeit aller kleinen und großen Unternehmen sehr – ist allerdings immer dann darüber verärgert, wenn das Thema nicht ganzheitlich betrachtet wird.
Es wird in Zukunft immer wichtiger werden, über das eigentliche Produkt hinaus Informationen über die generelle Herstellerphilosophie sowie die Wirkung des Produkts auf Mensch und Umwelt zu vermitteln, um Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu dokumentieren. Ein glaubhaftes Produkt kann nur von einem Unternehmen stammen, das Nachhaltigkeit konsequent in seinem Handeln umsetzt. Pioniergeist und das Engagement in einzelnen Bereichen zeigt, welche Möglichkeiten Unternehmen heute haben, die Welt wirklich zu verbessern und eine Vergleichbarkeit zu all jenen zu haben, die mit „scheinbar“ nachhaltigen Marken werben. Die echten sind daran zu erkennen, dass sie zugleich jüngere Ableitungen alter menschlicher Werte sind, die für Tugenden und immaterielle Werte wie Verlässlichkeit, Beständigkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit stehen. Deshalb sind sie in rezessiven Phasen standhafter, denn die Kunden halten ihnen die Treue. Doch wenn sich Konsumenten entscheiden, den Dingen ihren eigenen Gang zu lassen, haben sie sich, wie der Philosoph Jean-Paul Sartre sagt, dafür entschieden, sich nicht zu entscheiden. Deshalb braucht Nachhaltigkeit auch eine ständige Hygiene des Geistes.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.