Dr. Bernd Slaghuis

Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Jobsuche: Macher, bitte draußen bleiben

Bild: 123rf.com

Machen "Macher" Arbeitgebern heute Angst? Warum viele Macher trotz hoher Qualifikation bei Personalern und Chefs nicht richtig punkten können und worauf Sie daher bei Jobsuche und Bewerbung achten sollten.

Ich möchte Ihnen von Joachim berichten. Er kam vor einigen Monaten zu mir ins Coaching und er steht Pate für viele andere Klienten, wie ich sie im Bewerbungscoaching immer häufiger erlebe. Joachim ist 41, studierter Wirtschaftsingenieur, hat diverse Weiterbildungen als Projektmanager und sein Lebenslauf zeigt eine über 15-jährige Karriere bei namhaften Industriekonzernen. Seit vier Monaten ist er nun Bereichsleiter bei einem internationalen Logistikkonzern.

Ich frage ihn, was ihn zu mir ins Coaching führt. Man wolle ihn dort nicht machen lassen und er werde permanent von seinem Chef ausgebremst, erzählt er mir. Dabei habe er doch so viele Ideen im Kopf. Es frustriere ihn, nichts bewegen zu können und täglich nur mit Bedenkenträgern umgeben zu sein. Er habe schon Gespräche mit seinem Chef geführt, doch auch der habe Angst vor seinem Boss und er könne angeblich nichts für ihn tun. Er ist sich sicher, dass er dort schnellstens wieder raus muss.

10 Bewerbungen habe er in den letzen Wochen an andere Konzerne verschickt, erzählt er mir stolz. Zu fünf Gesprächen wurde er eingeladen, doch immer war nach der ersten Runde Schluss. Er wisse einfach nicht, woran es liegt, schließlich kann er gute Qualifikationen und jede Menge Berufserfahrung vorweisen. „Suchen Arbeitgeber denn keine Leute mehr, die motiviert sind und was verändern wollen?“, fragt er mich sichtlich verunsichert. Er begreife es nicht, schließlich reden doch alle vom Fachkräftemangel.

Macher brauchen ihre Freiheit

Ja, Joachim ist so ein typischer Fall von Macher und Generalist, wie ich sie oft verzweifelt im Bewerbungscoaching mir gegenüber sitzen habe: Freiheit im Denken und Handeln ist ihnen wichtig, gepaart mit Abwechslung und ständig neuen Herausforderungen. Hoher Wissensdurst, schnelle Auffassungsgabe, Abstraktionsvermögen, Kreativität, Lösungs- und Umsetzungsorientierung mit hands-on-Mentalität sowie eine extrem starke über ihre Selbstwirksamkeit definierte Motivation. Macher brauchen keine Chefs, die ihnen sagen, wo es langgeht, sondern Führung als fachlich versierten Sparringspartner auf Augenhöhe und mit verlässlicher Rückendeckung. Sie wollen Teil eines starken Teams sein, das gemeinsam mit ihnen Visionen mitgeht und Risiken eingeht.

Doch alles das bleibt Joachim und auch vielen anderen Macherinnen und Machern heute vor allem bei Arbeitgebern mit strengen Hierarchiegefügen, fest definierten Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen, starren Prozessstandards und in der Vergangenheit stur auf Effizienz getrimmter Performancekultur verwehrt.

Keine Sorge, liebe Macher! Es gibt sie, die Arbeitgeber, die auf Euch stehen. Worauf es jedoch bei der Jobsuche und Bewerbung ankommt, dazu später mehr.

Macher, bitte nicht stören!

Macher sind bei solchen Arbeitgebern unerwünscht, bei denen politisches Schauspiel zur Erhaltung von Status und Macht über echte Veränderung gesetzt wird. Wo es zählt, die Politik des Topmanagements stillschweigend bis zur Basis mitzutragen, da ist kein Platz für eigenständig denkende Führungskräfte in den immer unbequemer werdenden Sandwichpositionen. Wer zu viel hinterfragt oder sich sogar in den Weg stellt, der wird mit gutem Gehalt geschmeidig gehalten, durch Druck und klare Ansagen von oben mundtot gemacht oder per Abfindung großzügig verabschiedet.

Macher stören in solchen Systemen. Auch wenn sie vor Ideen nur so sprudeln, wird dieses Potenzial lieber im Keim erstickt, als dass sie unerwünschte Unruhe in die Organisation bringen, die am Ende womöglich auch die Machtspiele der Obersten torpediert. Dass Macher in einem solchen Arbeitsumfeld frustriert auf Dienst nach Vorschrift umschalten, ist verständlich und mehr Selbstschutz als Böswilligkeit. Sie haben keine Chance, alles das auszuleben, was ihnen persönlich so wichtig ist. Erst der Wechsel des Arbeitgebers ist für die meisten von ihnen der befreiende Ausweg.

Jobsuche: Wenn Macher zu angepassten Mitläufern werden

Doch auch bei der Suche nach einem neuen Arbeitgeber wird schnell klar: Obwohl von jedem Bewerber in den immer gleich klingenden Stellenausschreibungen hohe Durchsetzungsstärke und Belastbarkeit erwartet werden, müssen Macher oftmals draußen bleiben. Zu gefährlich, zu generalistisch, nicht greifbar, zu anstrengend – und Tschüss.

Und so specken viele Jobwechsler vom Typ „Macher“ mit zunehmender Suchdauer und dem schlehcten Gefühl von Ablehnung ihre Lebensläufe ab. Sie verheimlichen ihre größten Erfolge aus vorherigen Positionen, spielen verliehenen Einfluss herunter, vertuschen die hohe Budget- oder Führungsverantwortung und glauben, sich so dem Bild des scheinbar erwünscht harmlosen Mittelmaßbewerbers anpassen zu können.

Aus ehemals begeisterten Machern werden geschmeidige Mitläufer. Doch dass so auch die Gefahr steigt, erneut bei genau solchen Arbeitgebern zu landen, die tatsächlich nur angepasste Mitläufer statt ambitionierte Macher suchen, das vergessen die meisten von ihnen vor lauter Bewerbungsfrust irgendwann.

Macher müssen in ihren Jobs machen dürfen

Dass hoch qualifizierte Bewerber ihre Lebensläufe mit zunehmender Ablehnung kleinschreiben und sich nach niedrigeren Positionen umsehen, das ist der eine Grund dafür, dass es immer weniger passt und die Absagen zunehmen. Gleichzeitig beobachte ich bei vielen Jobwechslern, dass sie bei der Stellensuche zu ungenau vorgehen und weiterhin gewohnt mit ihrem alten System genau solche Arbeitgeber identifizieren, die kein echtes Interesse an Machern wie ihnen haben.

Macher brauchen echte Macherjobs in einem Arbeitsumfeld, welches ihre Macherqualitäten wirklich zu schätzen weiß. Sie benötigen das bedingungslose Zugeständnis von oben, frei mitdenken, Schwachstellen aufdecken und die Dinge in Angriff nehmen zu dürfen. Um Kreativität und Innovation zu fördern oder Strukturen und Prozesse umzukrempeln. Das sichtbare Ergebnis ihres täglichen Tuns ist für Macher die höchste Anerkennung ihrer Arbeit.

Ja, es gibt sie noch, die angstfreien Verwirklichungsoasen für echte Macher und generalistische Alleskönner: Ob die trendigen Innovationshubs als herausgelöste Töchter schwerfälliger Konzerne, die dynamisch-agilen, am Markt etablierten und in der Wachstumsphase befindlichen Start-ups oder die vielen traditionsreichen Mittelständler, die erkannt haben, dass sie sich in Zeiten der Digitalisierung dringend neu erfinden müssen, um im Wettbewerb weiterhin bestehen zu können.

Dort, wo es um ernst gemeinten "Change" statt nur um das nächste Projekt geht, wo Produkte und Vertriebe neu aufgestellt, IT-Systeme und Schnittstellen modernisiert oder harmonisiert sowie Strukturen und Prozesse im Auftrag des Top-Managements schonungslos auf den Prüfstand gestellt werden dürfen. Dort, wo in Fortschritt investiert und Innovation gelebt wird. Wo Fehler nicht Bestrafung, sondern Fortschritt bedeuten. Dort, wo es mehr um konzeptionell-strategische Aufgaben statt um operativ-verwaltende Routinen geht. Wo Strategien entwickelt und umgesetzt, neue Märkte erschlossen oder neue Technologien eingeführt werden.

Wer bei der Stellensuche mit diesem Bewusstsein und eigener Klarheit genauer hinsieht, der findet Arbeitgeber mit echtem Interesse an Machern. Womöglich dauert es länger und erfordert mehr Kreativität, doch wenn es dann für die nächsten Jahre wirklich passt, ist es das wert. 

Bewerbung & Vorstellungsgespräch: Macher, zeigt Kante!

Es ist aus meiner Erfahrung der falsche Weg, sich als Bewerber an wie auch immer geartete Erwartungen anzupassen. Insbesondere für Macher ist es wichtig – schon aus Selbstschutz – sich als Bewerber mit klarem Profil zu erkennen zu geben. In Anschreiben und Vorstellungsgesprächen Klarheit zu schaffen, was im Beruf wichtig ist und was alles erfüllt sein muss, um motiviert auf Dauer einen guten Job zu machen. Schreiben und sprechen Sie darüber, welche Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume Sie sich wünschen und welche Erwartungen Sie auch an Ihren Chef und die Zusammenarbeit im Team haben. Kann Ihr Gegenüber damit nicht umgehen oder empfindet Sie womöglich als unverschämt, dann ist es vermutlich der falsche Arbeitgeber für Sie. 

Klären Sie, welche Aufgaben konkret mit der Position verbunden sind und versuchen Sie, im Gespräch ein gutes Gefühl dafür zu bekommen, wofür genau Sie wirklich eingekauft werden. Fragen Sie Ihren zukünftigen Chef beispielsweise, woran er nach 6 Monaten konkret festmachen wird, dass Sie einen guten Job gemacht haben. Bekommen Sie als Antwort „Sie halten das Tagesgeschäft am laufen“ oder „Das werden wir nach einem halben Jahr sehen“, dann sollten Sie besonders als Macher hellhörig werden, die Antworten hinterfragen und entscheiden, ob Sie die Aufgabe in den nächsten Jahren wirklich ausfüllen wird.

Joachim (der übrigens nicht Joachim heißt) hat seinen Job im Konzern noch während der Probezeit gekündigt ist wenig später zu einem Mittelständler gewechselt. Als Leiter Strategie- und Innovationsmanagement soll er mit seinen zwei Mitarbeitern die Strategieentwicklung aufbauen, neue Vertriebskanäle erschließen sowie IT-Technologien einführen, um den Betrieb fit für die digitale Zukunft zu machen. Es sei eine Herausforderung wie für ihn gemacht, schrieb er mir neulich und schlug vor, dass ich seine Geschichte und meine Erfahrungen aus der Arbeit mit Machern wie ihm hier teile. Denn "Macher, bitte draußen bleiben!" sollte angesichts der wachsenden Herausforderungen in unserer Wirtschaft und auch Gesellschaft doch längst der Vergangenheit angehören. 

Was sind Ihre Erfahrungen als "Macher" und was haben Sie als Jobwechsler oder Bewerber erlebt? Wie gehen Sie als Personaler oder Chef mit solchen Macher-Typen um? Ich bin gespannt auf Ihre Meinungen und Erfahrungen unten als Kommentar.

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Karriere- und Business-Coach, Dr. Bernd Slaghuis

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Karriere ist heute mehr als nur "höher, schneller, weiter". Seit 2011 habe ich über 1.800 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf begleitet. Von der Neuorientierung und Bewerbung bis zum Onboarding. Meine Erfahrungen teile ich hier als XING Insider, auf meinem Blog und als SPIEGEL-Kolumnist.
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